Gemäß § 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf jährlichen Erholungsurlaub von mindestens 24 Werktagen (§ 3 BUrlG). Der gesetzliche Mindesturlaub entspricht im Wesentlichen den europäischen Richtlinien. Gemäß BUrlG müssen Ihre Mitarbeiter den Urlaub ferner im Regelfall im laufenden Jahr nehmen. Nur ausnahmsweise wird er auf das folgende Jahr übertragen. Dann müssten dringende betriebliche Gründe oder Gründe vorliegen, die in der Person des Arbeitnehmers zu suchen sind. Längst ist es in vielen Betrieben üblich, dass Mitarbeiter nicht den gesamten Urlaub eines Jahres im laufenden Jahr nehmen, sondern erst im nächsten Jahr. Dies kann unterschiedliche Gründe haben. Kaum jemand interessiert sich dafür, ob tatsächlich dringende Gründe vorliegen, die die Übertragung rechtfertigen.

two smiling women starring on silver MacBook inside well-lit room
Foto von Mimi Thian

Deadline

In der Regel kann die Übertragung nur bis zum 31.3. eines jeden Jahres erfolgen, danach sind jegliche Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr erloschen. Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2008 sind also am 31.3.2009 verfallen. Der 31.3. ist für Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr die „Deadline“. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer unabhängig von dem Grund den Urlaub weder nehmen noch eine Entschädigung für nicht genommenen Urlaub verlangen kann. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dies mehrfach bestätigt. Da der Urlaubsabgeltungsanspruch und die Erfüllbarkeit des Anspruchs untrennbar voneinander abhingen, hätten Beschäftigte keinen Anspruch auf finanziellen Ausgleich, wenn sie zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und darüber hinaus bis zum Zeitpunkt des Anspruchsverfalls nach Ende des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt waren. Ob es hierbei bleibt, ist auf Grund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 20.1.2009 allerdings zweifelhaft (Az.: C 350/06 und C 520/06).

Rechtsprechung

Die zu entscheidenden Fälle betrafen Urlaubsansprüche bzw. -abgeltungsansprüche von Arbeitnehmern, die auf Grund längerer Erkrankung über den Übertragungszeitraum hinaus erloschen waren. Nationale Vorschriften oder Gepflogenheiten, wonach der gesamte Urlaubsanspruch eines Beschäftigten erlischt, wenn er während des ganzen Bezugszeitraums bzw. während eines Teils davon bis zum Ablauf des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig ist, verstießen nach Auffassung des EuGH gegen EU-Recht. Dieses garantiere Arbeitnehmern den Anspruch auf Mindesturlaub in jedem Jahr. Der Beschäftigte habe im Fall seiner Arbeitsunfähigkeit keine Möglichkeit, seinen garantierten bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Erlischt dieser Anspruch auf Grund nationaler Rechtsvorschriften, verstieße dies gegen das Gemeinschaftsrecht, das einen Mindesturlaub garantiert.

Arbeitsunfähigkeit

Das gelte im Übrigen auch, wenn der Arbeitnehmer nur während eines Teils des Urlaubsjahres erkrankt war. Angenommen, der Mitarbeiter erkrankt, ohne Urlaub genommen zu haben, erst im Oktober und ist fortlaufend arbeitsunfähig bis zum 1.4. des Folgejahres. Auch in diesem Fall hat der EuGH angenommen, dass der Urlaubsanspruch nicht erloschen ist, da der Arbeitnehmer am Anfang des Jahres nicht wissen könne, ob er erkrankt. Er befände sich in der gleichen Situation wie ein Arbeitnehmer, der während des gesamten Urlaubsjahres erkrankt war. Hat der lange Zeit erkrankte Mitarbeiter nach Auffassung des EuGH einen unverfallbaren Urlaubsanspruch, der nicht nach Ablauf des Übertragungszeitraums erlischt, so ist es folgerichtig, wenn nach Auffassung des Gerichts ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ebenfalls nicht erlischt.

EuGH-Entscheidung vom 20.1.2009

  • Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub verfällt nicht, wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubsjahres und über den Übertragungszeitraum fortdauernd erkrankt ist.
  • Gleiches gilt im Fall der teilweisen Erkrankung während des Urlaubsjahres, die über den Übertragungszeitraum hinaus andauert.
  • Der Abgeltungsanspruch erlischt nicht nach Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums im Fall der Erkrankung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Praxis

