Herr Thoma, stimmt das: Personalmanager würden sich in einem Meeting von Geschäftsführern eher unwohl fühlen, weil sie nicht deren Sprache sprechen?

person holding black smart cover during daytime
Foto von Tyler Franta

Oftmals sind HR-Manager nicht so nah am Geschäftsmodell. Wir haben gerade eine Studie zu HR-Strategie und Organisation gemacht. Sie zeigt, dass Personalmanagern bestimmte Business-Kompetenzen fehlen, die zentral sind, wenn sie HR führen oder einen Businessbeitrag liefern wollen. Das mag zum Teil daran liegen, dass der Ausbildungsmarkt zu wenig spezielle Angebote macht, beziehungsweise entsprechende Inhalte nicht in den HR-Ausbildungen berücksichtigt. Bedenklich wird es jedoch an der Stelle, wo es an trivialen Fähigkeiten, an Rüstzeug mangelt. Also zum Beispiel an „strategischem Verständnis“: Wie baue ich eine Strategie auf? Wie entwickle ich diese? Ein anderes Thema betrifft Wesen und Einsatz von Kennzahlen, zum Beispiel Finanzkennzahlen: Welche zeigt mir was an? Wie lässt sich ein Unternehmen, aber auch die Personalarbeit damit steuern? An dieser Stelle kommen wir zum größten Manko: Personalmanager müssten in Cases – also Geschäftsszenarien – denken und arbeiten können. Cases sind das A und O im Management.

Sie selbst arbeiten ständig mit Business Cases im HR.

Viel sogar. Interessanterweise sind diese Cases oftmals deutlich besser als in den Bereichen „Marketing“ und „Informationstechnologie“. Übrigens werden gut aufgearbeitete Cases von Geschäftsleitungen auch sehr positiv aufgenommen.

Wie kommen wir denn in die Situation, dass Personalmanager zu wenig Business-Kompetenzen haben, außer dass es teilweise an Ausbildung fehlt?

Es kommen mehrere Faktoren zusammen. Dadurch zum Beispiel, dass HR in vielen Organisationen immer noch als Kostenfaktor gesehen wird. Es geht immer noch stellenweise darum, das Personal so günstig wie möglich zu administrieren. Andererseits sind Personalmanager oftmals auch nicht mutig genug, ihre Cases voranzubringen. HR steht im Wettbewerb um Investitionen mit Marketing oder IT. Wenn IT-Leute Entscheidern etwas über Hard- und Software, Server oder Lizenzen erzählen, dann werden sie als Experten gehört. Vor IT haben die meisten viel Respekt. Entscheider fühlen sich dann eher gut dabei, Entscheidungen getroffen zu haben, obwohl sie eventuell nicht tief in der Materie sind. Bei HR aber glauben viele, ganz einfach mitreden zu können. Das Fazit lautet also: HR bekommt weniger Chancen, holt sich diese aber auch nicht.

Zu welchen Themen müssten Personalmanager dringend Cases aufstellen?

Rund um die wichtigen Faktoren der Unternehmensrealität, also unter anderem Demografie, Fachkräftesicherung und Engagement. Diese Cases machen aber die meisten HR-Manager nicht. Um zu zeigen, wie wertvoll Cases sind, lasse ich oft Leute  einschätzen, wie viel die Fluktuation eines Mitarbeiters kostet. Die meisten vermuten einen Betrag um die 5.000 Franken oder ein bis zwei Monatsgehälter. Faktisch liegen die totalen Kosten bei ein bis eineinhalb Jahresgehältern. Wie sieht der Case dazu aus? Ganz einfach: Ein Mitarbeiter, der ausscheidet bringt oft weniger Leistung. Es muss rekrutiert werden, der neue Mitarbeiter braucht Zeit für den Einstieg und die Einarbeitung. Dieser Prozess kostet.

Halten wir also an dieser Stelle fest: Personalmanager müssen in Business Cases denken und arbeiten. Welche Tools brauchen sie noch, um eine Sprache mit den Geschäftsleitungen zu sprechen?

