1 Abgrenzung zu bloßen Vorstufen

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Foto von Georgie Cobbs

Nicht jeder „Hinweis“ des Arbeitgebers stellt eine Abmahnung im arbeitsrechtlichen Sinn dar. Bloße Vorstufen zeichnen sich dadurch aus, dass sie für den Wiederholungsfall keine Kündigungsandrohung („Warnfunktion“) beinhalten. Ihnen kommen daher nicht die Rechtsfolgen und Wirkungen einer „echten“ Abmahnung zu. Den Vorstufen ist gemeinsam, dass der Arbeitgeber Anstoß an einem bestimmten Verhalten nimmt und den Mitarbeiter drängt, die verletzte Pflicht  einzuhalten, ohne jedoch darauf hinzuweisen, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist. Derartige Ausdrucksformen des vertraglichen Rügerechts, denen im betrieblichen Alltag eine große Bedeutung zukommt, können sein:

– nachdrückliche Ratschläge,

– Vorhaltungen,

– Ermahnungen,

– Verwarnungen,

– Verweise.

Auch wenn der Arbeitgeber eine betriebliche Ordnungsstrafe auf der Grundlage einer kollektivrechtlichen Vereinbarung mit dem Betriebsrat verhängt – die sog. Betriebsbuße –, erfüllt diese nicht die Anforderungen an eine wirksame  Abmahnung. Existiert im Betrieb eine Bußordnung, kann das Unternehmen hierdurch Verstöße einzelner Arbeitnehmer gegen die kollektive betriebliche Ordnung ahnden (BAG, Urt. v. 17.10.1989 – 1 ABR 100/88). Damit rügt es jedoch nicht zugleich individualrechtlich die Verletzung von vertraglichen Pflichten.

2 Erforderlichkeit von Abmahnungen

Grundsätzlich ist eine Abmahnung – seit der Schuldrechtsreform im Jahre 2002 seine Bestätigung findend in § 314 Abs. 2 BGB – als Ausfluss des Ultima-Ratio-Prinzips Voraussetzung dafür, dass der Arbeitgeber dem Mitarbeiter aufgrund eines verhaltensgesteuerten Fehlverhaltens kündigen darf (BAG, Urt. v. 21.11.1985 – 2 AZR 21/85). Bereits dadurch, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses androht, soll er dessen  Verhalten positiv beeinflussen können. Zudem dient die Abmahnung dazu, die für eine Kündigung erforderliche negative Prognose zu objektivieren (BAG, Urt. v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, „Emmely”, vgl. dazu auch Ferme, AuA 2/11, S. 80 ff.,  in diesem Heft).

Praxistipp

Auch außerhalb des Anwendungsbereichs des allgemeinen Kündigungsschutzes nach § 1 KSchG, d. h. innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit sowie im Kleinbetrieb, kann es vor einer außerordentlichen Kündigung erforderlich sein,  den Mitarbeiter abzumahnen. Ist dagegen eine ordentliche fristgerechte Kündigung geplant, besteht kein Abmahnungserfordernis, wenn der Arbeitnehmer noch keinen allgemeinen Kündigungsschutz genießt.

Pflichtverletzungen im Leistungsbereich

Der Arbeitgeber muss dem Beschäftigten insbesondere bei Pflichtverletzungen im Leistungsbereich die Möglichkeit einräumen, das beanstandete Fehlverhalten zu ändern (BAG, Urt. v. 17.2.1994 – 2 AZR 616/93). Ein klassisches Beispiel  für einen abmahnungsrelevanten Sachverhalt im Leistungsbereich stellt der Fall dar, dass der Mitarbeiter seine Hauptpflicht – die Arbeitsleistung zu erbringen – verletzt, etwa indem er verspätet die Arbeit antritt oder Pausenzeiten ausdehnt.  Auch Störungen aus dem Bereich der vertraglichen Nebenpflichten können Gegenstand einer Abmahnung sein, z. B wenn ein Beschäftigter wiederholt Reisekosten- und Spesenabrechnungen nicht rechtzeitig einreicht oder  verspätet seine Arbeitsunfähigkeit anzeigt.

Im Bereich des sog. Low-Performings ist wiederum zu unterscheiden, ob die Schlechterleistung steuerbar ist, der Arbeitnehmer also besser könnte, wenn er denn wollte, oder ob er bereits sein Bestes gibt, aber dennoch unter  durchschnittlichen Standards zurückbleibt. Im ersten Fall kann der Mitarbeiter sein Verhalten steuern, so dass eine Abmahnung sinnvoll ist, im letzteren Fall ist sie dagegen nicht zielführend.

Pflichtverletzungen im Vertrauensbereich

Auch im Vertrauensbereich ist eine Abmahnung grundsätzlich erforderlich, wenn das Unternehmen ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers rügt und davon auszugehen ist, dass sich das Vertrauen wiederherstellen lässt (BAG, Urt. v.  10.6.2010 – 2 AZR 541/09). Dasselbe gilt, sofern der Mitarbeiter annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht pflichtwidrig bzw. der Arbeitgeber werde es nicht als so erheblich ansehen, dass es den Bestand des Arbeitsverhältnisses  gefährdet.

Beispiel

In der Praxis kommt hier insbesondere der Fall in Betracht, dass der Arbeitgeber den Beschäftigten zwar nicht ausdrücklich gestattet, den dienstlichen Internetanschluss privat zu nutzen, dies aber über längere Zeit auch nicht beanstandet.  Entstehen mangels verbindlicher betrieblicher Vorgaben derartige „Grauzonen“, wird sich der Arbeitnehmer selbst bei Beanstandungen im Vertrauensbereich regelmäßig mit Erfolg gegen eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung  wehren können, es sei denn, der Umfang der Nutzung hat derartige Ausmaße angenommen, dass vom Arbeitgeber schlechthin nicht mehr erwartet werden kann, dies hinzunehmen (BAG, Urt. v. 7.7.2005 – 2 AZR 581/04).

Bei eklatantem Fehlverhalten, wie Tätlichkeiten gegenüber Kollegen oder Bedrohungen, ist eine Abmahnung regelmäßig nicht erforderlich. Auch bei Vermögensdelikten gegenüber dem Arbeitgeber spricht viel dafür, sie als überflüssig anzusehen – allerdings werden in Fällen langer Betriebszugehörigkeit und einem „Bagatelldelikt“ die Interessen im Rahmen der Kündigung sorgfältig abzuwägen sein (so das BAG, Urt. v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, „Emmely”, vgl. Fuhlrott, ArbR Aktuell 2010, S. 541 ff., Ferme, a. a. O).

Personenbedingte Störungen

Bei personenbedingten Störungen des Arbeitsverhältnisses besteht kein Abmahnungserfordernis. Sie gehen nicht auf eine vom Willen des Arbeitnehmers getragene Handlung zurück, die er steuern kann. Es liegt somit auch nicht in seiner  Macht, den beanstandeten Zustand zu beseitigen. Praktisch relevant ist dies insbesondere bei Leistungsminderungen, die auf einer Abhängigkeit von Alkohol- oder Suchtmitteln beruhen. Dagegen können Einschränkungen der  Arbeitsleistung, die nur auf den Genuss von Alkohol- oder Suchtmitteln zurückgehen, als steuerungsfähige Tatbestände auch abmahnungsfähig sein (Hoppe/Fuhlrott, ArbR Aktuell 2010, S. 464 f.).

Praxistipp

Die Abgrenzung kann hier im Einzelfall schwierig sein. Die Frage, ob eine Abmahnung erforderlich ist, hängt davon ab, welcher der beiden Bereiche der Vertragsstörung im Einzelfall ihr Gepräge gibt. Aus Beratersicht ist eine Abmahnung in  derartigen Grenzfällen bereits aus Gründen der Vorsicht zu empfehlen.

3 Entbehrlichkeit einer Abmahnung

Die für eine Kündigung erforderliche negative Prognose, wonach sich das notwendige Vertrauensverhältnis nicht mehr wiederherstellen lässt, kann auch ohne vorherige Abmahnung gegeben sein, und zwar

– wenn das Fehlverhalten des Arbeitnehmers so schwer wiegend war, dass das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber bereits durch den einmaligen Vorfall zerstört ist,

– wenn der Mitarbeiter die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens wegen der Evidenz der Pflichtwidrigkeit kannte bzw. kennen musste oder

– wenn von vornherein feststeht, dass eine Abmahnung keinen Erfolg verspricht, z. B. weil der Beschäftigte uneinsichtig ist.

Dies ist regelmäßig bei hartnäckigen, bewussten Verstößen gegen Verhaltenspflichten der Fall. Dasselbe gilt, wenn der Arbeitnehmer eindeutig zu erkennen gibt, dass er sein Verhalten nicht zu ändern gedenkt. Ein weiteres Beispiel ist die  klassische „Selbstbeurlaubung“, bei der ein Mitarbeiter bereits im Vorfeld seine Arbeitsunfähigkeit „ankündigt“, falls ihm der Arbeitgeber nicht kurzfristig Urlaub gewährt.

4 Verwirkung und Entwertung der Warnfunktion

Ebenso, wie sich keine Regel für die Anzahl der für eine Kündigung erforderlichen Abmahnungen aufstellen lässt, besteht auch keine „Regelausschlussfrist“, innerhalb derer der Arbeitgeber auf ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers mit  einer Abmahnung reagieren müsste (etwa eine Zweiwochenfrist analog § 626 Abs. 2 BGB, wie vereinzelt in der Literatur vorgeschlagen wird). Im Einzelfall kann das Recht, ein beanstandungswürdiges Fehlverhalten abzumahnen, jedoch  verwirken. Dies ist der Fall, wenn 

– der Mitarbeiter sich nach der Pflichtverletzung während eines längeren Zeitraums pflichtgemäß verhalten hat und

– er aus den Umständen des Einzelfalls schließen darf, dass der Arbeitgeber auf die betreffende Pflichtverletzung nicht mehr mit einer Abmahnung reagieren wird (BAG, Urt. v. 16.9.2004 – 2 AZR 406/03, AuA 7/05, S. 440 f.).

Praktisch relevant wird diese Konstellation insbesondere, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigten zwischenzeitlich befördert hat.

Praxistipp

Vom Ausspruch einer Vielzahl von Abmahnungen wegen gleichartiger Pflichtverletzungen, denen keine Konsequenzen folgen, ist daher abzuraten. Ansonsten muss der Arbeitgeber in solchen Fällen die letzte Abmahnung, die der  Kündigung vorausgeht, besonders nachdrücklich formulieren, um dem Arbeitnehmer zu verdeutlichen, dass jede weitere gleichartige Pflichtverletzung unweigerlich zur Kündigung führen wird.

5 Inhalt und Form der Abmahnung

Die Abmahnung unterliegt keiner besonderen Form, sie kann auch mündlich erfolgen. Allerdings sollte der Arbeitgeber zu Beweis- und Dokumentationszwecken stets schriftlich abmahnen. Damit der Betreffende weiß, welche  Pflichtverletzung er ihm vorwirft, muss er außerdem dessen Fehlverhalten unbedingt genau bezeichnen, s. Checkliste.

Checkliste: Ordnungsgemäße Abmahnung

Hinweisfunktion: genaue Bezeichnung des Fehlverhaltens und des zugrunde liegenden Sachverhalts; keine Beschränkung auf Schlagworte Muster: „Am 10.1.2011 haben Sie Ihren Vorgesetzten, Herrn Müller, gegen 10.30 Uhr in dessen  Büro als „korrupt“ und „faul“ bezeichnet.“  Belehrungsfunktion: Mitteilung, dass das genannte Verhalten gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstößt und nicht geduldet wird; Darstellung des Inhalts der vertraglichen Pflicht, deren Einhaltung  der Arbeitgeber erwartet.

Muster: „Durch dieses Verhalten haben Sie Ihren Vorgesetzten in grober Weise beleidigt, indem Sie ihn als arbeitsscheu und käuflich beschrieben haben. Ebenfalls haben Sie den Betriebsfrieden durch Ihr Verhalten gestört. Sie haben die  arbeitsvertragliche Nebenpflicht, sich gegenüber Vorgesetzten, Kunden, Kollegen und Mitarbeitern nicht beleidigend zu äußern. Sofern Sie Kritik üben und/oder auf vermeintliche Missstände hinweisen wollen, haben Sie dies in einer  sachlichen und objektiven Art und Weise vorzunehmen, nicht aber durch die Verwendung von Beleidigungen.“

Warnfunktion: Hinweis, dass eine Wiederholung eines (gleichartigen) Vorfalls arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann; zur Klarstellung sollte man ausdrücklich benennen, dass diese bis hin zu einer außerordentlichen  Kündigung führen können.

Muster: „Wegen des vorgenannten Vorfalls (Beleidigung von Vorgesetzten/Betriebsangehörigen) sprechen wir Ihnen hiermit eine Abmahnung aus. Wir sind nicht bereit, das bezeichnete Fehlverhalten zu dulden. Im Falle der Wiederholung  des vorbenannten oder eines gleichartigen Fehlverhaltens müssen Sie mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zu einer außerordentlichen Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses rechnen.“

Anmerkung: Die Beleidigung eines Vorgesetzten kann – je nach den weiteren Umständen des Falls – auch bereits eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen.

6 Abmahnberechtigung und Sammelabmahnung

Zum Ausspruch der Abmahnung berechtigt ist jeder, der dem Abgemahnten gegenüber weisungsbefugt ist. Dies kann neben dem Disziplinarauch der Fachvorgesetzte sein. Die Abmahnungsberechtigung unterscheidet sich damit von der  Kündigungsberechtigung, die die Befugnis zur Abgabe einseitiger rechtsgeschäftlicher Erklärungen verlangt (also z. B. die Unterzeichnung der Kündigung durch den Personalleiter, Prokuristen oder den Geschäftsführer).

Zu beachten ist zudem die strenge Linie der Rechtsprechung bei sog. Sammelabmahnungen (LAG Hamm, Urt. v. 9.11.2007 – 10 Sa 989/07): Rügt der Arbeitgeber in einem Abmahnungsschreiben mehrere Pflichtverletzungen gleichzeitig  und beruht auch nur eine einzige auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung oder Tatsachenannahme, kann keiner der gerügten Vorwürfe aufrechterhalten bleiben. Die Abmahnung ist als Ganzes unwirksam.

Praxistipp

Arbeitgeber sollten isolierte Vorfälle daher unbedingt stets einzeln abmahnen. Sie riskieren ansonsten, dass bei formellen Fehlern bzw. unzutreffender Sachverhaltsdarstellung lediglich eines der Vorfälle die gesamte Abmahnung – also  auch hinsichtlich der weiteren Pflichtverletzungen – unwirksam ist. Schließlich erfüllt die Abmahnung ihren Zweck (Hinweis, Belehrung, Warnung) nur, wenn der Arbeitnehmer danach die Möglichkeit hat, sein Verhalten umzustellen. Von  daher ist davon abzuraten, Gründe „anzusammeln“.

7 Pflicht zur Abmahnung?

Eine Pflicht zum Abmahnen besteht grundsätzlich nicht. Nimmt der Arbeitgeber allerdings Verstöße des Arbeitnehmers regelmäßig hin, kann dies zu einer inhaltlichen Änderung des Arbeitsvertrags führen. Er sollte den Mitarbeiter daher –  jedenfalls bei leichten Verstößen – zumindest belehren oder ermahnen. Es genügt, wenn der Wille erkennbar ist, das vorgenommene Verhalten nicht zu dulden, auch wenn es im Einzelfall frei von arbeitsrechtlichen Konsequenzen  geblieben ist. Insoweit bietet es sich für den Arbeitgeber an, schriftlich von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen und damit den vertraglichen Pflichtenkreis  – nachweisbar – gegenüber dem Arbeitnehmer zu präzisieren. Darüber  hinaus ist auch bei Abmahnungen der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten:

Beispiel

Der Arbeitgeber mahnt A ab, nachdem er erstmalig fünf Minuten zu spät die Arbeit aufgenommen hat. Beim zweiten Mal kündigt er ihm. Der mit A vergleichbare B tritt einmal monatlich verspätet seinen Dienst an, ohne dass dies  Konsequenzen hat.

Hier kann die A erteilte Abmahnung – und damit die Grundlage der Kündigung – angreifbar sein (s. LAG Hamm, Urt. v. 13.2.2002 – 18 Sa 1510/01, AuA 11/02, S. 518 f.).

Wichtig

Eine Rechtspflicht zur Abmahnung kann sich aus der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht i. V. m. dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ergeben: Gemäß § 12 Abs. 3 AGG hat der Arbeitgeber bei Verstößen seiner Beschäftigten gegen die geregelten Diskriminierungsverbote die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen, wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung, zu ergreifen, um die Benachteiligung zu unterbinden. Bleibt der Arbeitgeber in Fällen diskriminierenden Verhaltens untätig, kann er sich gegenüber dem benachteiligten Arbeitnehmer schadensersatzpflichtig machen.

8 Gegenrechte des Arbeitnehmers

Dem Mitarbeiter steht das Recht zu, eine Gegendarstellung zu verfassen, die der Arbeitgeber zu den Personalakten nehmen muss, § 83 Abs. 2 BetrVG. Im mitbestimmten Betrieb kann er zudem den Betriebsrat bitten, zwischen ihm und  dem Arbeitgeber zu vermitteln, § 85 Abs. 1 BetrVG. Nicht möglich ist allerdings, dass das Gremium deshalb die Einigungsstelle gem. § 85 Abs. 2 Satz 2 BetrVG anruft. Es macht in diesen Fällen einen Rechtsanspruch, nicht aber einen  Regelungsanspruch geltend.

Wichtig

Das Verlangen, eine Abmahnung zu entfernen, unterliegt keinen Ausschlussfristen. Grundlage des Entfernungsanspruchs ist das arbeitnehmerseitige Persönlichkeitsrecht, das von Ausschlussfristen nicht umfasst wird. Praktisch  relevanter ist die gerichtliche Geltendmachung eines Beseitigungsanspruchs gegenüber dem Arbeitgeber. Dieser ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 611, 242, 1004 BGB. Er steht dem Arbeitnehmer zu bei

– formellen Fehlern,

– unrichtigen Tatsachen,

– einer fehlerhaften rechtlichen Bewertung seines Verhaltens sowie

– einer Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (BAG, Urt. v. 5.8.1992 – 5 AZR 531/91).

Das Arbeitsgericht kann die Abmahnung aber auch noch im Fall einer späteren Kündigung nach einer Rüge des Arbeitnehmers überprüfen (BAG, Urt. v. 13.3.1987 – 7 AZR 601/85). Daher macht es für einen Beschäftigten nur Sinn, einen  solchen Beseitigungsanspruch gerichtlich geltend zu machen, wenn er selbst plant, das Arbeitsverhältnis zu beenden, und im Hinblick darauf ein „gerichtlich moderiertes“ Trennungsgespräch erreichen möchte.

9 Fazit

Die Rechtsprechung tendiert zunehmend dahin, bei langjährigen Beschäftigungsverhältnissen auch bei erheblichen Pflichtverletzungen eine vorherige Abmahnung zu verlangen. Dies belegt, wie weit reichend die Bedeutung wirksamer  Abmahnungen ist. Arbeitgeber sollten Pflichtverletzungen daher konsequent abmahnen, um diese für einen etwaigen Wiederholungsfall zu dokumentieren und dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben, sein Fehlverhalten für die Zukunft  abzustellen. Hierbei sind die dargestellten Wirksamkeitserfordernisse einzuhalten, um eines abmahnungswürdigen Sachverhalts nicht aufgrund formaler Fehler verlustig zu gehen.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – 02/11