Aktuelles Beispiel: Der konkrete Fall zu BSG, Az. B 2 U 5/15 R

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Foto von Van Tay Media

Im konkreten Fall verließ die Arbeitnehmerin ihren Telearbeitsplatz im über eine Dienstvereinbarung eingerichteten gesonderten Dachgeschossraum, um über die Treppe hinunter zur Küche zu gelangen und sich Wasser zum Trinken zu holen.

Auf der Treppe rutschte sie aus. Die Unfallkasse erkannte den Unfall nicht als Arbeitsunfall an. Die Frau reichte Klage ein.

Das Sozialgericht (SG) wies die Klage ab.

Das LSG Rheinland-Pfalz gab ihr statt und verurteilte die Kasse auf Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall. Begründung: Das Büro sei nur über diese Treppe erreichbar gewesen. Die Nahrungsaufnahme diene dem Erhalt ihrer Arbeitskraft. “Es könne nicht sein, dass Heimarbeitnehmer schlechter gestellt würden als jene, die in den Unternehmensräumen arbeiteten.”

Das BSG in Kassel entschied jedoch 2016, dass es sich nicht um einen Arbeitsunfall handelte.

Die Gründe:

  1. Der Weg von der „Arbeitsstätte“ zur Küche befand sich im „persönlichen Lebensbereich“ der Arbeitnehmerin.
  2. Der zurückgelegte Weg war kein “Betriebsweg” und erfolgte nicht, um eine mitversicherte Tätigkeit im Rahmen des Arbeitsvertrags der Klägerin zu erledigen, sondern aus „eigenwirtschaftlichem Interesse“. (Dieses Argument wird häufig verwandt, kann jedoch nicht immer angewendet werden, siehe „Hoftorurteil“ unseres Rechts-NL Nr. 1, Urteil AZ L 3 U 108/15, LAG Darmstadt)
  3. Im Gegensatz zu der Tätigkeit innerhalb des Unternehmens selbst unterliege die Klägerin innerhalb ihres eigenen privaten Umfelds „keinen betrieblichen Vorgaben oder Zwängen“ (Anmerk. d. Verf. …,die sie zu bestimmten Handlungen bewegen…).
  4. Die (s)einer privaten Wohnung innewohnenden Risiken müsse ein Arbeitnehmer selber tragen.
  5. Auf die einer privaten Wohnung innewohnenden Risiken habe ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung weniger bis keinen Einfluss als innerhalb der Betriebsstätten der entsprechenden Arbeitgeber, um „präventive gefahrenreduzierende Maßnahmen” zu ergreifen.
  6. Die Verlagerung von dem Unternehmen dienenden Tätigkeiten in den privaten Bereich durch eine arbeitsrechtliche Vereinbarung nehme einer Wohnung nicht automatisch den „Charakter der privaten, (und damit) nicht versicherten Lebenssphäre.“

Alle diese Gründe sprächen dafür, dass das mit dem persönlichen Lebensumfeld einhergehende Unfallrisiko von dem Mitarbeiter selbst getragen werden solle. Die gesetzliche Unfallversicherung übernehme zwar die Unternehmerhaftung, greife jedoch nicht für das häusliche/persönliche Umfeld.

Allerdings kann es sein, dass damit noch nicht das allerletzte Wort gesprochen ist, denn der Trend zum Home Office ist ungebrochen – die Rechtsprechung wird sich dieser Thematik in Zukunft sicher noch stärker annehmen müssen.

Immerhin könnte ein Kommentar auf den bei LTO erschienen Artikel „BSG zu Unfall im Home Office Gang zur Küche nicht versichert“ vom 05.07.2016 auf weitere Entwicklungen und Möglichkeiten des „Ein- und Widerspruchs“ hinweisen: Dort wird erwähnt, dass allein aus den „der privaten Wohnung innewohnenden Risiken“ automatisch eine in jedem Fall nicht eintretende GUV“ zu folgern, zu weit ginge.

Das Home Office in Sachen Arbeitssicherheit genauso prüfen und absichern wie das Büro im Unternehmen?

