Wer kennt das nicht: Die Ankündigung einer Trennung kann den Zurückbleibenden in eine Art Schockzustand versetzen. Die emotionalen Reaktionen darauf sind schwer berechenbar. Häufig versuchen Führungskräfte deshalb, die direkte Konfrontation zu vermeiden.

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Foto von Dylan Gillis

Einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Kienbaum zufolge werden nur dreiviertel der Firmen, die einen Personalabbau planen, die Entlassungen in persönlichen Gesprächen angekündigt. Alternativ setzen die Unternehmen auf Betriebsversammlungen, das Intranet, Mails an die Belegschaft oder gar Pressemitteilungen. Ein persönliches Gespräch ersetzen diese Instrumente mit Sicherheit nicht.

Doch was tun, wenn der Mitarbeiter im Urlaub ist? „Bitte versenden Sie keine Trennungsnachricht per SMS“, sagt die Diplom-Wirtschaftspsychologin Petra Schneider, die sich auf Trennungsmanagement und Outplacement spezialisiert hat. Wenn kein anderer Ausweg bleibe, müssten Personalverantwortliche die Kündigung eben nur schriftlich per Einschreiben versenden. Doch gut findet Schneider diese Lösung nicht und das nicht nur der rechtlichen Folgen wegen. „Wer dem Mitarbeiter trotz der Kündigung Fairness und Wertschätzung entgegen bringen möchte, sollte auf ein persönliches Gespräch bestehen“, erklärt sie. „Wenn die Personalverantwortlichen die Trennung vorausschauend planen, können sie den Urlaub des Mitarbeiters auch berücksichtigen.“

„Das Trennungsgespräch sollte ein Vier-Augen-Gespräch sein“, ist auch Karl-Heinz List überzeugt. Der Berater, der jahrelang in verschiedenen Unternehmen die Personalabteilung leitete, weiß wovon er spricht. Aus Angst würden viele Führungskräfte versuchen, das Trennungsgespräch an die Personalabteilung abzuwälzen, nach dem Motto: „Das kann doch der Personalchef machen. Er ist viel besser trainiert.“ In den Augen von Karl-Heinz List ist das der falsche Ansatz. „Der Personaler kennt doch die Mitarbeiter gar nicht wirklich“, betont er. Consultant Petra Schneider sieht das genauso. „Der direkte Vorgesetzte hat auch bisher die Jahres-, Ziel und Kritikgespräche geführt und weiß deshalb über die sozialen Hintergründe Bescheid“, sagt sie. Er könne aus dieser Erfahrung heraus die Reaktion des Mitarbeiters viel besser einschätzen.

Das A und O: die Vorbereitung

Viele Führungskräfte fühlen sich angesichts der Emotionen, die in einem Trennungsgespräch auftreten können, überfordert. Karl-Heinz List berichtet von einem Seminar für Top-Führungskräfte, bei dem eine Schauspielerin die Rolle des Mitarbeiters übernahm. In einer Situation spielte sie die Entrüstete und begann die Führungskraft zu beschimpfen: „Jetzt passen Sie mal auf. Sie verdienen hier total viel Geld und mich wollen Sie herausschmeißen“, wütete sie. „Die Führungskräfte konnten damit überhaupt nicht umgehen“, erzählt List. Er empfiehlt, sich intensiv vorzubereiten, um die Angst vor Emotionen der Mitarbeiter zu verlieren.

„Das sollte eine Art Visualisierung sein und wie ein Film ablaufen, so dass man auf alle möglichen Reaktionen gefasst ist“, konstatiert List. „Prüfen Sie, wie Sie selbst in einer solchen Situation reagieren würden“, schlägt Schneider vor. Außerdem sollten die Kündigenden ihren eigenen Reaktionstyp in dieser Rolle reflektieren, um sich auf mögliche Fehler einzustellen. „Bin ich Verdränger, Konfrontierer oder Konsens-Sucher?“, könnten sich die Führungskräfte fragen. Auch Zeit und Ort gelte es im Vorfeld gut abzuwägen. „Das Trennungsgespräch sollte im Büro des Vorgesetzten stattfinden, sofern es nicht für andere einsehbar ist“, meint Schneider. Am besten sei es, das Gespräch spontan, ohne große Vorankündigung zu führen und zwar nicht kurz vor dem Wochenende, sondern möglichst am Wochenanfang und am Vormittag. Denn der Vorgesetzte sollte erreichbar sein, wenn der Mitarbeiter den ersten Schock überwunden hat. „Es ist ganz normal, dass der Gekündigte – wie nach dem Ende einer Beziehung – Fragen hat und noch einmal darüber sprechen möchte, um alles zu verstehen“, so Schneider.

