In der heutigen Folge unserer HRM-Hacks dürfen wir gleich zwei Expertinnen zum Thema “Forschungsergebnisse rund um die Stellenanzeige” begrüßen. Seit Jahren führen Agnes Koller und Julia Hauska gemeinsam ihre BEST-RECRUITERSStudie durch, für die sie den Recruiting Prozess der etwa 1.300 umsatz- und mitarbeiterstärksten Arbeitgeber in Deutschland, Österreich und der Schweiz analysieren. Agnes Koller ist Head of Scientific Research bei career Institut & Verlag, lehrt Recruiting im HRM-Masterstudiengang der Fachhochschule Burgenland. Julia Hauska ist Geschäftsleiterin der B2B Insider GmbH und veranstaltet unter anderem Online-Kongresse für HR und Marketing und begleitet die „BEST-RECRUITERS-Studie“ als Fachbeirat .

Alexander Petsch: Ich freue mich, dass Ihr da seid.

00:01:57
Julia Hauska: Danke für die Einladung.

00:01:58
Alexander Petsch: Ihr habt ja jetzt schon so ziemlich alles gesehen was man bei Stellenanzeigen super rund katastrophal machen kann. Wie forscht man eigentlich zum Thema Stellenanzeigen?

00:02:05
Agnes Koller: Das ist eine total spannende Geschichte. Wir wollen es einfach wirklich genau wissen und überlegen uns einfach immer wieder, welchen neuen Blickwinkel können wir einbringen und wie können wir das Thema noch mehr in der Tiefe erforschen? Wie denn so das Gehirn, aber auch der Bauch von Kandidatinnen und Kandidaten wirklich tickt? Wir haben ja mit BEST-RECRUITERS seit 2010 untersucht, wie schaut es bei Recruiterinnen und Recruitern aus? Was machen die? Wie machen sie es? Was sind die großen Stärken? Was sind die Optimierungspotenziale? Und da hat sich schon ein enormes Datenmaterial angesammelt, ganz viele Hacks und Techniken, wie man es angehen kann. Und jetzt haben wir noch mit Eagle Eye eine Pilotstudie herausgebracht, wo wir wirklich geschaut haben, wie entscheiden sich die Bewerberinnen und Bewerber für einen Job? Was passiert da genau im Kopf, und was passiert im Bauch? Wir haben sie zuerst einmal gefragt, aufgrund welcher Parameter entscheidest du dich für einen Job? Da kamen sehr rationale Antworten – die Jobbeschreibung, das Anforderungsprofil, die Entlohnung natürlich. Und dann haben wir ihnen immer zwei Stellenanzeigen nebeneinander gezeigt, die sich nur in einem kleinen Detail unterschieden haben. Und haben sie gebeten, sich spontan und instinktiv für die attraktivere Stellenanzeige zu entscheiden. Und da lasse ich vielleicht mal raten: sind hier die gleichen Punkte wichtig, wie sie rational angegeben haben, oder nicht?

Julia Hauska: Nein.

Agnes Koller: Das kam jetzt aus dem Bauch, Julia, stimmts? Du liegst natürlich vollkommen richtig, wie kann es auch anders sein. Es sind ganz andere Themen, die da wirklich den Ausschlag geben. Und ganz interessant ist, die absolute Nummer eins ist die Ansprechperson. Also, habe ich auf der Stellenanzeige eine Ansprechperson, an die ich mich wenden kann? Ganz unabhängig davon, ob ich tatsächlich eine Frage habe oder nicht. Aber es ist einfach wirklich dieses, Ok , die Kommunikationsebene, der Kommunikationskanal ist offen. Ich könnte mich hinwenden, was einfach wahnsinnig viel an Sicherheit gibt, an Attraktivität vermittelt. Und das Ganze noch mehr, wenn beispielsweise ein Foto dabei ist und ein Social Media-Kontakt. Da habe ich eine Nutzensteigerung von ganzen 75 Prozent drin. Also eine 75 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Talent für diese Stellenanzeige entscheidet. Und das ist einfach wirklich massiv.