So ist es für ein flächendeckendere Durchsetzen eines Home Offices sicher von Nachteil, wenn im häuslichen Bereich automatisch von einer durch einen GUV-Träger weniger kontrollierbaren Situation ausgegangen wird – und damit einhergehend grundsätzlich ein unzulänglicherer Schutz als in einer Firma angenommen würde. Immerhin hat ein Gericht anerkannt, dass während einer Dienstreise die Nahrungsaufnahme nicht nur als eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit anzusehen sei (BSG, B 2U 8/06R). Die Rechtslage ist hier nicht immer einheitlich. Es kommt immer wieder auf die Einzelfallbetrachtung an.

Auch, wenn die erhöhte „Darlegungs- und Beweislast“ dann beim Home Office Nutzer liegen würde – „wenn er darlegen kann, dass seine Wohnung genauso gesichert wäre, wie das Büro im Unternehmensgebäude – und Flur, Teppich etc. ordnungsgemäß und arbeitsschutzrechtlich (was ohnehin durch den Arbeitgeber geprüft werden sollte) einwandfrei sind” – sollten beide Arbeitsstandorte nicht derart pauschal unterschiedlich beurteilt werden.

C) Haftung des Arbeitnehmers bei einem Unfall im Umfeld des Home Office

Arbeitsunfall ist nicht gleich Arbeitsunfall

Wie auch am Arbeitsplatz am Unternehmenssitz steht die Arbeit im Home Office unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Mit Einschränkungen. Wichtig sei immer, dass der Unfall, soll er als Dienstunfall beurteilt werden, so die Angaben des Spitzenverbands der gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV) in einem “inneren Zusammenhang mit der Arbeit stehe.” Darunter fielen Tätigkeiten, die im Arbeitsvertrag spezifiziert sind wie auch Arbeiten, die zu tätigen seien, um die beruflichen Aufgaben erledigen zu können. Das würde u.U. auch der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer einen PC oder Drucker, der zur Ausführung der Tätigkeit notwendig sei, transportieren oder instandhalten müsse. Auch Dienstreisen sowie der Weg vom Home Office zum Büro im Unternehmen (für den Fall einer Dienstbesprechung) und zurück seien versichert.

Die “Richtung” ist entscheidend

Vorsicht ist immer bei allen Tätigkeiten des privaten Umfelds geboten, für die der Telearbeiter seine arbeitsvertraglichen Aufgaben unterbricht: z.B. wenn der Mitarbeiter den “privaten Dienstbereich” – also sein Home Office verlässt, um beispielsweise zur Toilette zu gehen – oder wenn er eine Fahrt vom Home Office in die Firma unterbricht, sozusagen “die Handlung- und Bewegungs-Richtung”wechselt (weg von dem inneren Arbeitszusammenhang oder der gezielten, da ununterbrochenen Fahrtrichtung zum Unternehmen), um noch kurz einkaufen zu gehen – und dabei verunfallt. Dann erlischt der gesetzliche Unfallversicherungsschutz.

Übrigens: Die bisherige Rechtsprechung scheint zumindest den erstmaligen Weg am Morgen zum Arbeitszimmer als unfallversicherungspflichtig anzusehen. Allerdings scheint der Senat des BSG es “offen zu lassen, ob er daran festhält”: (Az.: B 2 U 5/15 R).

Notwendige Maßnahmen – oder nicht?

Während die Tätigkeit an sich (Bildschirmarbeit, Arbeit am Schreibtisch) sowie die damit notwendigerweise verbundenen Maßnahmen (z.B. Gang zum Bücherregal, um ein Nachschlagewerk zu konsultieren, Gang zum Faxgerät, Gang zum Telefon, Gang zur Haustür, um einem Kunden die Tür zu öffnen)…oder auch der Weg vom Home Office zum Unternehmen/Arbeitgeber mitversichert sind, gibt es Fälle, die sich vom Firmenalltag unterscheiden.

Haftungsumfang anders als im Unternehmen:

In der Firma sind auch der Gang zur Küche oder zur Toilette versichert (allerdings die Tätigkeit innerhalb der Räumlichkeiten und während der Pausenzeiten nicht mehr (oder nicht in vollem Umfang) siehe VG München, M 12 K 13.1024 (“Klotürurteil)– und auch in den Pausenzeiten nur bedingt, wenn z.B. in der Pause ein unmittelbar mit der Geschäftsausübung zusammenhängendes (Geschäfts-)Essen anstand oder sich ein Unfall während eines Kundengesprächs ereignete (LSG Thüringen, L 1U 681/98).

Im Home Office ist der Gang zur Toilette oder in die Küche jedoch derzeit generell nicht mit der gesetzlichen Unfallversicherung abgedeckt.

