Führen mit Werten in der Krise –
Steigerung der Führungsperformance durch Werteorientierung
von Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel
Je stärker die Skandale, desto lauter der Ruf nach ethischer Unternehmensführung. Oft hat dieser Ruf einen leicht verzweifelten, sogar ungläubigen Beigeschmack, so als ob gar nicht glaubhaft gemacht werden könne, dass ethische Unternehmensführung möglich ist- und wenn, schon gar nicht in der Krise.
Unternehmensethik wird dann zum Thema für das Feuilleton, aber nicht zum integralen Bestandteil von Unternehmensführung. Aber sollte das überhaupt der Fall sein? Und wenn ja, wie soll das gehen? Und gar erst in der Krise?
Fakt ist, dass die heutige Generation von Unternehmenslenkern ihr betriebswirtschaftliches Studium zu einer Zeit absolviert hat, als Unternehmensethik nicht einmal ein Wahlfach war. Ethik galt als Thema für Philosophen und Theologen.
Der Einbruch der Forderung nach werteorientierter Unternehmensführung kam für diese Generation von außen, als schwer kalkulierbare Zumutung unter vielen anderen. Statt nach der systematischen Durchdringung ethischer Sachverhalte in der Wirtschaft zu fragen, wurde regulatorisch reagiert: Einerseits durch Gesetze zur Corporate Governance, andererseits durch die Schaffung von Abteilungen zur unternehmensinternen Compliance. Schon grundsätzlich kann dadurch allenfalls dokumentiert und kontrolliert werden, ob dem Buchstaben des Gesetzes Genüge getan wird. Werteorientierte Unternehmensführung geht aber darüber hinaus. Sie erfordert insbesondere Arbeit im Bereich der Unternehmensstrategie und der Unternehmenskultur.
Werteorientierte Unternehmensführung kann nämlich nicht einfach an die Personalabteilung delegiert werden. „Sorgen Sie mal für die Ausarbeitung eines Leitbilds und von so ein paar ethischen Richtlinien!“, so der Arbeitsauftrag eines Unternehmensleiters zu seinem obersten HR Manager.
Egal wie kompetent der Angesprochene seinen Auftrag erfüllt, werteorientierte Unternehmensführung sieht anders aus. Werte werden dann nicht als „auch noch“ zu berücksichtigende Aufgabe des Managements, als eher lästige oder allenfalls interessante Nebenbeschäftigung gesehen, sondern als entscheidender Strategiebestandteil und echte Managementaufgabe.
Ausgangslage dieser Auffassung ist die Sicht des Unternehmens als ein sozialer Organismus, der durch bestimmte Werte-Impulse des oder der Gründer geprägt ist und die Identität des Unternehmens bestimmt.
Jedes Unternehmen hat seine eigene Wertelandschaft, verhält sich förderlich und unterstützend gegenüber bestimmten Verhaltensweisen, restriktiv und strafend gegenüber anderen. Diese „Wertelandschaft“ eines Unternehmens spiegelt sich in seiner Wertekultur, und jeder „Neue“ im Unternehmen wird mit dieser impliziten und expliziten Wertekultur vertraut gemacht. Trotz ihres funktionalen Nutzens gehen Werte dabei in diesem Nutzen nicht auf, sondern fundieren Handlungen über eine rein funktionale Betrachtung hinaus.
Die unternehmerische Wertekultur muss von jeder Führungskraft „entdeckt“ und respektiert werden. Sie ist zunächst etwas, was vorgefunden wird. Das bedeutet aber nicht, dass sich Unternehmenskulturen nicht ändern könnten oder ändern würden. Äußere Anforderungen – wie etwa die gegenwärtige Wirtschaftskrise – oder die Rückwirkung durch das Verhalten der Menschen an der Unternehmensspitze geben Anstöße, die eine solche Wertekultur zu einer dynamischen Entwicklungsgröße werden lässt.
Meistens geschieht dies auf der eher unbewussten Ebene. Ein Beispiel: In einem großen Konzern galt das implizite Gebot der Unternehmenskultur „Wer hier einen Arbeitsplatz hat, braucht sich keine Sorgen mehr zu machen; er hat ausgesorgt.“ Als im Zug der Krise betriebsbedingte Kündigungen nötig wurden, auch bei Führungskräften, löste dies einen Schock aus, denn es wurde eine Art „psychologischer Vertrag“ aufgekündigt.