Julia Hauska:  Agnes, hättest du dir das gedacht, dass es so ausfällt vor der Eagle Eye-Studie?  Wenn Du jetzt den Vergleich stellst mit einer Anzeige, ich habe die Audi-Anzeige, die den Audi zeigt. Und ich habe die Stellenanzeige, die den Kopf zeigt. Dann hätte ich ganz sicher falsch getippt. Ich hätte nicht gedacht, dass es die Ansprechperson ist.

Agnes Koller: Ich bin ja schon lange ein glühender Verfechter dieser persönlichen Ebene und dieses individuellen touches – , das machen halt einfach wirklich individuelle Menschen aus. Also ich hätte mich wahrscheinlich nicht getraut, es in einem solchen Ausmaß zu tippen. Von diesen 75 Prozent wäre ich weit entfernt gewesen, dass dieser Nutzen so groß ist. Ich habe es natürlich gehofft und es ist immer schön, wenn sich Hoffnungen dann auch durch Zahlen belegen lassen. Dieses Ergebnis lässt sich sicher auch umlegen auf die gesamte Bilderwelt in Stellenanzeigen. Dass es einfach viel mehr bringt, echte zukünftige Kolleginnen und Kollegen zu zeigen, als mit Stock-Fotos zu arbeiten.

00:06:14
Alexander Petsch: Das ist eine Riesenchance für alle jene, die kein Produkt wie einen Audi oder ein attraktives Markenprodukt haben.

00:06:28
Agnes Koller: Absolut. Das ist auch aus meiner Sicht durch Corona nochmal stärker geworden. Wir waren in unserer eigenen kleinen Höhle, auf unserer eigenen kleinen Insel. Wenn wir jetzt wirklich die Notwendigkeit verspüren oder den Mut haben, einen Job zu wechseln, gibt man in Zeiten wie diesen wahnsinnig viel Sicherheit auf. Und dann möchte man natürlich umso mehr wissen, was erwartet mich dort? Und mit am prägendsten für eine berufliche Tätigkeit ist einfach das Umfeld, das sind die Menschen. Und in dem ich die Menschen zeige, die bei mir arbeiten, sage ich ja nicht nur etwas über mein Team aus, sondern ich sage auch etwas über mich als Arbeitgeber aus.

00:07:15
Alexander Petsch: Du hast gerade angesprochen, es wäre auch eine Frage des persönlichen Social-Media-Accounts des Ansprechpartners.

Agnes Koller: Ja.

Alexander Petsch: Kommt dann auch die Kontaktaufnahme darüber zustande? Oder soll sich der Bewerber damit eher ein persönliches Bild des Ansprechpartners machen können?

00:07:35
Agnes Koller: Also ich glaube, es ist in erster Linie mal das persönliche Bild. Dass man vielleicht dann in einem Erstinterview irgendwo andocken kann, wenn man gemeinsame Bekannte hat oder eine ähnliche Ausbildung genossen hat. Das kann hingehen bis zu den Interessen. Oder dass man auf spannende Inhalte reagiert, die der Recruiter teilt, um sich da schon mal gut zu positionieren. Das ist sehr Vielen ein Anliegen. In zweiter Linie kann eine Kontaktaufnahme passieren. Ich sehe das gerade bei kleineren Unternehmen als große Chance, sich da eine Art Talente-Pool aufzubauen. Weil es heißt ja nicht immer, dass ich mit einem Talent zu einem bestimmten Zeitpunkt einig werde. Es kann ja auch sein, dass es einfach gerade zum Zeitpunkt nicht passt. Aber nicht, weil die Qualifikationen nicht stimmen oder weil der Cultural Fit nicht gegeben ist. Und so kann ich auf eine ganz einfache erste Weise einen Kontakt herstellen und diesen Kontakt dann natürlich auch im Sinne des Talent Relationship Managements halten.