Strategische Personalplanung; ein aus meiner Sicht machtvolles Instrument, das neuerdings in vielen Unternehmen immer mehr Raum greift. Damit simulieren Personalmanager Parameter der Belegschaft, die aktuell an Bord eines Unternehmens sind, in die nächsten 3-6 Jahre. Und zwar auf Basis des allgemeinen Businessplanes und der Mittelfristplanung. Sie berücksichtigen dabei Expansions- und Innovationspläne und dergleichen mehr. Sie zeigen mit einem aktiven Risikomanagement auf, an welchen Stellen im System Lücken entstehen. Diese Stellen sind dann der Ausgangspunkt für Maßnahmen, die das Business stabilisieren. Ich mache Ihnen dazu ein einfaches Beispiel: Stellen wir uns ein Unternehmen vor, dass auf Wachstum setzt. Es geht in den asiatischen Markt und macht dort eine Filiale auf. Ich kann dort auf zwei Arten hingehen: Ich stelle lokale Mitarbeiter ein oder ich starte mit Expats. Wie ich das löse, hängt von meinen Strategien ab. Gleichwohl weiß ich aber, wie viel Umsatz ich im asiatischen Markt 2016 oder 2017 machen will. Davon kann ich ableiten, wie viele Mitarbeiter ich brauche. Welche Backoffice-Funktionen brauche ich? Diese und andere Fakten kann ich nach vorn simulieren. Ich kann in Szenarien die Risiken aufzeigen. Zum Beispiel kann ich bezogen auf unser Beispiel zeigen, wie die Wachstumschancen sind, wenn wir mit Expats arbeiten.

Und diese Kenntnisse wollen Sie bei Personalmanagern voraussetzen?

Nochmal: Wir sprechen hier von Rüstzeug um das Business besser zu unterstützen. Hierzu gehört es die richtigen Entscheidungen bei der Gewinnung, Entwicklung und Bindung von Mitarbeitern zu treffen. Mit geeigneten Maßnahmen die Leistungskultur und das Engagement der Mitarbeiter zu verbessern. Führungskräfte zu identifizieren und mit den richtigen Fähigkeiten zu versehen. Die Kosten des Personalkörpers optimal für den Businesserfolg einzusetzen und letztlich das Business zu enablen.

Wie können Personalmanager lernen, in Cases zu denken und sich entsprechende Informationen zu holen? Zu den einzelnen Teams gehen und Wissen abholen und auf dem Tisch sortieren?

Genau. Das ist das Gleiche, was ich in den jährlichen Planungen als Geschäftsführer machen muss. Wenn ich ein Unternehmen führe, frage ich in der Finanzabteilung nach Zahlen, aus jeder Abteilung hole ich mir Kennzahlen. Also Umsatzplanung, Kostenplanung, Rentabilitätsplanung, Investitionen, eine Planung größerer Projekte. Dann muss ich diese aber auch ergänzen um die wichtigste Ressource, nämlich das Personal. Und da sind wir dann bei der schon benannten strategischen Personalplanung. Ich muss bei vielen Businessplänen mit Personal anfangen zu planen, weil diese Ressource oft nur langsam weiterentwickelt werden kann.

Wie reagieren denn Geschäftsleitungen auf Cases seitens des HR?

Viele sind sehr positiv überrascht, denn ein Stück weit wird HR damit selbst zum Treiber. Außerdem bekommt die Leitung die „Geschäftsrisiken“ besser analysiert und kann damit auch frühzeitiger handeln. Da spielen dann Themen rein wie Schlüsselqualifikationen, Fluktuation, kritische Jobfamilien, Mitarbeiter-Engagement. All diese Punkte kann man diskutierbar machen indem man sie aufzeigt. Davon ausgehend kann ich dann auch selbst Maßnahmen setzen, zum Beispiel zur Arbeitgeberattraktivität oder Führung. Wenn ich all das habe, weiß ich, wie ich Prozesse aufsetzen und meine HR-Organisation baue. Und so werde ich vom Getriebenen zum Treiber.

Vielen Dank für das Gespräch.

DER AUTOR: Sie wollen Christoph Thoma persönlich erleben und zum Thema mitdiskutieren? Auf der Personal Swiss (Messe Zürich – 9./10.April 2013) ist er mit einem Vortrag vertreten.

Das Interview führte Stefanie Heine.


Zu den Praxisforen gelangen Sie hier.