Als der Vorstand der Union Asset Management Holding AG im Jahr 2004 die Unternehmensstrategie für die Union Investment Gruppe neu formulierte, wurde vom Bereich Konzern-Personal eine umfassende Personalstrategie entwickelt und verabschiedet, um mittel- bis langfristig den qualitativen sowie quantitativen personellen Anforderungen zur Strategieumsetzung gerecht werden zu können. Die „Einrichtung einer leitbildorientierten Führungskultur“ wurde neben einer Reihe weiterer Personal-Strategiebausteine als ein zentraler Baustein verankert.

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Foto von Scott Graham

Zur operativen Umsetzung wurde daraufhin der langfristig angelegte Prozess „Führung gestalten“ konzipiert und gestartet, dem eine ausführliche interne Befragung von Führungskräften aller hierarchischen Ebenen vorausging. Gestaltet und begleitet wurde der Prozess, für den der Vorstand der Union Asset Management Holding AG hauptverantwortlichwar, durch den Bereich Konzern-Personal. Phasenweise wurde ein externer Moderator hinzugezogen sowie eine Kommunikationsagentur mit redaktionellen und gestalterischen Aufgaben betraut.

Zielsetzung von „Führung gestalten“

Bei Union Investment sollte eine nachhaltige Führungskultur geprägt und fest verankert werden, die die Unternehmensstrategie und damit die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens positiv untermauert und an der sämtliche Führungskräfte mit Überzeugung ihr Führungshandeln ausrichten. Um dieses Ziel zu erreichen, führten die anfänglichen Überlegungen zu folgenden Kriterien, die als erfolgsrelevant eingeschätzt wurden:

  • Das Thema „Führung gestalten“ wird langfristig angelegt und hat als Prozess eine hohe Priorität, es zählt nicht allein das Ergebnis. Die Konzeptions- und Einführungsphase beinhaltet gleichzeitig wesentliche Teile der Umsetzung.
  • Sämtliche Führungskräfte werden permanent in den Prozess einbezogen. Die Ergebnisse der Führungskräfteworkshops werden dem Vorstand regelmäßig widergespiegelt und umgekehrt („Gegenstromverfahren“).
  • Der Prozess verläuft diskursiv und wird ergebnisoffen gestaltet. Inhalte und Prozess werden nicht top-down vom Management oder von einer Projektgruppe vorgegeben. Eine Erkennbarkeit der eigenen Beiträge der Führungskräfte im späteren Ergebnis soll gewährleistet werden.
  • Erst wenn alle rund 200 Führungskräfte der Union Investment Gruppe über ein gemeinsames Verständnis von Führungshandeln verfügen und ihren eigenen Gestaltungsrahmen kennen und leben, kann das Ziel als erfolgreich umgesetzt angesehen werden.

Ausgestaltung im „Gegenstromverfahren“

Das Top-Management prägt die Führungskultur entscheidend. Der Prozess „Führung gestalten“ fand deshalb seinen Auftakt, indem die fünf Mitglieder des Holding-Vorstands in einer durch den Bereichsleiter Konzern-Personal einberufenen und moderierten Klausurtagung ihreWertevorstellungen und deren Bedeutung für die Führungskultur bei Union Investment diskutierten. Ergebnis war ein umfassendes Wertegerüst. In einem nächsten Schritt erarbeitete der Vorstand eine Verknüpfung des ausgearbeiteten Wertegerüstes zum Unternehmensleitbild – die 60 Werte werden unter anderem den drei zentralen Leitbildbegriffen (Professionalität, Partnerschaftlichkeit, Zukunftsfähigkeit) zugeordnet. Gleichzeitig wurde die Bedeutung der einzelnen Werte für die Erreichung der strategischen Ziele hinterfragt, um auch den Bezug zur Unternehmensstrategie zu berücksichtigen.

In einem zweiten Schritt wurden die Mitglieder des erweiterten Führungskreises eingeladen, sich in insgesamt drei Workshops mit dem vom Vorstand erstellten Wertegerüst auseinanderzusetzen. Um bereits im Vorfeld eine intensive Auseinandersetzung mit den Werten zu erreichen, erhielten alle Beteiligten ein eigens erarbeitetes Handbuch zur Vorbereitung.