Julia Hauska: Aber das Problem ist, wenn du das über Xing oder LinkedIn machst und du verbindest das mit dem persönlichen Profil des Recruiters, hast du das Thema als Arbeitgeber, wenn der Recruiter weg geht, dann ist der Kontakt zu diesen Talenten durch den Wegfall dieses Recruiters auch weg.

Agnes Koller: Absolut. Also das ist ein ganz großes Thema, das im Moment aus meiner Sicht viele beschäftigt. Wie sie damit umgehen sollen. Also wie gehe ich mit diesem Netzwerk um, das für einen Firmenrecruiter in der Ich-Entwicklung ganz wichtig sein kann? Was kann ich als Recruiter Wichtigeres haben als ein Netzwerk? Und auf der anderen Seite steht die Frage, wie gehe ich als Unternehmen strategisch mit den Profilen meiner Recruiter um? Inwieweit ist das privat? Inwieweit ist das beruflich?

00:09:50
Alexander Petsch: Ich habe das gar nicht als Problem gesehen. Bewerber bewerben sich ja auf einen konkreten Job. Natürlich ist das Netzwerk wichtig. Aber wenn wir über einen Bewerber-Pool sprechen und wie manage ich einen Bewerber-Pool, dann hätte ich jetzt aus Unternehmersicht erst mal keine Angst, wenn ich einen Recruiter habe, der sich persönlich sichtbar macht. Dass das später bei einem Weggang Auswirkungen auf meinen Bewerber-Pool hat oder meine Bewerbung. Ich glaube eher, es ist eine Frage von Engagement und Skill im Bewerbungsprozess. Und wenn ich jemanden mit viel Skills verliere und ihn durch jemand mit wenig Skills ersetze, habe ich ein Problem.

00:10:39
Julia Hauska: Gut, diese Visitenkarte ist zwar deine persönliche Visitenkarte nach außen und du häufst dir Kontakte auf LinkedIn und Xing an. Aber wenn du es dann nicht transformierst,  sprich diese Prozesse nicht digitalisierst, dass sie in einen Pool kommen und gespeichert werden, dann ist mit der direkten Ansprechperson, die ein riesiges Netzwerk auf LinkedIn oder auf Xing hat, auch der Pool weg. Das ist vor allem in kleinen Betrieben der Fall. Das ist schon ein Riesenthema und das haben wir oft miterlebt, dass dann einfach ziemlich viel weg ist mit der Person.

00:11:27
Alexander Petsch: Also, ich glaube nicht, dass du weniger Probleme hast, wenn du den Social Media-Account nicht nach vorne stellst. Zumindest beim Weggang eines engagierten Recruiters. So würde ich es vielleicht verpacken.

00:11:42
Agnes Koller: Vor allem kannst du ja auch über Employer Branding extrem viel gegensteuern.  Wenn du eine gute Arbeitgebermarke nach außen repräsentierst, dann hat das Talent ja auch eine Bindung an das Unternehmen und nicht nur an den Recruiting-Verantwortlichen.

00:12:04
Alexander Petsch: Ich kenne viele herausragende Recruiter, die Brands aufgebaut haben, die Employer Brands aufgebaut haben, die einen gigantischen Job gemacht haben und dann weggegangen sind. Die haben bei der nächsten Firma wieder einen gigantischen Job gemacht. Also ich würde das nicht so sehen. Aber Ihr habt schon zwei tolle Hacks gebracht. Der erste war das Foto beim Ansprechpartner, der zweite war Social Media-Account. Darüber haben wir jetzt diskutiert. Das kann auch Risiken beinhalten. Ich würde die Chancen viel höher bewerten als die Risiken. Aber mein Glas ist auch fast immer halb voll und nie halb leer, von daher ist das vielleicht auch eine Mentalitätsfrage. Was habt Ihr sonst herausgefunden? Was wollt Ihr sonst noch mit der HR-Community teilen?