Ein Trennungsgespräch muss nicht lang sein - eine Dauer von fünf bis sieben Minuten genügt in den meisten Fällen. Denn Inhalt des Gesprächs sollten nicht die Einzelheiten der Entlassung sein. Eine mögliche Abfindung, die Kommunikation nach außen sowie der genaue Austrittsablauf sind Themen von Folgegesprächen. Im eigentlichen Kündigungsgespräch steht die Trennungsbotschaft im Vordergrund. „Führungskräfte sollten sich als Vorbereitung diese Botschaft aufschreiben und üben“, fordert List.

Wichtig sei es, in den ersten fünf Sätzen die Absicht der Trennung klar und deutlich zu formulieren, ohne um den heißen Brei herumzureden. „Small Talk ist im Trennungsgespräch nicht gefragt, sondern ein direkter Einstieg mit einer stichhaltigen Begründung“, erklärt List. Etwa so: „Guten Tag, Frau Müller! Wir treffen uns hier, um ein wichtiges Thema zu besprechen. Sie wissen selbst, der Markt in China ist weggebrochen und das betrifft uns hier in der Exportabteilung ganz besonders. Wir haben lange überlegt, wie wir das kompensieren können. Leider gibt es zum Personalabbau keine Alternative. Wir werden einigen Mitarbeitern kündigen müssen und Sie gehören auch dazu, da Sie noch nicht so lange im Unternehmen sind. Hier haben Sie Ihre schriftliche Kündigung.“ Hinzufügen sollte die Führungskraft zudem, wer über die Kündigung informiert ist und ob der Betriebsrat zugestimmt hat, bevor er die Reaktion des Mitarbeiters abwartet. „Um ganz deutlich zu machen, dass man selbst hinter der Entscheidung steht, hilft es, die Ich-Form für die Trennungsbotschaft zu verwenden“, ist Schneiders Tipp.

Das Wechselspiel der Emotionen

Reagiert der Gesprächspartner mit Trauer oder fängt gar an zu weinen, sollte sich der Vorgesetzte nicht aus Mitleid zu falschen Versprechungen hinreißen lassen. „Wenn die Geschäfte wieder gut gehen, sind Sie die erste, die eingestellt wird“, ist ein Satz, der in diesem Zusammenhang häufig fällt. Das sei der größte Fehler bei Trennungsgesprächen, findet List. „Eine mündliche Wiedereinstellungsgarantie ist unverantwortlich“, sagt er, ebenso wie die Aussage: „Wenn es nach mir ginge, hätten wir Sie nicht entlassen.“ Das sei nicht loyal und manche dem Mitarbeiter falsche Hoffnungen. „Der Gekündigte greift in so einem Fall nach jedem Strohhalm und kümmert sich eventuell nicht darum, einen neuen Arbeitsplatz zu suchen“, befürchtet List. Ein möglicher Ausweg: Der Gesprächsführer kann, wenn er das vorher abgeklärt hat, eine Outplacementberatung anbieten oder eine Abfindung in Aussicht stellen. Es sei auch nicht falsch, einfühlsam zu reagieren, solange es nicht geheuchelt sei. Zum Beispiel: „Ich kann Sie schon verstehen, das ist eine blöde Situation. Sie haben ja immerhin noch Kinder zu versorgen.“

Eine weitere mögliche Reaktion des Gekündigten: Der Mitarbeiter macht dem Gesprächsführer Vorwürfe und unterstellt persönliche Motive für die Kündigung. "Sie konnten mich noch nie leiden" oder „Das Management hat ja total versagt“ sind mögliche Anschuldigungen. „Diese Wut müssen Führungskräfte dem Mitarbeiter zugestehen“, glaubt Schneider. „Sie sollten ihm Zeit lassen, bis er sich wieder beruhigt hat.“ Wichtig sei es, nicht selbst die Beherrschung zu verlieren oder sich provozieren zu lassen. Wer sich aufs Argumentieren einlässt, hat häufig schon verloren. „Versuchen Sie, trotz allem positiv über den Mitarbeiter zu denken“, rät Schneider, „und machen Sie es dem Mitarbeiter trotz des Wutausbruch noch möglich, sein Gesicht zu wahren“. Wenn jemand sehr aufgeregt oder sehr wütend reagiere, mache es keinen Sinn das Gespräch lange fortzusetzen. Besser sei es, Verständnis für die Reaktion auszudrücken und vorzuschlagen, das Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzunehmen.

Manche Mitarbeiter bleiben hingegen ganz cool, nehmen die Kündigung und gehen. „Da können Sie nichts machen, außer es so zu akzeptieren“, meint List. „Jeder Mitarbeiter hat ein Anrecht auf sein Gefühl und darf es ausdrücken, wie er möchte.“ Wenn jemand nichts sage, sollte die Führungskraft auch dieses Schweigen aushalten können. „Jede Trennung ist ein kleiner Tod“, so der HR-Experte.