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Foto von Mimi Thian
Veranstaltungstipp

Keynote-Vortrag von Frank Breckwoldt:

„Hochleistung und Menschlichkeit – Herausforderung an Führungskräfte"

Messe Zukunft Personal,

Koelnmesse

Donnerstag, 22. September 2011,

9.30 – 10.30 Uhr,

im Anschluss Public Interview

Weitere Informationen:

www.zukunft-personal.de

Herr Breckwoldt, Sie sind Experte für Führungsfragen – zweifellos ein Dauerbrenner im Personalmanagement. In ihrem Keynote-Vortrag auf der Zukunft Personal sprechen Sie über die Herausforderung, Hochleistung und Menschlichkeit in Einklang zu bringen. Sind Hochleistung und Menschlichkeit Gegenpole?

Zu Beginn meiner Seminare höre ich oft von Teilnehmern „Wir sind gespannt, wie Sie diese Gegensätze miteinander vereinen“. Tatsächlich handelt es sich aber nicht um Gegensätze, sondern um zwei untrennbar miteinander verbundene Bestandteile erstklassiger Führungsarbeit. Ich veranschauliche dies gern anhand einer Waage: Beide Seiten müssen mit hohem Gewicht möglichst gleichgewichtig gelebt werden.

Heute ist oft von intrinsischer Motivation die Rede. Es heißt, ohne eigenen inneren Antrieb seien Menschen nicht leistungsfähig. Sie glauben, äußerer Druck ist trotzdem nötig?

Alle Motivation kommt im Prinzip von innen und nicht von außen, da helfen auch keine Motivationsseminare. Aber selbst Menschen, die durchaus leistungsmotiviert sind, brauchen aus meiner Erfahrung einen zusätzlichen Ansporn. Ohne Hochleistungsanspruch, ohne eine Art Druck, gibt es keine dauerhafte Spitzenleistung – auch erstklassige Mannschaften spielen nicht ganz von allein auf Spitzenniveau.

Ich behaupte, selbst in erstklassigen Unternehmen sind höchstens 20 Prozent der Mitarbeiter so ehrgeizig, dass sie von sich aus dauerhaft auf hohem Niveau Leistung erbringen. Achtzig Prozent der Mitarbeiter sind durchaus in der Lage, Spitzenspiele zu spielen, brauchen dazu aber einen Ansporn.

Dieselbe Führungskraft, die Druck macht, die einen Ansporn setzt, die herausfordert, muss jedoch auf der anderen Seite für einen anständigen, respektvollen Umgang sorgen, so dass Mitarbeiter sagen „Für dich strenge ich mich gerne an.“ Denn letztendlich arbeiten Mitarbeiter nicht nur für sich und für die Firma, sondern für ihren direkten Chef.

Das klingt ein bisschen nach Zuckerbrot und Peitsche?

Nein. Dagegen wende ich mich entschieden. Zuckerbrot und Peitsche, das ist beides falsch und wird auch kombiniert nicht richtig. Hochleistungsanspruch heißt, Führungskräfte müssen klare Leistungsvorstellungen haben, umsetzen und durchsetzen, das ist für mich der harte Teil der Führungsarbeit. Genauso gilt es – und genau das ist die große Herausforderung – auch die sogenannten weichen Faktoren einzubringen, nämlich einen fairen, anständigen, respektvollen Umgang mit den Mitarbeitern zu pflegen, ein Umfeld zu schaffen, in dem Mitarbeiter sagen „Hier lohnt es sich mitzuarbeiten, hier habe ich Spaß“ und im Idealfall „Ich bin stolz, in dieser Mannschaft zu spielen“.

Können Sie den Begriff Menschlichkeit näher definieren? Ist darin beispielsweise auch Güte enthalten, also dass der Chef mal ein Auge zudrückt?