Sie greift nur bei anerkannten Arbeitsunfällen. Dann kommt die entsprechende Berufsgenossenschaft für die notwendigen Kosten zur Heilbehandlung auf. Für den Fall, dass keine Anerkennung als Berufs-/Arbeitsunfall erfolgt, sollte der Mitarbeiter daher besser auch noch eine private Unfallversicherung abschließen. Sonst muss er u.U. von seiner Krankenkasse nicht übernommene Behandlungskosten selber tragen.

Der Weg, um Wasser zum Trinken zu holen

Im vorliegenden Fall urteilte das Bundessozialgericht, BSG (Urt. v. 05.07.2016, Az. B 2 U 5/15 R), dass in einem Home Office kein gesetzlicher Unfallschutz vorliege, wenn die Mitarbeiter sich zum „Zweck der Nahrungsaufnahme“ innerhalb ihrer Wohnung bewegen.

D) Verantwortung des Arbeitnehmers bei der Nutzung seiner Mietwohnung

In der Regel fällt eine normale „Home Office“-Tätigkeit vom Telearbeitsplatz dem Umfeld einer Mietwohnung nicht auf. Ebenso wenig wie wenn diese Tätigkeiten privat durchgeführt werden würden: Bildschirmarbeit, Internet-Recherche, Telefonieren, Schreiben am PC, Laptop oder iPad etc. gehören mittlerweile zu den als normal/verbreitet und üblich zu bezeichnenden Tätigkeiten, die auch privat durchgeführt werden. Es sind dies alles Tätigkeiten, die „den Charakter der Räume“ nicht im Wesentlichen verändern. Das ist der entscheidende Punkt:

  1. Durch die Tätigkeit darf der Charakter eines Raumes als Wohnraum nicht verändert werden. Da einfache Bürotätigkeiten, Bildschirmtätigkeiten und digitales Arbeiten (auch) zu einem privaten Gebrauch eines Wohnraums gehören (können) – immerhin sehen manche privaten Büros moderner aus und sind mit mehr Hightech ausgestattet als manche Unternehmensbüros – gehören sie zum „normalen Mietgebrauch“ – vor allem auch wenn:
  2. Diese Tätigkeiten andere Mieter nicht belästigen oder gefährden und “die Tätigkeiten nicht nach außen in Erscheinung treten” – das wurde 2009 vom Bundesgerichtshof BGH  in einem Grundsatzurteil entschieden: Az.: VIII ZR 165/08.

Wenn der Arbeitgeber gemäß §2 Abs. 7 ArbStättV einen Telearbeitsplatz in der Mietwohnung des Arbeitnehmers einrichtet – und der Mitarbeiter arbeitet von dort aus – vor allem auch während der normalen Kernarbeitszeiten oder allgemein üblicher Geschäftszeiten – in ruhiger üblicher Manier (Telefonate, PC) – und empfängt hin und wieder einen Kunden oder Kollegen, ist dem mietrechtlich in der Regel nichts entgegenzusetzen.

Richtet der Arbeitnehmer hingegen ein Handwerksgewerbe ein oder installiert laute Maschinen oder Geräte, die u.U. sogar zu schwer für die Gebäudestatik sein könnten (z.B. Plotter oder Druckmaschinen etc.), beschäftigt er u.U. noch andere Mitarbeiter, wird der Telefonverkehr zu laut (Call-Center-Tätigkeit), werden Hausleitungen überlastet, erteilt er exzessiv Musikunterricht, oder unterhält er einen regelmäßigen und stetigen Kundenverkehr mit entsprechendem Türengeklapper, Flurlärm, Fahrzeug- und Laufverkehr, Parkplatzgebrauch etc., dann ist der Vermieter berechtigt, den Mieter wegen vertragswidriger Nutzung zuerst abzumahnen – und dann u.U. auf Unterlassung zu klagen.

