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Prof. Dr. Rüdiger Kabst

Lehrstuhl Personalmanagement, Mittelstand und Entrepreneurship, Justus-Liebig-Universität Gießen

Paul M. Kötter

Mitglied der Geschäftsleitung, Kienbaum Management Consultants GmbH, Berlin

Prof. Dr. Matthias Meifert

Mitglied der Geschäftsleitung, Kienbaum Management Consultants GmbH, Berlin

Marius C. Wehner

wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl Personalmanagement, Mittelstand und Entrepreneurship, Justus-Liebig-Universität Gießen

Jetzt – genau 20 Jahre nach der ersten Erhebung – liegen die Ergebnisse des Cranfield Projects on International Human Resource Management (Cranet) in siebter Runde vor. Trotz der Krisenauswirkungen waren das Interesse und damit die Teilnahmebereitschaft deutscher Unternehmen am Cranet-Projekt im Erhebungszeitraum 2009/2010 ungebrochen. In Deutschland wurden 4.000 Fragebögen an eine repräsentative Stichprobe aus privatwirtschaftlichen und öffentlichen Organisationen versendet, und es wurde eine Rücklaufquote von 10,5 Prozent erzielt. Der gleiche Fragebogen wird – übersetzt in die jeweilige Landessprache – in über 40 Ländern weltweit verwendet, sodass die empirischen Ergebnisse international vergleichbar sind. Während im Jubiläumsjahr 2010 die Erhebungen des Cranet in einigen EU-Staaten noch andauern, können für Deutschland erste empirische Ergebnisse – mit besonderem Fokus auf die Rolle der Personalverantwortlichen – präsentiert werden.

Personalarbeit institutionalisieren

Seit Dave Ulrich mit seinem Buch „Human Resource Champions“ die Personalverantwortlichen als Human Resource (HR) Business Partner in die Pflicht nimmt, steigen einerseits das Selbstbewusstsein und der Anspruch an die unternehmerische Mitgestaltung, andererseits mehren sich die Zweifel, ob dieses Rollenverständnis in der Praxis durchsetzbar ist und systematisch mit Leben gefüllt wird. Laut Ulrich wird ein als Business Partner positionierter Personalbereich unter anderem als Administrative Expert und Strategic Partner begriffen. Einen HR Business Partner zeichnet aus, dass er an wesentlichen strategischen Entscheidungsprozessen der obersten Führungsebene teilnimmt und eine aktive Rolle bei deren Umsetzung einnimmt.

Die aktuelle Forschung zeigt deutlich, dass gerade diejenigen Unternehmen, die ihr Personal als kritische Ressource oder intellektuelles Kapital wahrnehmen und der Personalfunktion im Reigen der betrieblichen Funktionen einen hohen Stellenwert beimessen, damit systematisch strategische Wettbewerbsvorteile generieren.

Werden in deutschen Unternehmen diese Erkenntnisse umgesetzt? Wird das Rollenverständnis gelebt oder mutiert es eher zu einer leeren Worthülse?

Ein wichtiger Indikator für die Stellung der Personalfunktion innerhalb einer Organisation ist die Frage, ob der Personalleiter Mitglied der obersten Führungsebene/Geschäftsführung ist, um seiner Rolle als HR Business Partner gerecht zu werden. Erst wenn der Personalleiter mit hinreichend Verantwortung ausgestattet ist, kann er als HR Business Partner auf gleicher Augenhöhe mit der Geschäftsleitung agieren, bei wesentlichen strategischen Entscheidungsprozessen mitwirken und die Implementierung innerhalb der Organisation unterstützen.

Die Ergebnisse des Cranet führen zu einer ersten Ernüchterung. Nur bei der Hälfte der teilnehmenden deutschen Organisationen ist der Personalleiter Mitglied der obersten Führungsebene. Obwohl dies eine Zunahme im Vergleich zum Jahr 1990 (34 Prozent) bedeutet, so stagniert der Wert in den vergangenen zehn Jahren auf gleichem Niveau.