Ziel der Workshops war es, zwischen den Führungskräften einen strukturierten Dialog zum Thema Führungskultur zu initiieren. In kleinen Arbeitsgruppen zu den Themenfeldern Professionalität, Partnerschaftlichkeit und Zukunftsfähigkeit wurden die 60 Werte priorisiert (siehe Abbildung 1). Die Aufgabenstellung an die Führungskräfte ist zweigeteilt:

  • Sie sollten die aus ihrer Sicht wichtigsten Werte für den Führungsalltag auswählen.
  • Sie sollten danach bewerten und begründen, welche Auswirkungen diese in der täglichen Führungsarbeit haben und dies miteinander diskutieren.

Ziel war es auch, den umfangreichen Wertekatalog durch Komprimierung besser umsetzbar zu machen. Durch einen Wechsel der Arbeitsgruppen nach jeder Sequenz kamen unterschiedliche Gesprächskonstellationen zustande. In den Workshops wurden alle Diskussionsbeiträge in elektronischen Mindmaps protokolliert. Einerseits stand dadurch nicht nur umfangreiche inhaltliche Aussagen für den weiteren Ausgestaltungsprozess zur Verfügung, sondern es wurde gleichzeitig ein hoher Grad an Struktur erreicht.

Abbildung 1: Ablauf der Workshops

Alltagstaugliche Form

Die Workshopergebnisse zeigten bereits ausgeprägte Übereinstimmung zwischen den Mitgliedern des erweiterten Führungskreises, so dass sich 19 Kernwerte als elementar in ihrer Bedeutung für die Führungskultur von Union Investment herausfiltern ließen. Diesen Kernwerten stimmte der Vorstand in vollem Umfang zu und erteilte den Auftrag, auf dieser Basis den Prozess „Führung gestalten“ weiter voranzutreiben.

Nun war es der gemeinsame Anspruch von Vorstand und Führungskreis an den Bereich Konzern-Personal, diese Kernwerte und das in den Workshops dokumentierte, angestrebte Führungsverhalten in eine alltagstaugliche griffige Form zu bringen. Zur Unterstützung wurde in dieser Projektphase eine externe Kommunikationsagentur eingeschaltet. Für die Verdichtungsphase galt die strenge Maxime: Die Führungskräfte müssen ihre Beiträge wieder finden können, um die Akzeptanz und das Commitment für die Umsetzung zu erhalten. Es entstanden sieben einprägsame Botschaften. Dabei umfasst jede Botschaft mehrere Kernwerte. Zusätzlich wird in einer Textversion jede Botschaft erläutert und beschrieben, wie die Führungskultur gemäß den sieben Botschaften aktiv gelebt und im Führungsalltag umgesetzt wird (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Gesamtprozess „Führung gestalten“

Einbindung aller Führungskräfte

Auf einem eigens dafür einberufenen Führungskräftetreffen präsentierte der Holding Vorstand den anwesenden Führungskräften des erweiterten Führungskreises die erarbeiteten sieben Führungsleitlinien. Ausgehend von ihrer persönlichen Biografie erläuterten sie, warum ihnen die Botschaften und die zugrunde liegenden Werte besonders am Herzen liegen. Die Vorstandsmitglieder unterstrichen damit eindrucksvoll ihre persönliche Überzeugung und bekannten sich zu den Führungsleitlinien. Ergebnis war ein Commitment von Vorständen und Führungskräften zur Umsetzung und Einhaltung der Führungsleitlinien.

Daran anschließend begann eine weitere wichtige Phase von „Führung gestalten“. Auch die Führungskräfte unterhalb der Ebene des engeren Führungskreises (Abteilungsleiter, Gruppenleiter) wurden in den Prozess einbezogen. Dafür wurde eine kaskadenartige Vorgehensweise gewählt: Die jeweiligen Vorgesetzten dieser Führungskräfte führten selbstständig in ihrem Verantwortungsbereich Workshops unter dem Motto „Führung gestalten“ durch.