Quellen und Artikel zum Nachlesen:

https://www.jurion.de/urteile/bag/1997-07-17/8-azr-480_95/

BAG, 17.07.1997 – 8 AZR 480/95, ArbG Lörrach – 31.08.1994 – AZ: 2 Ca 299/94, LAG Baden-Württemberg – 04.05.1995 – AZ: 10 Sa 112/94

Aufwendungsersatzanspruchs des Arbeitnehmers nach § 670 BGB: https://www.jurion.de/gesetze/bgb/670/?from=1%3A89954%2C0
Rechtsstand 01.01.2002 (aktuelle Fassung)

http://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bsg-b2u515r-unfall-essen-trinken-im-homeoffice-nicht-unfallversichert/

http://www.zeit.de/karriere/beruf/2011-04/arbeitsrecht-haftung-arbeitnehmer

http://www.zeit.de/karriere/beruf/2016-07/homeoffice-unfall-versicherung-mitarbeiter-arbeitsunfall-arbeitsrecht

http://www.iww.de/ak/wirtschaftlichkeit/homeoffice-versicherungsschutz-risiken-im-homeoffice-f86879

http://www.bag-urteil.com/schlagwort/home-office/

http://www.handelsblatt.com/finanzen/steuern-recht/recht/streitfall-diese-fallstricke-drohen-im-home-office/10164222.html
http://www.handelsblatt.com/finanzen/steuern-recht/recht/streitfall-vorher-alle-details-klaeren/10164222-2.html
http://www.handelsblatt.com/finanzen/steuern-recht/recht/streitfall-unfallversicherung-gilt-auch-im-home-office/10164222-3.html

http://www.sueddeutsche.de/karriere/arbeitsrecht-beinbruch-im-homeoffice-unfallversicherung-muss-nicht-zahlen-1.3064635

https://www.passt24.de/blog/home-office-besonderer-versicherungsschutz-noetig/

http://www.banktip.de/versicherungen-vorsorge/artikel/home-office-versichert-bei-der-heimarbeit/home-office-versichert-bei-der-heimarbeit/

https://www.vdi-versicherungsdienst.de/arbeitsunfall-im-homeoffice/

http://versicherung.portal.bgn.de/7650?wc_cmt=5597599cc54eac1f0047b23d131b274b

http://www.spiegel.de/karriere/gebrochener-fuss-im-home-office-ist-kein-arbeitsunfall-a-1101410.html

http://www.rechtsindex.de/sozialrecht/5623-bsg-urteil-unfall-auf-dem-weg-zur-kueche-in-home-office

Die Aufklärungspflicht des Arbeitgebers

Man kann es nicht häufig genug betonen: Je mehr rechtliche „Risiken und Nebenwirkungen“ im Vorfeld klar geregelt wurden – und nach ausreichender Aufklärung über Rechte und Pflichten von beiden! Seiten das Verständnis und Einverständnis zu den wichtigsten Vertrags- und Rechtskomponenten klar signalisiert und festgehalten wurden – umso weniger steht dem Abenteuer Home Office in der Regel nichts im Wege.

Doch kommt es häufig genug vor, dass in einem Unternehmen bestimmte Informationen und Aufklärungen als gegeben vorausgesetzt wurden – und man dann im Falle einer Auseinandersetzung erkennen musste, dass dem nicht so war. Umso wichtiger ist es, im Falle einer Home Office Regelung als Arbeitgeber dieses Risiko gar nicht erst aufkommen zu lassen. Weisen Sie den Mitarbeiter frühzeitig auf die rechtlichen Besonderheiten des Home Office hin.

Dazu gehört natürlich auch die Regelung, wer die Büroeinrichtungen und Betriebsmittel und den Unterhalt stellt und finanziert, ob und in welchem Umfang und zu welchen Zeiten diese Möbel und Betriebsmittel auch privat von dem Arbeitnehmer und/oder seinem Umfeld und/oder Kunden genutzt werden dürfen, auf welche Daten er zugreifen kann, wie sie gesichert und aufbewahrt werden sollen, ob und wie das kontrolliert wird etc. (siehe unsere Checkliste aus dem Leitartikel). Daraus ergeben sich u.a. auch die Versicherungsfragen und Haftungsbedingungen.

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Da Sie als Arbeitgeber Sorge tragen müssen, dass im Home Office u.a. das Arbeitsschutzgesetz (Arbeitszeit, Ergonomie der Arbeitsmittel etc.), die Arbeitsstättenverordnung und die Bildschirmarbeitsplatzverordnung eingehalten werden – sofern Sie einen offiziellen Telearbeitsplatz gemäß §2 Abs. 7 ArbStättV einrichten wollen – ist eine Aufklärung über Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers eine der leichtesten Übungen – und darüber hinaus ohnehin Teil der Voraussetzungen für einen ordnungsgemäßen Telearbeitsplatz gemäß §2 Abs. 7 ArbStättV. Worin können die Haftungen des Arbeitnehmers bestehen?