Im internationalen Vergleich zeigt sich ein scharfes Bild: Während Deutschland sich mit einem Wert von 50 Prozent am unteren Ende der Statistik bewegt, sind etwa in skandinavischen Ländern (Schweden 91, Finnland 82 Prozent) die Personalverantwortlichen deutlich besser positioniert. Auch wenn bei diesen plakativen Befunden Besonderheiten der einzelnen Länder zunächst unberücksichtigt bleiben müssen, wird in kaum einem anderen Land des Cranet-Netzwerks dem Personalleiter weniger Mitspracherecht eingeräumt als in Deutschland. Wunsch und Wirklichkeit klaffen somit gerade in Deutschland weit auseinander.

Herkunft des obersten Personalleiters

Neben der Institutionalisierung ist die Frage zu beantworten, ob der Personalleiter vor seinem Amtsantritt – bei seinem derzeitigen Arbeitgeber oder in einem fremden Unternehmen – im Personalmanagement tätig war und somit ein fundiertes personalwirtschaftliches Kompetenzprofil aufweist, um der gewachsenen Komplexität der Personalarbeit gerecht werden zu können. Es ist nahe liegend, dass ein erfahrener Personalleiter Aktivitäten kompetenter und letztlich auch erfolgreicher umsetzen kann als derjenige, der aus fachfremden Unternehmensfunktionen mehr oder weniger zufällig ins Personalmanagement befördert wird und im Kern wenig einschlägige Personalerfahrung besitzt. Andererseits wird Managern aus der Linienorganisation eine größere Business-Nähe unterstellt und somit die Fähigkeit, die Personalarbeit enger an den Notwendigkeiten des Geschäfts auszurichten.

Es gibt einen klaren Trend hin zur Einstellung von Personalexperten. Wurde im Jahr 2000 nur in 46 Prozent der Fälle ein HR-Experte aus der eigenen oder einer fremden Organisation rekrutiert, so sind es im Jahr 2009 bereits 67 Prozent. Dem steht die Besetzung mit Nicht-Spezialisten gegenüber, die von insgesamt 40 Prozent (2000) auf 30 Prozent (2009) gesunken ist. (Abb.1)

Ginge man davon aus, dass ein Personaler mit sonstiger oder unbekannter Herkunft ebenfalls als Nicht-Experte zu werten ist, dann wären die Unterschiede noch deutlicher. Entgegen einer intuitiven Vermutung wird ein höherer Anteil an Personalverantwortlichen extern rekrutiert (40 Prozent) als in der der eigenen Organisation befördert (27 Prozent). Sicherlich können hierfür organisationsspezifische Gründe ins Feld geführt werden, wie etwa die Größe eines Unternehmens, jedoch mag die gute alte Redewendung „der Schuster trägt selbst die schlechtesten Schuhe“ nicht gänzlich verfehlt sein. Nicht immer ist die Personalabteilung selbst gelebte Best-Practice in der internen Karriereentwicklung.

Dennoch sprechen die empirischen Befunde dafür, dass deutsche Organisationen immer häufiger den qualifizierten, erfahrenen HR-Experten suchen, um das Personalmanagement innerhalb der eigenen Organisationen weiter zu professionalisieren. Dies deckt sich auch mit der Beobachtung, dass die Ökonomen mit 56 Prozent der Personalleiter mit einem Hochschulabschluss weiterhin in der Mehrheit bleiben.

Strategieorientierung und Einbindung

Im Zusammenhang mit der Institutionalisierung der Personalarbeit innerhalb einer Organisation ist die Strategieformulierung gleichermaßen aussagekräftig. Die Existenz einer Personalmanagementstrategie kann als ein Indiz dafür gesehen werden, inwieweit der Personalleiter der Rolle eines gleichwertigen Partners gerecht wird. Hier zeichnen die Befunde des Cranet für Deutschland ein zweigeteiltes Bild. Zum einen kann man eine kontinuierliche Steigerung der Existenz einer schriftlich oder mündlich festgelegten Personalmanagementstrategie in den Organisationen beobachtet. So stieg der Prozentsatz derjenigen Organisationen, die über eine Personalmanagementstrategie verfügen von 65 Prozent im Jahr 2000 auf nunmehr 76 Prozent in der aktuellen Erhebung. (Abb. 2)