Treffen mehrere solche Schocks zusammen, führt dies zu Störgefühlen bei den Mitarbeitern, und es kommt zu Äußerungen wie etwa der folgenden „Dieses Unternehmen ist nicht mehr so, wie es war. Natürlich mache ich weiterhin meine Arbeit, aber ich empfinde nicht mehr die gleiche Loyalität wie in den Jahren zuvor.“
Nun ließe sich argumentieren, Kündigungen seien ja grundsätzlich unangenehm für alle Beteiligten, und Schadwirkungen ließen sich nicht vermeiden. Diese Überlegung greift aber zu kurz. Es ist nämlich sehr gut möglich, die Auswirkungen einer Krise auch kommunikativ in das Führungshandeln einfließen zu lassen.
Dies setzt allerdings bewusstes Management auf allen Führungsebenen, besonders aber in der Top-Ebene voraus. Es geht darum, sich über die Spitzenwerte des Unternehmens zu verständigen, die die Identität des Unternehmens ausmachen und diese Werte auf ihren Strategiebeitrag hin zu würdigen. Wenn in einem wettbewerbsintensiven Technologieunternehmen die Werte „Zuverlässigkeit, Kundenloyalität, Leistungsfreude“ an der Spitze stehen, so wird ein Führungsteam würdigen müssen, in welcher Weise diese Werte auf die Strategie des Unternehmens einzahlen und ob sie ergänzt und weitergeführt werden müssen – etwa durch den Wert „Innovation“. Reflektiert ein Führungsteam die aktuelle Bedeutung der eigenen, wesentlichen Werte, dann wird es auch gelingen, nötige Maßnahmen auf die eigenen Werte hin auszulegen. „Wenn wir unsere Kosten nicht in den Griff kriegen und wir unsere Lieferanten nicht pünktlich zahlen können, dann leidet unser Ruf der Zuverlässigkeit -und das ist doch einer unserer Spitzenwerte!“
Die Auslegung der Spitzenwerte eines Unternehmens durch Vorstand und Geschäftsleitung ist in sich eine kommunikative Handlung. So forderte ein mittelständischer Geschäftsführer einige Wochen nach der Anschaffung seines neuen Dienstwagens eine Kürzung des Urlaubsgelds. Als Kommunikation kam an „Geld für neue Autos haben die, aber an uns soll gespart werden“. Dem Geschäftsführer war dieser Zusammenhang gar nicht bewusst geworden; schließlich war ja sein Leasingvertrag abgelaufen gewesen…
Führen mit Werten in der Krise bedeutet daher:
Das Führungsteam reflektiert den Wert der wesentlichen Werte der Unternehmenskultur, gerade auch im Blick auf die Unternehmensstrategie. Es sucht auch bei schwierigen Entscheidungen den Rückbezug zu diesen Werten. Die Auslegung von Werten in Worten und Taten ist Teil der Führungskommunikation. Neue Situationen erfordern eine Weiterentwicklung der „Bedeutung“ bestimmter Werte für ein Unternehmen: Führungsimpulse dazu sollen und dürfen vom Management ausgehen!
Werteorientierte Unternehmensführung ist daher nicht statisch, sondern ein dynamischer, lebendiger Entwicklungsprozess, der dazu auffordert, die im Unternehmen gelebten Werte immer wieder zu überprüfen und sie bei Bedarf zu erneuern!
» Herr Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel vom Institut für Sozialstrategie ist Referent bei atunis im Bereich Führungskräfteentwicklung. Erleben Sie Herrn Hemel und andere hochkarätige Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft auf unseren atunis Gipfelgesprächen 2009 am 08. Oktober im Hotel „Zum Feurigen Tatzlwurm“ in Oberaudorf.
atunis begleitet Unternehmen und deren Führungskräfte bei der Ausrichtung ihres Unternehmens auf ein
werteorientiertes Management. Dabei sind wir kompetent, die drei Aufgabenstellungen zu erfüllen:
1. Die Verankerung der Werteorientierung im strategischen Management der Unternehmen. (Leitbild-
entwicklung, Führungskulturentwicklung, Kulturanalysen, Nachhaltigkeitsprojekte)
2. Die Durchführung von Projekten in der Unternehmensentwicklung (Unternehmensführung,
Organisationsentwicklung, IT Value Management, Marketing und Vertrieb) unter Anwendung der werteorientierten Methoden zur Erhöhung der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit dieser Projekte.
3. Die Steigerung der Führungsperformance von Führungskräften/Managern durch den
verantworteten Umgang bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben.
Dem Anspruch der Werteorientierung folgen wir auch selbst, sowohl in unseren Beratungsprojekten, in der Führungskräfteentwicklung als auch in unserer eigenen Unternehmensführung.