A) Haftung des Arbeitnehmers bei der Beschädigung ihm zur Verfügung gestellter Betriebsmittel

Hier unterscheidet der Gesetzgeber stufenweise zwischen einer beschränkten Arbeitnehmerhaftung, leichter, (mittlerer) und grober Fahrlässigkeit:

Die beschränkte Arbeitnehmerhaftung gilt grundsätzlich für alle Arbeiten, die durch den Auftraggeber veranlasst sind und zum Zwecke der Ausführung – also infolge der weisungsgebundenen Arbeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses – geleistet werden (siehe u.a. § 670 BGB „Ersatz von Aufwendungen“, siehe auch Beschluss des BAG vom 1994 Bundesarbeitsgericht, Beschl. v. 27.09.1994, Az.: GS – 1/89 (A)): „Die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung gelten für alle Arbeiten, die durch den Betrieb veranlasst sind und aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden, auch wenn diese Arbeiten nicht gefahrgeneigt sind.“

Ein Mitarbeiter, so der Berliner Arbeitsrechtler Ulf Weigelt in seiner immer mittwochs in der Zeit erscheinenden Arbeitsrechtskolumne “Da staunt der Chef”, muss „grundsätzlich nur beschränkt haften, wenn er einen Schaden verursacht.“ – und zwar deswegen, weil irren menschlich ist – und auch „der sorgfältigste Arbeitnehmer einen Fehler machen kann“.

Auch bei einer leichten Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer häufig nicht.

Bei „mittlerer“ Fahrlässigkeit wird der Schaden in der Regel unter individueller Berücksichtigung aller Umstände anteilig angesetzt.

Worum handelt es sich bei den “zu berücksichtigenden Gründen”? Wie können solche „Umstände“ berücksichtigt werden?

  • Besitzt/besaß der Mitarbeiter zu dem Zeitpunkt ausreichend Sach- und Verfahrenswissen zu dem Gegenstand/dem Verfahren?
  • Inwieweit kann bis heute der Mitarbeiter den Schaden/Schadenshergang überhaupt nachvollziehen?
  • Aus welchem Grund konnte/durfte sich der Mitarbeiter in den entsprechenden Räumen aufhalten/die Geräte bedienen?
  • Steht der Mitarbeiter ursächlich am Anfang des Schadensgeschehens oder ist er „nur“ Handelnder in einer Kette „unglücklicher“ Umstände schon im Vorfeld fehlerhafter Teilhandlungen weiterer möglicher Verursacher?
  • Fand jemals/ausreichend u./o. wiederholt eine Aufklärung und Einweisung in die entsprechende Tätigkeit und die damit zusammenhängenden potenziellen Gefahrensituationen u./o. Problemstellungen statt?
  • Handelt es sich um eine erstmalige Handlung, oder ist der Mitarbeiter in einem ähnlichen Zusammenhang u.U. schon einmal ermahnt worden?
  • In welchem Verhältnis stehen Schadenssumme und Verursachervermögen zueinander (eine Minijob-Aushilfs-Reinigungskraft kann keinen 50.000,- Euro MRT-Schaden begleichen)?
  • Inwieweit konnte die Situation/der Schadensfall zu einer sachlichen/fachlichen/psychischen oder physischen Überforderung des Mitarbeiters führen (viell. sogar zu einer Angst-/Panikreaktion)?
  • Welche Schutzmaßnahmen hätten im Vorfeld ergriffen werden können, um solch einen Vorfall gar nicht aufkommen zu lassen (Abdeckungen, Verschlussmöglichkeiten, Bekanntgabe von Notwahlnummern, klare Kennzeichnung von Sperrknöpfen, Gefahrenschulungen, mehrsprachige Warnschilder, Piktogramme, personelle Aufsicht etc.)?
  • Hat der Arbeitnehmer wider besseren Wissens gehandelt – oder nach bestem Wissen und Gewissen und hat er/sie unter den gegebenen Umständen sein Möglichstes getan?
  • Hat der Mitarbieter es einfach nur „gut gemeint“ – also zwar fahrlässig, jedoch mit besten Absichten gehandelt?