Dass Sie gütig sind, dass Sie verzeihen können, das gehört für mich ohnehin zu einem anständigen Umgang mit Mitarbeitern. Menschlichkeit beinhaltet für mich, zum Beispiel, Mitarbeiterinteressen bei Entscheidungen zu berücksichtigen. Das kann ich Unternehmen und Führungskräften nur empfehlen, auch in kritischen Situationen. Denn auf diese Weise tragen Mitarbeiter notwendige Veränderungen leichter, nachhaltiger und engagierter mit.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist Respekt vor der Würde des Mitarbeiters. Ehrlichkeit, Fairness, Klarheit und Berechenbarkeit sind für mich eine Grundessenz erstklassiger Führungsarbeit. Hinzu kommt das Thema Zuhören. Viele Führungskräfte haben damit große Probleme, weil sie ständig auf Sendung sind. Sie müssen aber auch mal in ihre Mannschaft hinein hören, um Sorgen, Nöte, Befindlichkeiten, Stimmungen mitzubekommen.

Ganz grundsätzlich benötigt eine Führungskraft ein positives Menschenbild. Wer denkt, alle Menschen sind Leistungsverweigerer, Krankfeierer, Drückeberger oder Diebe, die ihm bei nächster Gelegenheit ein Messer in den Rücken stoßen, geht entsprechend mit anderen um. Mit dieser Einstellung lässt sich nicht gut führen. Ich behaupte nicht, alle Menschen sind gut. Aber aus meiner Erfahrung verhalten sich die allermeisten Menschen anständig, wenn man ihnen anständig begegnet.

Steigen viele ungeeignete Menschen zu Führungskräften auf?

Das kann man wohl sagen. Es passiert relativ häufig, dass Beförderungen auf Grund von hoher Sach- und Fachqualifikation ausgesprochen werden, also der beste Verkäufer wird Verkaufsleiter oder der beste Sachbearbeiter Abteilungsleiter. In dieser neuen Funktion ist Sach- und Fachwissen sicherlich von Vorteil, aber es braucht unbedingt noch eine weitere Kompetenz, die ich als Human- oder Sozialkompetenz bezeichne.

Auch Menschen mit Sozialkompetenz und hohen Moralvorstellungen werfen diese bisweilen über Bord, wenn sie zu Chefs werden. Ist Macht gefährlich?

Ja, Macht ist verführerisch. Sie ist eine schreckliche Versuchung und Missbrauch passiert leider immer wieder. Genau aus diesem Grund sage ich auch immer „erstklassige Führungsarbeit ist einfach, aber nicht leicht“.

Der Umgang mit Macht ist ein ganz gravierendes Kapitel und dabei ein sehr schmaler Grat. Bei uns im Unternehmen gab es junge, unerfahrene Führungskräfte, die meinten, Führung braucht es gar nicht, das machen wir alles locker im Team, wir sind ja alle miteinander befreundet. Sie sind genauso grandios gescheitert wie jene Führungskräfte, die in einer autoritären Weise um sich geprügelt haben, dass es nur so krachte.

Aus meiner Sicht müssen Führungskräfte die Macht, die sie haben, auch einsetzen, sonst gibt es keine Führung. Beim Einsetzen ihrer Macht müssen sie aber extrem aufpassen, um Missbrauch zu verhindern. Auch das ist Führungskunst.

Es gibt den Spruch „harte Schale, weicher Kern“. Ist das charakteristisch für eine gute Führungskraft?

Nein, dieses Bild verwende ich nicht. Ich sehe es so: Jede Führungskraft kommt von ihrer Grundstruktur her entweder aus der Hochleistungsecke oder aus der Menschlichkeitsecke. Diese Ausgangspositionen sind gleich gut geeignet, um erstklassige Führungskräfte abzugeben.

Es muss allerdings noch etwas hinzukommen: In meinen Seminaren habe ich zwei Gruppen ausgemacht, bei denen das Training nachhaltig wirkt. Das sind aus der Hochleistungsecke kommende Führungskräfte, die anständig sind, also auf anständige Weise hohe Leistung einfordern. Und das sind aus der Menschlichkeitsecke kommende Führungskräfte, die ehrgeizig sind. Für sehr menschlich basierte Führungskräfte braucht es eine gute Portion Ehrgeiz, damit sie neben ihrem hervorragenden Umgang mit den Mitarbeitern nicht vergessen, dass auch noch Leistung erbracht werden muss.

Unter gewissen Voraussetzungen ist erstklassige Führung also trainierbar?