00:12:59
Julia Hauska:  Ich bringe extrem gerne das Beispiel Anreize versus Anforderungen, das ist noch immer ein Thema. Wenn ich selbst eine Stellenausschreibung rausschicke, dann muss ich mich auch immer zügeln und kann nicht die eierlegende Wollmilchsau erwarten, die ich natürlich gerne hätte. Aber ich muss mich auch einschränken. Ich lege mir immer die Anreize neben die Anforderungen. Was biete ich eigentlich als Arbeitgeber? Das Verhältnis ist, wenn du Glück hast, Hälfte-Hälfte. Wenn Du einen Guten erwischen möchtest, dann sollten die Anreize bei Weitem die Anforderungen überwiegen. In der Realität ist es aber so, dass die Anforderungen mehr als das Doppelte der Anreize ausmachen. Man geht noch immer davon aus, dass der Arbeitgeber sich nicht so sehr bemühen muss wie der Arbeitnehmer. Dass der Arbeitnehmer einfach mehr Anforderungen erfüllen muss als der Arbeitgeber Anreize bieten. Ich habe da so mein Lieblingsbeispiel, eine Stellenanzeige für eine IT-Stelle. Ich glaube, es waren 50 Anforderungen, da wurde ein super IT-Nerd gesucht. Und denen standen fünf  Anreize gegenüber. Wow, wenn du zu uns kommst, du eierlegende Wollmilchsau, dann kannst du 50 Dinge. Und ich biete dir als Arbeitgeber fünf Dinge. Da denke ich immer, überlege Dir mal als Arbeitgeber, würdest Du für dieses Angebot, das Du den Bewerbern unterbreitest, gerne arbeiten? In der Regel heißt es dann Nein.

Agnes Koller: Das ist total spannend. Wir untersuchen ja für die BEST-RECRUITERS-Studie die 400 größten umsatz- und mitarbeiterstärksten Arbeitgeber in Deutschland jedes Jahr. Und haben die in Branchen eingeteilt. Und gerade in der IT-Branche ist dieses Thema der umfassenden Anforderungsprofile extrem ausgeprägt. Das ist also jetzt kein Einzelfall. Das machen wir nicht aus Bösartigkeit oder Spitzfindigkeit, diese eine Stellenanzeige rauszusuchen, wo das so ist. Das zeigt sich auch in den Zahlen im Branchenvergleich, dass das dort sehr ausgeprägt ist. Das ist natürlich nicht überall so, das muss man schon sagen. Aber dass gerade dort, wo diese Einhörner gesucht werden, nicht ausreichende Anreize im Gegenzug geboten werden, dass die Qualifikationsprofile so überborden und damit viele abschrecken, das steht da oft an der Tagesordnung. Und ich frage mich da immer, ob dann ein bisschen die Jobbeschreibung in den Hintergrund tritt. Die ist ja eigentlich das, was ich über mein Stelleninserat verkaufen will. Die ist ja das, was die Leute geil finden sollen und wo sie dann schon in den Startlöchern scharren sollen. Hey, das will ich machen und dann schaue ich nochmal, passt das mit dem Anforderungsprofil und passt das mit den restlichen Rahmenbedingungen? Ich soll doch irgendwie heiß werden auf diesen Job. Und wenn ich mir das vor Augen führe, die unzähligen Stellenanzeigen, die ich jedes Jahr sehe, dann ist das oft immer noch recht nüchtern und recht lapidar. Und dann stehen da halt die selben Hauptworte und ich denke ok, ich habe es verstanden. Aber Leidenschaft ist was anderes. Und da ist einfach noch so viel drin, dass man sich wirklich überlegt, wo habe ich bei dem Job die Gänsehaut, oder wo hat jemand, der diesen Job machen soll, die Gänsehaut?

Julia Hauska: Was sind diese zwei Worte, die immer vorkommen? Herausfordernd und … was war das zweite nochmal? ln 90 Prozent der Stellenausschreibungen hast du Adjektive und Anreize, die sind genau dasselbe. Also herausfordernd und dynamisch und teamfähig. Es ist immer dasselbe. Es ist, wie wenn du ein Regal voller Süßigkeiten hast und diese Süßigkeiten haben von Schokolade A bis Z genau dieselben Inhaltsstoffe, also Zucker. Super! Und davon ist das ganze Regal voll. Stell dir mal vor, du hast einen Einkaufsladen und da gibt es nur so etwas, keine Gummibären oder andere Süßigkeiten. Du weißt, worauf ich hinaus will. Und so schaut es aus.

