Der Zukunftsforscher Joachim Graf geht in seinen Aussichten zur Zukunft der Arbeit so weit, dass er eine völlige Aufhebung der materiellen Strukturen von Ort, Zeit und Organisationsform vorhersagt: Unternehmen würden in Zukunft aus einer kleinen Kernbelegschaft und einer Schar an projektbezogenen, frei arbeitenden Spezialisten bestehen, die auf die ganze Welt verteilt sein könnten. Laut seiner Prognose werde Cloud Computing die Verteilung von mehr Aufgaben und das Arbeiten Just-in-time erleichtern: „Mit Crowdsourcing, SaaS und Collaborative-Workspace-Lösungen und Crowdsource-Service werden viele Branchen in die Lage versetzt, dass sich tausende von Arbeitsplätzen an verschiedenen Orten befinden und trotzdem Zusammenarbeit funktioniert“, so der Zukunftsforscher.
“Demgegenüber stehen die Vorbehalte der Unternehmen
im Bezug auf Datenschutz, IT-Sicherheit und arbeitsrechtliche Vorschriften.”
Unternehmen und ihre IT-Abteilungen sehen sich in Anbetracht der sich rapide entwickelnden Social Networks, Anwendungen für Smartphones für alle Lebenslagen oder kostenlosen Speichermöglichkeiten für Daten in der Cloud, die viele Mitarbeiter privat bereits täglich nutzen, einer gewissen Erwartungshaltung gegenüber. Gerade die nachwachsende Mitarbeitergeneration wünsche sich, in einem „Social Business“ zu arbeiten, mit mobilen Geräten auf Firmenunterlagen zuzugreifen, oder zum Beispiel mobil Urlaubsanträge zu stellen oder Weiterbildungen zu buchen, so liest man immer wieder in Artikeln über die „Generation Y“. Demgegenüber stehen die Vorbehalte der Unternehmen im Bezug auf Datenschutz, IT-Sicherheit und arbeitsrechtliche Vorschriften. Wie verschiedene Anbieter von HR Software-Lösungen die Entwicklung der Nachfrage nach Cloud- oder SaaS-Lösungen für den HR-Bereich in Österreich erleben, haben sie in unserer kurzen Umfrage geschildert. Kernerkenntnisse dabei: HR Software aus der Cloud hat noch großes Wachstumspotenzial, wenn die Anbieter die Datenschutzfrage für die Anwender zufriedenstellend beantworten. Zudem gewinnen Lösungen für die interne Zusammenarbeit und den Wissensaustausch an Bedeutung.
Grenzenüberschreitende Zusammenarbeit
und Social Business
Gleiches gilt im Prinzip auch für webbasierte Tools zur besseren Zusammenarbeit und die interne Kommunikation. „eCollaboration zählt zu einem der am schnellsten wachsenden Bereiche in der IT-Industrie“, so Robert Zöchling. Die Plattform SAP JAM etwa verbinde Mitarbeiter und mache die Zusammenarbeit und Weitergabe von Inhalten einfacher, so Zöchling weiter. Sie unterstütze eine Vielzahl von HR-Prozessen, von der Optimierung des Einarbeitungsprozesses neuer Mitarbeiter über erweiterte Trainingsmöglichkeiten bis hin zu Lern- und Arbeitsgruppen für Mitarbeiter. Jedoch kämen innovative Werkzeuge wie eCollaboration, interne soziale Netzwerke, Videokonferenzen oder mobile Geräte zur Kommunikation und zum Wissensaustausch zwischen Kollegen bislang kaum zum Einsatz – obwohl sich viele österreichische Unternehmen Innovation auf ihre Fahnen geschrieben hätten.
Auch wenn sich kein Unternehmen den Trends rund um die sozialen Medien und mobile Geräte entziehen könne, seien interne Prozesse dieser Entwicklung nicht gefolgt oder steckten noch in der Entwicklung, so die Einschätzung von Jürgen Weiss, Oracle Austria. Plattformen wie Xing oder LinkedIn würden mittlerweile zur Rekrutierung neuer Mitarbeiter verwendet; die Einführung interner Netzwerke böte darüber hinaus ideale Möglichkeiten für die Entwicklung und Integration von Mitarbeitern und könnte zukünftig auch für die Förderung von Talenten eine größere Rolle spielen. Oracle biete eine Lösung an, die eine vollwertige HCM Lösung mit moderner Kommunikation und „Networking at work“ kombiniere. Auf diese Weise könnten Unternehmen dem Fachkräftemangel gegensteuern, Talente halten und weiterentwickeln und die interne Zusammenarbeit und Kommunikation verbessern, so Weiss.
„Ich kann nur jedem Unternehmen raten,
sich vom klassischen Filesystem zu verabschieden.“
Fabasoft nutze mit seinem Geschäftspartner Folio Cloud sogenannte Teamrooms für die unternehmens- und länderübergreifende Zusammenarbeit, erklärt Karl Mayrhofer. „Ein Teamroom ist ein geschützter Bereich in der Public Cloud, zu dem nur explizit berechtigte, zur Zusammenarbeit eingeladene und sicher authentifizierte Geschäftskontakte Zugang haben.“ Damit unterstütze die Lösung die informelle Zusammenarbeit, aber auch strukturierte Geschäftsprozesse. Solche Tools, die es ermöglichen, Dokumente zu teilen, Teams zu gründen und Informationen auf einfachem Wege auszutauschen, würden heute besonders von den internationalen Unternehmen in Österreich mit Mitarbeitern an unterschiedlichen Standorten vermehrt genutzt, beobachtet Benigna Prochaska. Dort könnten solche Lösungen die Arbeitswege verkürzen und grenzüberschreitend die Zusammenarbeit erleichtern. Für rein österreichische Unternehmen gelte es, den Nutzen von eCollabration und den Mehrwert der persönlichen Kommunikation abzuwägen, so Prochaska.