Andererseits wird im allgemeinen Strategiekontext deutlich, dass die Strategiebildung im Personal immer noch weit hinter dem Unternehmensleitbild (89 Prozent) und der Unternehmensstrategie (92 Prozent) herhinkt. Wird die Existenz einer Personalmanagementstrategie nach Unternehmensgröße aufgefächert, zeigt sich die erwartete Verteilung: Während 97 Prozent der Unternehmen mit über 10.000 Mitarbeitern eine festgelegte Personalmanagementstrategie verfolgen, ist dies bei nur rund 71 Prozent der Organisationen mit bis zu 200 Mitarbeitern zu beobachten. Gleichzeitig ist erkennbar, dass mit steigender Organisationsgröße die schriftliche Fixierung der Personalmanagementstrategie zunimmt. Organisationen mit weniger als 1.000 Mitarbeitern legen die Personalmanagementstrategie häufig nur mündlich fest.

Im internationalen Vergleich rangiert Deutschland mit diesen Ergebnissen erneut auf dem letzten Platz. So wird in anderen europäischen Staaten deutlich mehr Wert auf eine Personalmanagementstrategie gelegt, wie etwa in Schweden (88 Prozent) oder in Großbritannien (77 Prozent). Dass der Personalleiter in Deutschland immer noch weit vom Ziel entfernt ist, sich als strategischer Partner zu positionieren, zeigt sich insbesondere im europäischen Vergleich, wenn es um die Einbindung des Personalverantwortlichen bei der Entwicklung der Unternehmensstrategie geht. Abb. 2 verdeutlicht, dass der Personalverantwortliche in deutschen Organisationen teilweise erst bei der Einführungsphase (28 Prozent) bzw. überhaupt nicht (18 Prozent) in die Unternehmensstrategieentwicklung einbezogen wird. In anderen Ländern wird der Personalverantwortliche wesentlich früher und damit auch eher selbstverständlich mit ins Boot geholt.

Beziehung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern

Der Personalleiter sollte im Sinne eines HR Business Partners (oder im Sinne des Stakeholder-Konzeptes) nicht nur als Partner für die Geschäftsführung agieren, sondern gleichermaßen als Partner und Anwalt der Mitarbeiter fungieren. Aus diesem Grund setzt sich das Personalmanagement in Deutschland regelmäßig mit der betrieblichen Mitbestimmung auseinander, denn die Interessenvertretung der Arbeitnehmer ist im Gegensatz zum europäischen Durchschnitt institutionell verankert, wobei der gewerkschaftliche Organisationsgrad im Unternehmen von den betrieblichen Organen des Betriebsverfassungsgesetzes zunächst unabhängig ist.

Die Mehrheit der deutschen Organisationen hat im Jahr 2009 (75 Prozent) keine Veränderung des Einflusses der Gewerkschaften in den vergangenen drei Jahren wahrgenommen. Während zwölf Prozent den Einfluss als geringer einstufen, sind rund 14 Prozent der Meinung, dass der Einfluss der Gewerkschaften zugenommen hat. Im Vergleich zu den Ergebnissen aus dem Jahr 2005 entsteht der Eindruck, dass das Gewicht von Gewerkschaften relativ konstant bleibt.

Und dennoch verdeutlichen die Daten aus dem Jahr 2009, dass sich der Anteil an gewerkschaftlich organisierten Mitarbeitern in den Organisationen über die Jahre verringert hat. Bereits 15 Prozent der Unternehmen gaben an, dass keine Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens einer Gewerkschaft angehören. Auffällig ist auch, dass knapp ein Viertel der Organisationen nicht angibt (oder gar nicht weiß), wie viel Prozent des Personalbestandes gewerkschaftlich organisiert sind.