00:18:20
Alexander Petsch: Also die völlige Eintönigkeit. Ich würde das Ganze gerne noch mal zusammenfassen, nämlich zum einen das Gleichgewicht Anreize/Vorteile. Julia, das hat du gesagt. Und Agnes, du hast gesagt, pack´ doch einen Teil der Anforderungen in die Jobbeschreibung. Das ist oft redundant und man kann sich das dann bei den Anforderungen sparen. Und es ist doch klar, wenn ich beispielsweise eine Organisationsfee suche, dass ich dann nicht in die Anforderungen schreibe, du musst ein Organisationstalent sein. Das kann ich mir doch dann sparen. Die fleißigen Podcast-Hörer von uns wissen, dass das in einer anderen Folge schon einmal Thema war. Vier Anforderungen versus mindestens vier Anreize und Benefits. Das war einmal so eine Formel.

00:19:18
Agnes Koller: Also was die Ausgewogenheit von Anforderungen und Anreizen betrifft, da liegen wir bei ungefähr drei Viertel …

00:19:36
Alexander Petsch: … also drei Viertel sind wirklich Anforderungen und ein Viertel, das ist das, was ich biete …

00:19:40
Agnes Koller: Nein, nein. Drei Viertel der Stellenausschreibungen sind ausgewogen. Wobei wir als Kriterium anlegen, dass es nicht doppelt so viele Anforderungen wie Anreize sein dürfen. Da ist also in der Bewertung viel Spiel drinnen. Wo es wirklich ausgewogen ist, da sind wir bei unter 50 Prozent. Da habe ich jetzt allerdings keine Zahlen, das ist ein Bauchgefühl. 

00:20:08
Alexander Petsch: Und dann hast du gesagt, die Leidenschaft in der Jobbeschreibung müsste viel mehr rauskommen.

00:20:16
Agnes Koller: Absolut. Ich hatte mal vor vielen Jahren eine Ausbildung gemacht und da hatte ich einen Vortragenden, der uns wirklich gut gequält hat. Da ging es um Videogestaltung. Der hat, wenn wir eine Präsentation gemacht haben, bei jedem zweiten Satz gefragt: Und was ist die Geschichte? Und was ist die Geschichte? Und habe ich dich schon gefragt, was ist die Geschichte? Und das war natürlich während dieser Ausbildung fürchterlich nervig. Aber ich bin ihm im Nachhinein unendlich dankbar dafür. Dieses Schlagwort Storytelling, das brauchen wir jetzt alle. Aber das ist einfach in den Stellenanzeigen noch gar nicht angekommen. Das ist jetzt in den Karriere-Websites immer mehr drin, aber in den Stellenausschreibungen, da fehlt das noch. Das ist das ganz, ganz selten. Und es ist aber so unglaublich viel drin, weil es gerade beim Thema Cultural Fit schon so viel vorwegnimmt. Je plastischer, je anschaulicher und je erlebbarer ich einen Job beschreibe, desto höher ist natürlich auch meine Wahrscheinlichkeit, dass sich Leute gar nicht bewerben, die sich da drin nicht wiederfinden.

00:21:32
Alexander Petsch: Was du beschreibst, darüber habe ich kürzlich zufällig einen kleinen Clip gesehen. Über ein Start up, dass die beste Wasserpistole der Welt bauen will. Da sitzen neun Experten und Ingenieure, alles super Talente, um als Start up Wasserpistolen zu bauen. Da dachte ich mir, allein die Recruiting-Leistung, einen Raumfahrtingenieur dazu zu motivieren bei einem Wasserpistolen-Start up loszulegen. Was ist denn das für eine Recruiting- Leistung! Und die Antwort, die ich mir gegeben habe, war genau das Thema Leidenschaft. Die Gründer waren eben total besessen davon, einfach die geilste Wasserpistole der Welt zu bauen. Und neun andere super Experten und Nerds, die da auch Lust darauf haben.