Was folgt nun für Sie daraus? Zunächst einmal entfaltet das Urteil keine Allgemeingültigkeit. Gleichwohl hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf der Klage eines Arbeitnehmers auf Grund der Entscheidung des EuGH stattgegeben und auch das BAG hat seine Rechtsprechung zwischenzeitlich angepasst. Das bedeutet, dass Unternehmen unter Umständen mit erheblichen Mehrkosten rechnen müssen. Es ist nämlich auch nicht klar, ob eine zeitliche Grenze für die Geltendmachung von Urlaubsansprüchen, z. B. die regelmäßige Verjährung von drei Jahren, gelten soll. Müssten Sie Urlaubsansprüche, die sich in drei Jahren angesammelt haben, gewähren oder abgelten, wäre dies ohne Frage eine große Belastung. Das Urteil des EuGH betrifft den gemeinschaftlichen Mindesturlaub von vier Wochen. Unklar ist, ob weiter gehender Urlaub ebenfalls nicht verfallen soll. Meist wurden Arbeitnehmer, die dauerhaft erkrankt waren, wegen nicht weiter anfallender Kosten nicht entlassen. Dies sollten Sie zukünftig wohl genauer überdenken, wenn Ansprüche auf Gewährung von Urlaub und Abgeltung zwar unbeschränkt entstehen können, ggf. jedoch unverfallbar sind. Abgesehen von den dargestellten Umständen verfallen Urlaubsansprüche nach wie vor spätestens am 31.3. des Folgejahres.

Gewährung

Ist Ihr Mitarbeiter nicht erkrankt und stehen dem Urlaub auch ansonsten keine Hindernisse entgegen, erlischt der Urlaubsanspruch mit Gewährung. Diese setzt voraus, dass Sie hinreichend erkennbar machen, dass Ihr Mitarbeiter von der Arbeitspflicht befreit wird. In der Regel dürfen Sie nicht einseitig bestimmen, wann Ihr Mitarbeiter Urlaub nehmen muss. Vielmehr müssen Sie seine Urlaubswünsche berücksichtigen. Anderes kann gelten, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist. Hier kann Ihnen das Recht zustehen, den Resturlaub während der Kündigungsfrist festzulegen. Ist Ihr Mitarbeiter nach Ausspruch einer Kündigung freigestellt, müssen Sie daran denken, dass dies nicht zwingend als Urlaubserteilung anzusehen ist. Nur wenn Sie sich ausdrücklich dahingehend erklären, kann dies der Fall sein. Andernfalls könnten Sie gezwungen sein, trotz Freistellung noch den Urlaub auszuzahlen.

Abgeltung

Der Urlaubsanspruch kann auch durch Abgeltung erlöschen. Abgeltung bedeutet Geldzahlung anstelle von Freizeit. Die Abgeltung soll Ersatz für den nicht mehr erfüllbaren Urlaubsanspruch sein. Hierbei ist zu beachten, dass die Freizeit zu Erholungszwecken immer Vorrang zu haben hat, die Abgeltung soll die Ausnahme sein. Zur Berechnung der Urlaubsabgeltung ziehen Sie, unbeschadet anderer Regelungen, den Verdienst der letzten 13 Wochen heran. Ergeben sich bei der Berechnung des Abgeltungsbetrags Bruchteile von Tagen, runden Sie bei einem halben Tag auf einen Tag auf. Bruchteile von weniger als einem halben Tag müssen Sie auszahlen.

Ausschluss

Tarifverträge enthalten oft Ausschlussfristen, die eingrenzen, wie lange Ansprüche eingefordert werden können. Ausschlussfristen, die die Dauer der Ausübung für den gesetzlichen Urlaubs- oder Urlaubsabgeltungsanspruch verkürzen, sind aber unwirksam. Gleiches gilt für individualvertragliche Ausschlussfristen, wenn sie unzulässig von den Regelungen des BUrlG abweichen.

Einzelvertrag

Da nach § 13 BUrlG einzelvertragliche Vereinbarungen zu Ungunsten des Mitarbeiters nicht möglich sind, kann auch kein Verzicht Ihres Mitarbeiters den Urlaubsanspruch zum Erlöschen bringen. Gleiches gilt für die gängige Ausgleichsquittung. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitnehmer wäre nichtig. Erklärt Ihr Mitarbeiter in einem Aufhebungsvertrag, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfüllt seien, umfasst dies sämtliche Urlaubsansprüche, über die der Arbeitnehmer verfügen kann. Hierzu gehört nicht der gesetzliche Mindesturlaub.

Verwirkung

Ein Recht ist verwirkt, wenn es längere Zeit nicht geltend gemacht wird und wegen zusätzlicher besonderer Umstände die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Bislang spielte die Verwirkung im Urlaubsrecht keine tragende Rolle. Urlaub war im laufenden Jahr spätestens bis zum 31.3. des Folgejahres zu nehmen. Auf Grund der Entscheidung des EuGH könnte sich dies aber ändern und die Verwirkung an Bedeutung gewinnen.

Tod

Der Urlaubsanspruch erlischt mit dem Tod des Mitarbeiters. Urlaubsentgelt- und Abgeltungsansprüche sind nicht vererblich, es sei denn, der Arbeitnehmer hat sie geltend gemacht. Die Erben können den Prozess dann fortführen.