Grundsätzlich sind für die Errechnung des „Haftungsanteils des Arbeitnehmers“ gemäß Arbeitsrechtler Ulf Weigelt folgende Punkte ausschlaggebend:

  • Die Höhe des Schadens
  • Die Höhe des Arbeitsentgelts des „Verursachers“ – des Mitarbeiters/Arbeitnehmers
  • Die Gefahrgeneigtheit einer Arbeit: Handelt es sich um eine Tätigkeit, bei der auch dem sorgfältigsten Arbeitnehmer hin und wieder ein Fehler unterlaufen kann?
  • Der Grad des vorwerfbaren Verschuldens: Hier wird es die größten Abstufungen geben – und den größten Aufwand der individuellen Abklärungen.
  • Der Tatsache, ob es sich um ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes (und einzukalkulierendes) oder durch eine Versicherung deckbares Risiko handelt.

Trotz eines höheren Schuldanteils und u.U. sogar der Annahme einer „groben Fahrlässigkeit“ können Schadensanlass, Schadensfolgen, wie auch Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkte je nach Fall zu Ausnahmen in der Fallbeurteilung führen.

„Grobe Fahrlässigkeit“ und Verschulden

Ein Grund zur Schadensersatzleistung in Teilen, zum überwiegenden Teil oder sogar in vollem Umfang durch den Arbeitnehmer liegt nur vor, wenn er nachweislich grob fahrlässig und vorsätzlich gehandelt hat. Beide Begriffe bezeichnen eine schuldhafte Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten. Das wird allerdings in nur sehr wenigen Fällen wirklich der Fall sein.

B) Ein Fall für die Haftpflichtversicherung? Bestimmte Situation im Vorfeld klären und „durchspielen“

Man kann im Vorfeld nicht alle möglichen Situationen und potenziellen „Gefahren“ abklären. Doch lohnt manchmal ein Blick in die jüngere und ältere Rechtsprechung – und in u.U. schon ähnlich gelagerte exemplarische Fälle sowie aktuelle Statistiken (z.B. Unfall- oder Einbruch-Statistiken). Manchmal sagt einem „vor Ort“ der gesunde Menschenverstand, welche Maßnahmen im konkreten Einzelfall nötig sein könnten.:

Diese könnten im Falle eines neu einzurichtenden Souterrain-Büros u.U. darin bestehen, einen besseren Sichtschutz zu installieren und abschließbare Extra-Gitter vor der Terrassentür zu montieren, um Einbrüchen, die bekanntermaßen häufiger auf diesem Wege/und in dieser „Etage“ vorkommen, vorzubeugen.

Oder man untersagt Personen des privaten Umfelds (Kinder, Freunde, Ehepartner) grundsätzlich den Zutritt zum – im Idealfall (per Code oder Sicherheitsschloss) abschließbaren –  Büro, damit die Klärung der „Mithaftung/Haftungsklärung“ gar nicht erst kompliziert wird: „Wo kommt jetzt dieses Programm auf dem PC plötzlich her? Wer hat diesen virenverseuchten Bildschirmschoner heruntergeladen?”

“Der Hund hat den Ordner zerkaut. Das Kind hat das Modell aus Versehen heruntergestoßen. Der Kunde hat aus Versehen den falschen USB mitgenommen”: Die Liste der zumindest zum Teil vermeidbaren Schadensquellen könnte etwas verkürzt werden, wenn man erkennbare Bereiche, die besonders der Sorgfaltspflicht des Arbeitnehmers bedürfen, im Vorfeld abklärt.

Extra-Versicherungen für den Arbeitgeber notwendig?

Tatsächlich könnte auch der Fall eintreten, dass die Hausratversicherung des Wohnungsmieters und Mitarbeiters im Falle eines Einbruchs oder der Beschädigung durch den Mitarbeiter/Dritte, durch Einbruch, Diebstahl, Vandalismus oder Brand gar nicht in Kraft tritt, da Ausstattung und Mittel eines ordnungsgemäß nach §2 Abs. 7 ArbStättV eingerichteten Telearbeitsplatzes nicht zum privaten Besitz des Wohnungsnutzers, Wohnungs- und Hauseigentümers gehören. Das könnte wiederum zur Folge haben, dass der Arbeitgeber zusätzliche Versicherungen abschließen und/oder mit seiner bestehenden Versicherung Sondervereinbarungen treffen müsste – um diese Schäden nicht selber ersetzen zu müssen.