00:22:26
Agnes Koller: Absolut. Wir haben da eine ganz lustige gemeinsame Geschichte, die ganz gut dazu passt, denn wir hatten bei uns intern mit einer Stellenbesetzung echte Probleme. Also wir haben dieses Inserat glaube ich ungefähr fünfzigmal umgeschrieben, zehnmal  geschaltet …

Julia Hauska:also mal kurz raten: welche Position ist in einem Verlag beziehungsweise Institut kaum nach zu besetzen? Jetzt bin ich gespannt, ob du drauf kommst, welche Positionen wir denn besetzen wollten.

00:23:08
Alexander Petsch: Die Chefredaktion?

Julia Hauska: Nein.

Alexander Petsch: Die Verlagsleitung?

Julia Hauska: Nein. Die Studienleitung. Wir wollten die Agnes Koller nachbesetzen …

Agnes Koller: … das aber als Elternzeitvertretung. Ich wollte nicht gehen, nein. Aber wir wollten das eben nicht nur interimistisch, sondern längerfristig nachbesetzen. Da diese Funktion einfach so vielseitig ist, haben wir das gedreht und gewendet. Einmal mehr Projektleitung, einmal Studienleitung. Und mehr HR-Background oder mehr Marketing-Background. Und mehr wissenschaftlich und und und. Also, wir haben es wirklich mit jeder Ecke versucht. Im Endeffekt haben wir dann ein Video als Stellenanzeige gemacht. Das war also auch für mich ganz neuer Zugang. Wir haben wirklich alles in dieses Video hineingepackt, die Julia und ich haben einfach erzählt und es hat auch geheißen, bereitet euch gar nicht zu viel vor. Überlegt euch maximal, was sind so die Herausforderungen im Job, was braucht man dafür. Und dann seid einfach ihr selbst und erzählt mal. Und das hat beim Dreh allein schon wahnsinnig viel Spaß gemacht.  Da war natürlich dieser Moment, mit einem Bauchkribbeln, wenn du denkst, du kriegst jetzt das geschnittene Video mache ich mich total lächerlich. Wenn ich das aufmache, ist das grottenschlecht? Ist es gut? Wie wird das sein? Ich kann mich erinnern, ich saß morgens gerade in der Bahn zur Arbeit, und Julia rief an: Hast du es gesehen, hast du es gesehen? Es ist so cool. Und es hat einfach wirklich all das widergespiegelt, was wir in der Stellenanzeige nicht in Worte fassen konnten. Nämlich das, was den Job, das Team und die handelnden Personen irgendwie ausmacht.

00:25:04
Alexander Petsch: Wie war die Resonanz darauf?

00:25:06
Agnes Koller: Die Resonanz war unglaublich. Zum einen natürlich aus HR-Kreisen, die gesagt haben, ok, ganz neu und anders. Und wie war es denn? Wie hat sich denn angefühlt? Das war 2018/19.

Julia Hauska: Also zu einer Zeit, in der Jörg Buckmann mit den Jobvideos rauskam. Es war ja immer so, der Chef wurde interviewt. Und wir haben das in dem Fall anders gemacht, haben eben wirklich als Team um diese Stelle geworben. Und es war total spannend. Trotzdem glaube ich, dass wir einen Tick zu früh dran waren und dass wir echt wenig verstanden haben, wie bewerben wir das? Also du hast jetzt ein Video und du hast eine Stellenausschreibung, aber dass du das richtig cool einsetzt und dass du das schneidest, dass du Inhalte rausbringst, dass du es „spreadest“ und dass du einen riesigen Online-Marketingapparat dahinter setzt – dieses Know-how hatten wir damals nicht.  Das eine ist, dass du es cool rüberbringst, dass du es authentisch rüberbringst. Aber das andere ist, wenn es keiner sieht und wenn du es nicht „spreadest“, wenn du es nicht verteilst, naja. Deswegen haben wir auch keine Agnes Koller gefunden. Es war schon cool und ist es jetzt auch. Ich finde, es war auch irgendwie so ein Zeugnis für deinen Job. Wenn ich es mir jetzt im Nachhinein anschaue, dann bist das einfach Du, wie so eine Biografie. Ist auch irgendwie spannend.