Ja, Führungsfähigkeit ist trainierbar. Der pragmatische Ansatz von „Hochleistung und Menschlichkeit“ hat zu hoher Nachhaltigkeit geführt und Führungsverhalten nachweisbar verbessert. Nur zwei Gruppen von Führungskräften sind für mich untrainierbar: Hochleister mit einem negativen Menschenbild, die ich als Menschenfresser bezeichne. Die sind unbelehrbar. Aber genauso wenig erreiche ich Vertreter einer Meerschweinchenkultur. So kennzeichne ich Menschen, die gerne kuscheln, immer lieb und nett sind, aber jedem Konflikt aus dem Weg gehen.

Lernen Sie auch persönlich dazu, wenn Sie andere trainieren? Kommt da etwas zurück?

Ich sage Ihnen: Das ist für mich einfach hervorragend. Ich trainiere jedes Mal mit. In jeder Trainingsgruppe gibt es Aspekte, die mich dazu veranlassen, mir selbst den Spiegel vorzuhalten. Das hat mich enorm geprägt und in meiner effektiven Führungsarbeit erheblich gefördert. Und das geht bis heute so.

Was glauben Sie, wie viel Anteil die Führung am Unternehmenserfolg hat?

Wenn die grundsätzliche Geschäftsidee stimmt, dann ist die Frage der Führungsqualität im Unternehmen der entscheidende Faktor für langfristigen Unternehmenserfolg.

Es gibt derzeit einen Trend zu flachen Hierarchien. Im Web 2.0. kommunizieren alle auf gleicher Augenhöhe. Ist Ihr Konzept in Zukunft noch tragfähig?

Ich würde sagen tragfähiger denn je. Flachere Hierarchien heißt ja in aller Regel, dass sich die Führungsspanne erweitert. Wenn quantitativ mehr Köpfe zu führen sind, steigen die Anforderungen an die Führung. Natürlich ändert sich vieles im Wandel der Zeit und angesichts der modernen Technologien. Aber ich sage voraus: Egal was passiert – ohne Führung funktioniert gar nichts.

Denken Sie dabei auch an die nachrückenden Generationen, die vielleicht eine individuellere Ansprache benötigen?

Individuelle Führung ist für mich ein ganz wesentliches Kriterium von Führungsqualität. Dabei ist Individualität gleich in doppelter Hinsicht gefordert, das macht die Sache so schwierig und anspruchsvoll: Einerseits muss die Führungskraft in ihrer Führungsarbeit authentisch sein, also ihre eigenen Persönlichkeitsstruktur gerecht werden. Andererseits gilt es, jeden Mitarbeiter auf die Art zu führen, die ihm persönlich entspricht.

Es gibt ja diese spannende Frage, ob sich der Mitarbeiter auf die Führungskraft oder die Führungskraft auf den Mitarbeiter einzustellen hat. Ich bin ganz entschieden der Auffassung, dass sich eine erstklassige Führungskraft immer auf die Mitarbeiter einstellt. Ich empfehle, von jedem Mitarbeiter eine Art Psychogramm zu erstellen. Denn um zehn Leute erfolgreich zu führen, werden zehn individuelle Ansätze gebraucht.

Könnte man es auch als fordern und fördern bezeichnen?

Ja, fordern und fördern ist eine gute Entsprechung. Sehr gut gefällt mir auch „fördern durch fordern“. Unternehmen, die sich so auf den Weg machen, gehören in aller Regel zu den besten ihrer Branche. Einige machen das ja so, ohne jemals von diesem Konzept gehört zu haben.

Häufig kontrovers diskutiert wird übrigens die Frage der Vorbildfunktion von Führungskräften. So verstanden, dass ich auch und gerade als Chef die Spielregeln des Unternehmens beherzige, ist sie für mich unverzichtbar für eine Führungskraft. Ein Beispiel: In unseren Salons gibt es die Regel, dass alle Mitarbeiter eine Viertelstunde vor Dienstbeginn da sein müssen. Das gilt selbstverständlich auch für die Salonleitung! Wenn diese meint, das sei in ihrer gehobenen Position nicht nötig, ist sie bei uns die längste Zeit Chef gewesen.

Wie suchen Sie die Leute aus, die in diese Position kommen?