„Ich kann nur jedem Unternehmen raten, sich vom klassischen Filesystem zu verabschieden und auf eCollaboration-Systeme umzusteigen“, meint dagegen Michael Friedwagner. Damit würden etwa alle berechtigten User immer die aktuellste Version sehen, sie würden bei Änderungen automatisch benachrichtigt und der Versand von Dokumenten als Link ließe zudem auch die E-Mail-Postfächer schrumpfen.
Vorteile und Anwendungszenarien für HR
Als wesentliche Vorteile von Cloud-Lösungen für Unternehmen nennen die verschiedenen Anbieter geringere Infrastruktur-, Management-, und Implementierungskosten im Vergleich zu stationären Lösungen und die leichtere Integration in andere Systeme durch standardisierte Schnittstellen. Mit der Cloud-App „Personalakte“ stelle Fabasoft eine konkrete Businessanwendung für das Management von Personalakten in der Cloud zur Verfügung. Diese Anwendung umfasse die Digitalisierung und revisionssichere Archivierung kompletter Papierarchive, die IT-gestützte Standardisierung von Abläufen, die Integration mit HR-Systemen wie SAP HCM und den sicheren Dokumentenzugriff über mobile Geräte, stellt Karl Mayrhofer die Lösung von Fabasoft vor.
Speziell für kleine und mittlere Unternehmen gedacht ist das Angebot meinpersonal.at der Sage GmbH. Entscheidungsgründe für die Nutzung seien neben der Kosteneinsparung die einfache Bedienung, die nur einen geringen Schulungsaufwand benötige, und das renommierte österreichische Rechenzentrum. P&I wiederum bietet seine Lösungen in einem App-Store-Konzept an: Für alle Prozesse und Anwendungsmöglichkeiten habe dieser Store einzelne Cloud-Angebote wie zum Beispiel Personalleitstand-Plattformen oder vernetztes Bewerbermanagement über die europaweiten Lösungspartner.
In Zeiten des „War for Talents“ wachse der Druck auf die Personalabteilungen, geeignete Lösungen rasch anzubieten und umzusetzen, meint Jürgen Weiss von Oracle. SaaS-Lösungen eigneten sich besonders dafür, mit einem neuen System in wenigen Tagen oder Wochen produktiv zu sein, so Weiss weiter. „Ein einfacher Browserzugang genügt, um auf die zur Verfügung gestellten Services der verschiedensten HR-Prozesse zugreifen zu können“, erklärt auch Robert Zöchling von SAP.
Ausblick: Vernetzung nimmt zu
„In der Personalmanagement-Software der Zukunft wird vermehrt die Person im Fokus stehen und nicht der Prozess“, prophezeit Robert Zöchling von der SAP. Die informelle Zusammenarbeit werde ein immer wichtigerer Baustein für effizientes Arbeiten und es werde zukünftig immer mehr mobile HR-Anwendungen für Mitarbeiter und Manager geben. Zöchling sieht eine weiter steigende Nachfrage nach Cloud-Services voraus. So gehe zum Beispiel der Branchenverband Bitkom von einem jährlichen Wachstum von 30 bis 50 Prozent in den kommenden drei Jahren aus.
„Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erwarten zunehmend den Komfort, den sie aus ihrem privaten Umfeld gewohnt sind, auch am Arbeitsplatz“, so Karl Mayrhofer, Fabasoft. Wer am Wochenende zu Hause mit mobilen Geräten einfach zu bedienende Apps mit leistungsstarken Cloud-Diensten nutze, fühle sich heute in vielen Unternehmen am Arbeitsplatz um Jahrzehnte in die Vergangenheit versetzt. Auch dieser Druck werde dazu führen, dass der Anteil der Cloud-Dienste bei den Businessanwendungen in den Unternehmen zunehme.
Mit Hilfe moderner IT-Systeme rücke der HR-Bereich von der administrativen Stabsstelle zurück ins Zentrum der Organisation und des Wissensmanagements im Unternehmen, erklärt Jürgen Weiss von Oracle. Durch den Fachkräftemangel würden neue Prozesse und Tools beim „Human Capital and Talent Management“ relevanter. Mit dem Einzug junger Mitarbeiter ins Unternehmen gewinne zudem die interne Vernetzung und das Wissensmanagement mehr und mehr an Bedeutung: „Schon heute werden online weit über Landesgrenzen hinausgehend Teams gebildet; rasche Vernetzung und konstante Produktivität sind das Ziel und die Maxime“, so Weiss.
Welche Trends in der Arbeitswelt und welche technologischen Entwicklungen werden Softwareanbieter und Anwender in den nächsten Jahren beschäftigen? In der nächsten Ausgabe von hr software aktuell werden wir an dieser Frage dranbleiben.
Quelle: Gekürzter Artikel aus hr-software aktuell 2013/2014
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