Die große Beruhigung: Sie müssen nicht alles wissen und können
Treten wir doch einmal einen Schritt zurück. Und schauen genau hin. Von einem digitalen Hype können wir ohnehin nicht mehr sprechen – obwohl vielerorts die Unsicherheit damit geschürt wird. Manche haben das Gefühl, von den neuen Technologien und Entwicklungen „vor sich her getrieben“ zu werden. Andere beschreiben sogar eine Art „Ohnmachtsgefühl“. Es ist daher Zeit, der Herausforderung ins Auge zu blicken und uns zu positionieren. Wir sind nämlich schon mittenddrin im digitalen Zeitalter. Wir arbeiten schon längst mit digitalen Mitteln. Die Fragen ist längst nicht mehr „ob“, sondern „wie“: „Wie gehen wir damit um? Wie gut können wir Digitalisierung für unsere Unternehmen optimal nutzen? Was brauchen wir davon, was nicht?“
Gegen die allgemeine Verunsicherung: Auf die richtigen Fragen kommt es an
Digitale Technik, Kommunikation, Logistik, Produktion, Dienstleistung und Vertrieb führen angeblich zu einer „Disruption“ in der Berufswelt, der Gesellschaft, der Unternehmen. Natürlich. Jede Neuerung bringt zuerst Unruhe und Verunsicherung bevor eine neue Ordnung gefunden wird, man Neues integriert hat. Oder wie es Barbara Liebermeister in Ihrem im März 2017 erscheinenden Buch „Digital ist Egal“; Mensch bleibt Mensch – Führung entscheidet“ formuliert*: „Die Digitalisierung sorgt unter Führungskräften und Mitarbeitern gleichermaßen für Verunsicherung.“ Es drängen sich Fragen auf wie: “Wie sollen CEOs der analogen Generation es schaffen, den Anforderungen der neuen Kunden, der digitalen Transformation und der Mitarbeiter aller Generationen gleichzeitig gerecht zu werden? Können Innovationen nur noch von Digital Natives hervorgebracht werden? Müssen alle analogen Geschäftsführer ihren Hut nehmen und das Feld den Digital Natives überlassen? Kommen heute nur noch 20-30-Jährige als CEOs infrage? Oder muss sich jeder analoge CEO, jeder Digital Immigrant in einen digitalen CEO verwandeln?“
„Back to the roots“ – zurück zu den Wurzeln bevor Sie sich im digitalen Orbit verlieren
Berechtigte Fragen. Sie treffen jedoch nicht den Kern des Problems. Niemand verlangt von Ihnen, dass Sie sich von einem „analogen Geschäftsführer in eine digitale eierlegende Wollmilchsau verwandeln“. Schon immer hat es daher in unruhigen Zeiten geholfen, das große Ganze im Blick zu behalten und gründlich Inventur zu machen. In Bezug auf die Firma, auf sich, auf die Ist- und Soll-Situationen. „Auch eine „digitale“ Führungskultur kann nur von der einen grundlegenden Überlegung ausgehen: Was macht Führung aus?“
I. In Bezug auf die Firma könnten dazu passende Fragen lauten:
II. In Bezug auf die Unternehmerpersönlichkeit könnten die Kernfragen und Kernaufgaben heißen:
III. In Bezug auf den Ist-Zustand könnte man sich fragen, worin für Ihr Unternehmen die digitalen Herausforderungen bestehen könnten?
Nicht immer treffen alle Punkte, immer, zeitgleich, in gleichem Maße, und gleichermaßen, auf alle Branchen und alle Unternehmen, zu:
Mit den richtigen Kernfragen, -aufgaben und –kompetenzen den digitalen Herausforderungen begegnen
Gerade die unter I und II aufgeführten Punkte sind Fragen, die auch schon vor der Digitalisierung von Bedeutung waren – also mitnichten eine zusätzliche Aufgabe darstellen dürften.
Speziell in den Fokus setzen möchten wir Punkt II: Was macht also gute Führung aus?
Führen ist eine Haltung:
Führung gibt Sicherheit und Orientierung:
Nie war, so Barbara Liebermeister, „Führung so ausschlaggebend für Glück und Erfolg wie im digitalen Zeitalter. Weil angesichts der großen Unsicherheit darüber, was die digitalen Errungenschaften bei uns bewirken, von den Führungskräften vor allem eines erwartet wird: Orientierung, Halt und Sicherheit zu geben.“ Das entsprach zwar schon immer dem Wunsch von Mitarbeitern. Doch heute rückt diese Aufgabe nach ganz nach oben auf der Liste der Kernaufgaben von Führungskräften.