Wir bemühen uns sehr stark darum, diese Positionen intern zu besetzen. An dieser Stelle sollten wir vielleicht kurz über die Entwicklung am Arbeitsmarkt sprechen, auf die ich diesmal auch in meinen Vortrag eingehe. Die meisten Unternehmen sind auf die dramatischen Veränderungen am Arbeitsmarkt noch gar nicht eingestellt. Mit der Gründung des Ryf Junior College haben wir schon vor einigen Jahren auf die Verengung und Verknappung an Arbeitskräften reagiert. In dem ersten von insgesamt drei Ausbildungsjahren bieten wir den jungen Leuten gemeinsam mit unserem Lieferanten Wella eine Echtausbildung in zwölf Modulen. Danach sind sie bereits in der Lage, voll mitzuarbeiten, können sich aber noch zwei Jahre lang als Azubis weiterentwickeln. In dieser Phase entdecken wir schon die „Juwelen“ unter den jungen Leuten, die wir dann in Kadern auf eine Führungskarriere vorbereiten. Im dritten Ausbildungsjahr absolviere ich mit diesen Azubis und weiteren Jungtalenten das Führungstraining „Hochleistung und Menschlichkeit“. Auf diese Weise werden sie bestens vorbereitet und die Hitrate bei der Besetzung von Führungspositionen von innen liegt bei uns zwischen 90 und 100 Prozent.

Zur Person

Frank Breckwoldt ist aktiver Unternehmer und Trainer – eine Kombination mit Seltenheitswert. Nach seinem Betriebswirtschaftsstudium leitete der Unternehmersohn mit seinen Brüdern zunächst den Haarpflegespezialisten Dralle, der 1991 von L’Oreal übernommen wurde.

Bis heute führt Breckwoldt das Friseurfilialunternehmen Ryf Coiffeur, das er Mitte der 80er Jahre mit seinen Brüdern gründete. Die rund 130 Salons des Unternehmens in Deutschland und der Schweiz beschäftigen ca. 1.200 Mitarbeiter.

Neben seiner Tätigkeit als aktiver Unternehmer trainiert Breckwoldt seit 1998 Führungskräfte aus Großkonzernen und mittelständischen Betrieben, darunter Media Markt, Otto-Versand, Rossmann Drogeriemärkte und Bacardi Deutschland.

Gibt es schon Engpässe im Bewerbungsaufkommen?

Selbst wir erleben, dass die Nachfrage nach unseren an sich attraktiven Azubi-Plätzen sinkt. Für den Jahrgang 2011, der jetzt startet, haben wir schon Mühe, alle Plätze zu besetzen.

Der Azubi-Markt ist ja der erste Markt, der gekippt ist. Im letzten Jahr gab es erstmals mehr freie Ausbildungsplätze als Bewerber. Im Fachkräftebereich ist es auch schon so weit. Dramatischerweise trifft diese Entwicklung auf eine Führungskräftegeneration, die seit 25 Jahren einen Arbeitgebermarkt erlebt hat, also über genügend Leute am Markt verfügen konnte. Jetzt kippt das um in einen Arbeitnehmermarkt.

Das heißt, du musst schon einen guten Ruf am Arbeitsmarkt haben, damit sich überhaupt noch vernünftige Leute bei dir bewerben. Und du musst dir verdammt viel einfallen lassen, damit deine guten Leute bleiben – die haben nämlich heute mehr Alternativen als früher. Das setzt übrigens erstklassige Führungskultur voraus, da schließt sich der Kreis. Das Thema Führungsqualität in Unternehmen bekommt in diesem Zusammenhang noch einmal völlig neue Aktualität. An dieser Stelle, sage ich Ihnen, entscheidet sich die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen.

Laut Statistik wechseln tatsächlich viele Menschen ihre Arbeitsstelle, weil sie nicht mit ihrem Chef auskommen.

Das ist der Hauptgrund. Es heißt „Mitarbeiter verlassen nicht das Unternehmen, sie verlassen ihren direkten Vorgesetzten“. Und deshalb erhält in dieser rasanten Entwicklung, in der wir uns gerade befinden, Führungsqualität eine völlig neue Dimension.

Interview: Petra Jauch