00:26:55
Alexander Petsch: Eigentlich wollte ich Euch ja fragen, wie sich Anforderungsprofile knapper und trotzdem aussagekräftiger gestalten lassen. Jetzt habt Ihr aber verraten, wie man all das, was man an 100 Anforderungspunkten plus Leidenschaft nicht in eine Anzeige bekommt, besser in ein Video packt.

00:27:15
Julia Hauska: Agnes, hast du diesen Job-Cast, den Bruckmann jetzt rausgebracht hat, schon durchleuchtet? Das ist noch so ein Punkt, der interessiert mich auch, wo wir gerade über Leidenschaft reden. Erkläre mal den Job anhand von einer Stellenausschreibung, die ein Bild sein soll und die Text ist.  Wir sind das jetzt mit Video durchgegangen und jetzt kommt dasselbe Thema mit Podcast. Ich bin persönlich total gespannt, ob der Zug da auch fährt oder nicht. Ich bin auch gespannt, ob wir es in die Studie für das nächste Jahr reinnehmen.

00:28:00
Alexander Petsch: Wir sind schon fast am Ende unserer Zeit. Wenn Ihr noch zwei Hacks mit auf den Weg geben würdet, welche wären die?

00:28:15
Julia Hauska: Weniger ist mehr. Sprich, weniger Text ist mehr und mehr Bilder ist mehr.

00:28:35
Agnes Koller: Dem kann ich mich nur anschließen. Vor allem wenn wir uns überlegen, dass immer noch ein Fünftel der in Deutschland umsatz- und mitarbeiterstärksten Arbeitgeber gar kein Bildmaterial in der Stellenanzeige hat. Nicht einmal Stock-Fotos, sondern wirklich Zero Point Zero. Ich habe zwei Hacks. Der erste passt ein bisschen zum Thema Leidenschaft. Es beschreiben jetzt schon ganz viele, was macht das Unternehmen aus? Im Gegensatz dazu ist das Thema, wie ist es eigentlich um die Abteilung bestellt, noch viel verhaltener. Gerade beim IT-Recruiting oder so, da ist es ganz stark, dieses “Wo komme ich denn hin?” Und der zweite Hack bezieht sich auf die Flut von Stellenanzeigen, die wir jetzt sehen. Es geht nicht nur um den Inhalt, sondern auch darum, gefunden zu werden und eine gute Usability zu haben. Also das heißt, sich die Stellenanzeigen auch dahingehend anzuschauen, wie angenehm sind die für die Rezipienten? Können die gut gelesen werden? Finde ich weiterführende Infos auf einen Blick? Finde ich vielleicht sogar ähnliche Stellen bei dem Unternehmen bequem in der Stelle drinnen, wo ich weiterlesen kann?

00:30:04
Alexander Petsch: Das waren gleich mehrere Hacks in einem verpackt. Zum einen habe ich rausgehört, dass man auf die Abteilung eingehen sollte, versus dem Unternehmen. Und zweitens die Stellenanzeige mit weiterführenden Links und Artikeln von außerhalb des Unternehmens liegenden Themen verlinken sowie weiteren Infos anreichern.

Agnes, Julia, herzlichen Dank für das tolle Gespräch und die Expertise, die Ihr mit der Community geteilt habt. Schön, dass Ihr dabei wart, herzlichen Dank!

00:30:51
Julia Hauska: Sehr gern. Hat total Spaß gemacht, Alex!

Hier findet Ihr den Link zur Checkliste und zum Podcast: