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Im Oktober 2013 führte der Gesetzgeber mit der Erweiterung des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG § 5) die Beurteilung psychischer Belastung am Arbeitsplatz explizit ein. Nach nun mehr als zwei Jahren sehen sich sowohl Geschäftsführer als auch Betriebsräte, Betriebsärzte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit sowie weitere gesundheitsverantwortliche Akteure im Unternehmen mit dieser neuen Aufgabe der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung konfrontiert. Die Veränderungen im Arbeitsschutzgesetz bilden den Grundstein für einen umfassenden betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz, der neue Möglichkeiten für die Gestaltung von humaner Arbeit eröffnet. Aufgrund der Aktualität und Komplexität der Thematik existieren allerdings kaum Handlungshilfen, die Musterprozesse zur Erfassung, Beurteilung und Prävention psychosozialer Risiken in der Arbeitswelt skizzieren.

Gesetzliche Pflicht vs. unternehmerisches Interesse

Die Herausforderung für Unternehmen besteht darin, eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung zufriedenstellend für die direkt betroffenen Mitarbeiter, Führungskräfte und Unternehmensleitung sowie die Spezialisten für Arbeitssicherheit zu gestalten und durchzuführen. Eine besondere Rolle spielen hierbei die Führungskräfte und Mitarbeiter. Deren Einschätzung als Experten für die zu beurteilende Arbeitstätigkeit beispielsweise mittels Fragebogen, Workshops oder Interviews erfasst werden. Zudem besteht die Möglichkeit, mittels objektiver Expertenverfahren, hierunter zählen u. a. Tätigkeitsanalysen oder teilnehmende Arbeitsplatzbeobachtungen, weitere Informationen zu gewinnen. Um ein möglichst genaues Bild der Belastungssituation im Unternehmen zu erhalten und Verzerrungen zu vermeiden, ist es empfehlenswert eine Kombination von objektiven und subjektiven Verfahren vorzunehmen. Diese umfangreiche Datenlage sollte jedoch auch um weitere unternehmensinterne Daten, wie beispielsweise Kranken- und Unfallzahlen, ergänzt und in die bestehenden Unternehmensstrukturen eingegliedert werden. Doch welche Instrumente und Methoden sind für die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung geeignet? 

Qualitätsmerkmale eines geeigneten Erhebungsinstruments zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen

Die Leitlinien der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (2012) beschreiben Mindestanforderungen der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung, jedoch werden spezifische Methoden und Instrumente nicht näher  benannt. Es steht hier eine Vielfalt an Methoden zur Verfügung (für einen detaillierten Überblick siehe Richter & Schütte, 2014). Im Rahmen der umfassenden Analyse sollten objektive (z.B. Arbeitsplatzbeobachtung) und subjektive Erhebungsmethoden (z.B. Befragung, strukturierte Interviews/Workshops) miteinander kombiniert werden. Denkbar ist auch eine Integration von bereits im Unternehmen vorhandenen Maßnahmen (z. B. Gesundheitszirkel).  Die Umsetzung im Betrieb ist eine Herausforderung in Kommunikation, Auswertung, Datenschutz und Ergebniskommunikation, die mit Hilfe eines externen Profis umgesetzt werden sollte (Wolf, Nebel-Töpfer, Zwingmann & Richter, 2014). Für Betriebe/Betriebsteile mit weniger als fünfzig Beschäftig­ten empfiehlt sich ein subjektives moderiertes Verfahren, zum Beispiel der DGUV-Ideentreff (DGUV Information 206-007) oder die moderierte Arbeitssituationsanalyse (ASITA). Gerade für Klein- und Kleinstbetriebe sind einfach zu handhabendes Screeningverfahren bereitstellt, das die Beschäftigten von der Analyse bis zur Maßnahmenableitung aktiv mit einbezieht. Eine Screening-Belastungsanalyse wie beispielsweise dem Screening Gesunde Arbeit (Buruck et.al, 2015) kann durchaus nach entsprechender Schulung durch Nicht-Psychologen erfolgen. Bedingungsbezogene Mitarbeiterbefragungen sollten jedoch in der Hand ausgebildeter Fachkräfte (Arbeits- und  Organisationspsychologen, Arbeitsmediziner und Fachkräfte für Arbeitssicherheit mit entsprechender Ausbildung) bleiben. Die meisten Anbieter stellen aktuell lediglich das Erhebungsverfahren – selten jedoch eine Begleitung über den gesamten Verlauf des Prozesses bereit. Das PREVA-Verfahren (www.preva-online.de) bietet die Begleitung des Unternehmens über den gesamten Prozess der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung – von der ersten Analyse bis hin zur Maßnahmenableitung und Evaluation an.

Eine lohnende Herausforderung

Die erste Umsetzung der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung stellt erfahrungsgemäß eine große aber nicht unmögliche und vor allem lohnende Herausforderung für Unternehmen dar. Bei Sicherstellung zeitlicher Valenzen für die eigenständige Planung, Umsetzung und Auswertung der Befragung sowie die Ableitung von entsprechenden Maßnahmen und – im ersten Schritt – externer Begleitung zur Nutzung von unternehmensübergreifenden Kenntnissen und Erfahrungen gelingt es schnell einen effektiven Prozess zu installieren und im Unternehmen zu verankern. Es konnte gezeigt werden, dass sich jeder Euro, den ein Unternehmen in betriebliche Präventionsarbeit investiert, in einem ökonomischen Erfolgspotenzial von 2,20 Euro auszahlt (Bräunig & Kohstall, 2013). Die drei bedeutsamsten Nutzenarten waren dabei der Wertzuwachs durch ein höheres Image,  gestiegene Motivation und Zufriedenheit der Beschäftigten sowie Kosteneinsparungen durch die Reduzierung von Ausfallzeiten und Betriebsstörungen. Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen kann somit nicht nur die Erfüllung gesetzlicher Pflicht sondern ein effektives und sinnvolles Instrument zur Organisationsentwicklung und damit Sicherung des unternehmerischen Erfolges sein.