Die Kernerwartungen und Kernaufgaben von Führungspersonen lauten heute wie damals:
Führung ist Beziehungsarbeit
Führung von Menschen ist immer Beziehungsarbeit. Je stärker wir digital auseinanderdriften, umso wichtiger wird die Leitungsperson, die alle Fäden in der Hand hält, für Richtung sorgt und als Person real „greifbar“ ist.
Inspiration, Innovation und Motivation können nur durch Persönlichkeit und persönliche Interaktion entstehen. Bis heute erreicht man Menschen am ehesten als Mensch – und „mit emotionalen Botschaften, Visionen und Handlungsimpulsen“. Emotional erreichbar sind Menschen am ehesten, wenn vorher eine Vertrauensgrundlage geschaffen wurde. Diese entsteht jedoch aufgrund der Arbeitsweise unserer Gehirne im Wesentlichen auf analogem Wege. Das heißt: Wir brauchen Menschen, um Vertrauen aufzubauen. Die Beruhigung: Man wird Beziehung nie wegdigitalisieren können. „Für einen Menschen in operativer Verantwortung, für jedes Unternehmen gleich welchen Geschäftsmodells, für jeden Kontakt zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern kann das nur eines bedeuten: führen- jetzt erst recht.“
Führung ist analoge Kommunikation
Der Mensch ist ein soziales Wesen und durch seine im Laufe seiner sozialen Entwicklungsgeschichte, seiner Biologie und Sinne darauf angewiesen, seine Artgenossen persönlich wahrzunehmen – und nicht seine digital reduzierten Abbilder.
Mit 200.000 Jahren ist der Mensch noch eine verhältnismäßig junge Spezies. Warum wir so gut überlebt haben? Weil wir eine extrem hohe Form der Kommunikation und des sozialen Miteinanders entwickelt haben und Instinkte, mit denen wir versuchen, unserer Existenz größtmögliche Überlebenschancen und Sicherheit abzugewinnen. Auch der Homo digitalis kann sich dieser prähistorischen Grundmuster und biologischen Grundlagen nicht entziehen.
Der analoge homo sapiens im digitalen Zeitalter
Während einer Kommunikation unterziehen wir, bewusst oder unbewusst, unser Gegenüber einer strengen Prüfung, ob wir ihm oder ihr vertrauen können: Mimik, Gestik, Stimmlage, Haltung – für einen einigermaßen gut sozialisierten Durchschnittsmenschen bergen sie eine Vielzahl an Eindrücken, Reizen und Signalen, die jedoch von jeglicher Form digitaler Übertragung entweder gar nicht mehr oder nur noch abgeschwächt oder verzerrt dargestellt werden. Wer sich selber einmal am Telefon gehört hat, oder bei einer Videokonferenz sein Bild gesehen hat weiß, dass dabei viele Feinheiten und Signale verloren gehen. Das Gefühl, das Sie dabei beschleicht; „Das bin nicht ich“ – entspricht auch dem Urteil des Gesprächspartners am anderen Ende der Leitung, dann nämlich, wenn Signale, Botschaften nicht kongruent sind –und damit nicht authentisch wirken. Nicht authentisch zu wirken ist jedoch gleichbedeutend mit: nicht vertrauenerweckend. „Alle unsere Sinne können wir nur zuverlässig einsetzen, wenn das Gegenüber real vor uns sitzt“
Jede wichtige digitale Beziehung erfordert eine analoge Grundlage
Die Welt rückt über die digitalen Medien immer näher zusammen. Doch fragt man HR-Profis, die international arbeiten und Expats betreuen, wird deutlich, dass man trotz Videokonferenzen, Skype und Email trotzdem um die „Einplanung von Reisekosten nicht herum komme“. Warum? Weil Mitarbeiter auch im digitalen Zeitalter nicht ausschließlich virtuell und digital geführt werden können. Gerade unterschiedliche kulturelle Eigenheiten erlernt man am besten analog. Die persönliche Beziehung muss real gepflegt werden. Interessanterweise, wird das in gleichem Maße von den sogenannten „Digital Natives“ der Generationen Y und Z eingefordert, wie die Autorin die Zusammenarbeit mit den überall auf der Welt lebenden Projektteilnehmern des „Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ) “ in Frankfurt beschreibt. Die „virtuellen Praktikanten“, mit denen zu 90% auch virtuell kommuniziert wurde, wollten sich sehr schnell auch ein persönliches Bild von ihren Professoren machen können und waren die ersten, die darauf hinwiesen.