Personalmaßnahmen in der Krise

Die aktuelle deutsche Cranet-Erhebung fand exakt zu dem Zeitpunkt statt, an dem die Wirtschafts- und Finanzkrise ihren (bisherigen) Höhepunkt erreichte. Eine wichtige Frage, die sich im Hinblick auf diesen Zeitpunkt stellt, ist daher, wie die Organisationen in Deutschland darauf reagiert haben. Hierbei geben die Hälfte der Organisationen an, ihren Personalbestand während der vergangenen drei Jahre vergrößert zu haben. Weitere zwölf Prozent haben keine Veränderungen an der Mitarbeiterzahl vorgenommen und nur 38 Prozent der Organisationen haben ihren Personalbestand verringert.

Da die Unternehmen nach einer Veränderung während der letzten drei Jahre befragt wurden, sind in der Erhebung die aktuellen Auswirkungen der Wirtschaftskrise möglicherweise noch überlagert von früheren Wachstumsjahren. Eventuell haben aber deutsche Organisationen auch besonders weitsichtig auf die Krise reagiert und bevorzugt weiche Maßnahmen des Personalabbaus eingesetzt. Wenn im Nebel gestochert wird, ist es stets vorteilhaft, möglichst viele Handlungsoptionen offen zu halten – also Stammmitarbeiter mit ausgewähltem unternehmensspezifischen Kompetenzprofil nicht zu entlassen, sondern zunächst in Kurzarbeit und sonstigen Maßnahmen zu parken. (Abb. 3)

Unsere empirischen Befunde bestätigen diese Vermutung. Im Rahmen des Cranet wurden Organisationen gefragt, welche Maßnahmen zur Personalreduzierung zur Anwendung kamen, wenn während der letzten drei Jahre ein Personalabbau stattgefunden hat. Die Organisationen gaben auf einer Skala von 0 (nicht genutzt) bis 4 (in sehr hohem Maße genutzt) ihre Verwendung bezüglich der verschiedenen Instrumente an. Die Ergebnisse zeigen im Mittelwert, dass in Deutschland bevorzugt weiche Formen des Personalabbaus verwendet wurden. Die am häufigsten genutzte Maßnahme stellt die Nicht-Verlängerung von befristeten Verträgen oder Zeitarbeitsverträgen (2,8) dar, gefolgt von Einstellungsstopp (2,7) und vorzeitiger Pensionierung (2,2).

Auch ist zu beobachten, dass in den meisten Unternehmen betriebsbedingte Kündigungen (1,3) noch die Ausnahme sind. Ein Vergleich mit der Erhebung aus 2005 zeigt zudem, dass die Rangfolge der eingesetzten Maßnahmen trotz Krise unverändert geblieben ist. Dies kann als Hinweis gedeutet werden, dass der Personalverantwortliche den Krisenanpassungsprozess weitsichtig mit steuert.

Mehr Verantwortung

Die Cranet-Erhebungen zeigen seit 20 Jahren, dass sich Deutschland von seinen europäischen Nachbarn auf vielen personalwirtschaftlich relevanten Gebieten unterscheidet. Und dennoch lassen die empirischen Befunde den Schluss zu, dass der Professionalisierungsgrad des Personalmanagements auch in deutschen Organisationen über die Jahre hinweg zugenommen hat.

Zu häufig führen strukturelle Schwachstellen – etwa die Positionierung des obersten Personalverantwortlichen – zu Hindernissen und Zeitverzögerungen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wahrnehmung der HR Business Partner Rolle. Immerhin schmilzt der Abstand zu den internationalen Spitzenreitern seit Jahren, was gleichermaßen die Kompetenzen der Personalverantwortlichen, die Strategiebildung und die Institutionalisierung des Personalmanagements betrifft. Sicher ist: Die Aufgabe der Personalfunktion gewinnt kontinuierlich an Bedeutung zum Aufbau und zur Erhaltung strategischer Wettbewerbsvorteile. Dies erfordert eine Gleichstellung der obersten Personalverantwortlichen mit Verantwortlichen anderer Ressorts auf der Top-Führungsebene. Das Personalmanagement in Deutschland ist also auf dem richtigen Weg, jedoch noch längst nicht am Ziel.

Quelle: PERSONAL – Heft 03/2010