Für diese Aufgabe wurden sie intensiv vorbereitet. Sie nahmen an einer speziellen Moderatoren-Kurzschulung teil, in der sie mit dem Format der Veranstaltung vertraut gemacht wurden. Zusätzlich wurden sie mit einem entsprechenden Durchführungsset ausgestattet, das eine ausführliche Anleitung, eine Vorbereitungs-Checkliste, Vorbereitungshandbücher für die Teilnehmer sowie einen vorbereiteten (bedruckten) Flipchart-Satz und sämtliches erforderliches Moderationsmaterial beinhaltete. Zusätzlich wurde das Angebot gemacht, die Veranstaltung durch einen Referenten der Personalentwicklung zu begleiten.

Kommunikation und Verankerung

 

In den folgenden Monaten diskutierten die Führungskräfte in kleinen Arbeitstreffen intensiv mit ihren Vorgesetzten über die Bedeutung und Umsetzung der Führungsleitlinien im eigenen Bereich. In jeder Phase von „Führung gestalten“ wurden die jeweils beteiligten Führungskräfte mittels eines standardisierten Feedbackformulars durch die Personalentwicklung zu ihren Erfahrungen und Einschätzungen befragt. Gleichzeitig bestand über diesen Weg die Möglichkeit, Vorschläge für die weitere Prozessgestaltung zu machen. Die verdichteten Feedbackergebnisse wurden an den Vorstand zurück gemeldet und Hinweise wurden diskutiert.

Um die Bedeutung des Themas „Führung gestalten“ zu unterstreichen, nahm der Vorstand die Kommunikation an die Mitarbeiter persönlich vor. Er berichtete allen Mitarbeitern der Union Investment Gruppe in vier Veranstaltungen über den Prozess „Führung gestalten“ und stellte die Führungsleitlinien sowie deren Bedeutung für das Unternehmen vor. Parallel dazu wurde ein Intranetauftritt zum Thema freigeschaltet, in dem detaillierte Informationen abgerufen werden können.

Die Führungskräfte wurden aufgefordert, ihren Mitarbeitern im Nachgang ergänzende Erläuterungen zu geben und sich möglichen Fragen oder kritischen Hinweisen zu stellen. Insbesondere hatten sie die Aufgabe, mit den Mitarbeitern die in den Workshops auf Grundlage der Führungsleitlinien erarbeiteten, konkreten Vorhaben in Bezug auf die Gestaltung des Führungsverhaltens zu besprechen.

Um die Nachhaltigkeit des Prozesses „Führung gestalten“ zu gewährleisten und die werteorientierte Führungskultur dauerhaft im Unternehmen zu verankern, wurden sämtliche bei Union Investment implementierten Personal- und Führungsinstrumente hinsichtlich ihres Einflusses auf die Führungskultur analysiert. Auf dieser Grundlage wurde entschieden, ob Anpassungen der Instrumente erforderlich waren und ob gegebenenfalls weitere Instrumente zur Förderung des Prozesses erforderlich sind. Daneben wurde der Prozess „Führung gestalten“ durch eine Reihe kommunikativer Maßnahmen gestützt. Dazu wurde eine Symbolik entwickelt, die die Aussage jeder einzelnen Botschaft unterstreicht und sie prägnant und einprägsam bebildert.

„Führung gestalten“ hat die Führungskräfte bei Union Investment bewegt und geprägt – die Führungskultur spürbar verändert. Fragt man sich rückblickend nach den Faktoren, die diesen nachhaltigen Erfolg ausmachen, gibt es insbesondere folgende zu nennen: Aktive Gestaltung durch alle Führungskräfte statt „top-down“ Vorgabe, Ausgestaltung der Führungsleitlinien im „Gegenstromverfahren“ (Vorstand und Führungskräfte), spannende und abwechslungsreiche Methodik und nachhaltige Implementierung unter Berücksichtigung des gemeinsam erarbeiten Wertegerüsts.

Autoren:

Oliver Best,

Generalbevollmächtigter und Bereichsleiter, Konzern-Personal Union Investment

Sven Torge Kerl,

Leiter Personalentwicklung, Union Investment

Quelle: Personalwirtschaft 12/2007