Führung verbindet Generationen
Im Extremfall vereint Ihr Unternehmen unter seinem Dach vier bis fünf Generationen, von der Nachkriegsgeneration bis zum jüngsten Auszubildenden. Alle sind unter anderen technischen Lebens- und Arbeitsbedingungen aufgewachsen. Hier eine echte Brücke zu schlagen, um diese Mitarbeiter mit ihren unterschiedlichen Erwartungen, Erfahrungen – aber auch gegenseitigen Vorurteilen – wirklich an einen Tisch zu bringen, ist eine der größten Aufgaben moderner Führungskultur. Dabei betont die Autorin von „Digital egal“ auf Nachfrage: „Häufig wird von einer „Unverbindlichkeit“ der jungen Generation gesprochen. In Wirklichkeit wünscht sich diese genauso verbindliche Verhältnisse, Zuverlässigkeit und Absprachen, wie andere auch. Sie müssen sich Wissen und Kompetenzen in Bezug auf digitale Medien häufig genauso erarbeiten wie wir, obwohl sie damit aufgewachsen sind. Digital Native heißt nicht automatisch immer zu 100% digital versiert und sollte nicht auf diesen einen Aspekt reduziert werden.“
Geht es Ihnen auch so? Vor lauter Generations-Definitionen verliert man langsam den Überblick, daher haben wir für Sie hier eine kleine Liste zusammengestellt – inspiriert durch die Liste auf absolventa.de:
Führung heißt, das Spiel aller mit dem richtigen Team in Richtung Zukunft und Ziel voranzutreiben
Ob von Handarbeit auf maschinelle Produktion oder ob von Handsteuerung auf Automation umgestellt wurde: „Schon immer war es so, dass jene CEOs und Führungskräfte die erfolgreichsten waren, die die Mitarbeiter vergleichbar einer Fußballmannschaft optimal aufstellten. Das heißt: jeden Spieler entsprechend seiner Fähigkeiten. Alle zusammen ergeben ein schlagkräftiges Team“ (aus: Digital ist egal, Mensch bleibt Mensch – Führung entscheidet“)
Führung heißt daher schon immer, die richtigen Personen mit genau jenen Fähigkeiten zusammenzubringen und zu einem funktionierenden Team zu machen, die notwendig sind, um das Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen und ein spezielles Ziel zu erreichen. In Zeiten der Digitalisierung, die zunehmend inhomogene Mitarbeiterkollektive, Arbeitszeiten, Arbeitsbedingungen und wechselnde anspruchsvolle Aufgaben mit sich bringt, ist diese klassische Führungskompetenz gefragter denn je.
Für analoge Führungskräfte bedeutet das u.a.: Ich brauche einen vernünftigen Anteil an Digital Natives in meinem Unternehmen, meiner Abteilung, meinem Team. Ich muss die „Denke“, das digitale Spezialwissen, das Handling der digitalen Medien nicht selber zu 100% beherrschen, aber ich brauche an Schlüsselstellen solche, die es tun.
Für Führungskräfte aus der Generation Y heißt das ebenfalls: Ich muss die richtigen Fähigkeiten in meinem Team zusammenspannen – um das Bestmögliche für die Firma und alle Beteiligte herauszuholen. Gegenseitiger Respekt, gegenseitiges Verständnis, Nachsicht und Einsicht sind für alle Beteiligte notwendig.
Fazit:
Die Erfolgsformel moderner Führungskultur kann heißen: Offenheit plus Augenmaß = gute Ausgangsposition. Digital Immigrant plus Digital Native = gut aufgestellt für die Zukunft. Die Generationen in den Unternehmen müssen sich zusammentun und voneinander lernen. Persönlichkeit lässt sich nicht digitalisieren. Setzen Sie auf Ihre persönlichen Stärken und Ihre Stärken als Führungskraft. Analog führen ist so wichtig wie noch nie. Und setzen Sie auf Diversity und die Stärken Ihrer Mitarbeiter. Setzen Sie auf das Teilen von Wissen – vor einseitigem Protektionismus. Setzen Sie auf lebendige Netzwerke und die richtige Mischung aus analoger wie virtueller Kommunikation. Früher wie heute heißt das: Die Dosis macht das Gift – und die Mischung macht’s.
Quellen und Buchempfehlung:
DIGITAL IST EGAL
Mensch bleibt Mensch – Führung entscheidet
von Barbara Liebermeister, Gabal Verlag, Erscheinungstermin: März 2017 (* alle Original-Zitate im Text kursiv)
Printausgabe, ca. 260 Seiten, Hardcover, ca. EUR 24,90 (D), 25,60 (A), ISBN 978-3-86936-750-7
E-Book (E-Pub), ca EUR 20,99 (D), 20,99 (A), ISBN 978-3-95623-554-5
E-Book (PDF), ca EUR 20,99 (D), 20,99 (A), ISBN 978-3-95623-453-8