Auslandseinsätze scheitern meist an Kommunikationsproblemen: So wundert sich ein deutscher Manager unter Umständen darüber, dass der französische Kollege seinen Auftrag wochenlang nicht erfüllt. Schließlich hat er ausdrücklich auf die Dringlichkeit des Projekts hingewiesen. Die Führungskraft fühlt sich nicht ernst genommen und befürchtet, an Autorität einzubüßen.

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Foto von Thomas Martinsen

Was der Manager nicht weiß: Da Franzosen meist sehr emotional kommunizieren und handeln, benutzen sie das Wort „urgent“ häufig, um die Aufmerksamkeit anderer auf sich zu ziehen. Im Berufsleben ist es deshalb nicht immer leicht, zu unterscheiden, was wirklich wichtig ist. Hätte der deutsche Manager dies gewusst, wäre er in der Lage gewesen, die Dringlichkeit seines Anliegens anders zu verdeutlichen: zum Beispiel durch „management by walking around“, indem er wiederholt im Büro des Kollegen vorbeigeschaut und sich über den Fortgang des Projekts erkundigt hätte.

Lückenhafte Kenntnisse der Sprache, der Kultur und der lokalen Geschäftsgepflogenheiten führen oft dazu, dass Expats viel Zeit und Energie in Abwehrmechanismen stecken. Im Extremfall scheitert der Auslandsaufenthalt.

Personalverantwortliche können die Erfolgsquote der Entsendungen steigern, indem sie …

  • bei der Personalauswahl nicht nur auf die fachliche, sondern auch auf kulturelle Kompetenzen achten,
  • den Entsandten qualifizierte einheimische Mitarbeiter zur Seite stellen, die als Dolmetscher und Kulturvermittler tätig sind, und
  • interkulturelle Trainings anbieten, die auf die Mitarbeiter individuell eingehen.

Für eine optimale Vorbereitung sollten die interkulturellen Trainings frühzeitig vor dem Auslandsaufenthalt beginnen und die Familie des Expatriate mit einbeziehen. Da sich viele Probleme erst im Gastland stellen, sollten Mentoren die Entsandten während des Aufenthaltes begleiten. „Auffrischungstage“ oder regelmäßige Coachinggespräche – per Telefon oder vor Ort – helfen, die neue Kultur besser zu verstehen.

Trainingskonzepte im Wandel

Die Konzepte für interkulturelles Training haben sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gewandelt. In den 80er Jahren fassten die „Rezepte“-basierten Trainings à la How-to-do-business-with-the-Japanese, aus den USA kommend, auf dem europäischen Trainingsmarkt Fuß. Dank der wissenschaftlichen Interkulturalitätsforschung der 90er Jahre, aber auch aufgrund der steigenden Nachfrage nach fundierteren Trainings wuchs das Angebot an Seminaren, die nicht nur das „Wie“, sondern das „Warum“ in den Vordergrund stellen und ein Verständnis für die jeweilige Kultur schaffen.

Ein Amerikaner, der weiß, dass den Mexikanern ihre nationalen Symbole heilig sind, spricht nicht scherzhaft über Montezumas Rache – auch wenn er ihr gleich nach Ankunft im Land zum Opfer gefallen ist. Ein deutscher Chef schimpft nicht über den Franzosen, der nie im Büro zu erreichen ist, wenn er die Bedeutung des informellen Informationsaustausches in der französischen Geschäftswelt kennt. Er wird das Verhalten seines Kollegen vielleicht sogar manchmal nachahmen – und damit bei seinen französischen Partnern eher zum Ziel kommen. Gute Theorie, schwierige Praxis! Es ist nicht einfach, in einem ein- oder mehrtägigen Seminar nachhaltige Verhaltensänderungen anzustoßen. Wir haben gelernt, ein bestimmtes Verhalten als „gut“, ein anderes als „schlecht“ zu bewerten. Diese Schemata sind zum Teil kulturgeprägt.

Trend zur Individualisierung

Doch auch Erziehung, Ausbildung und andere soziale Faktoren haben Einfluss auf unsere Ansichten und unser Verhalten. Deshalb ist jeder Mensch einzigartig. So werden einige Deutsche als sehr italienisch wahrgenommen, ebenso wie manche Italiener scheinbar typisch deutsche Verhaltensweisen an den Tag legen. Traditionelle Trainings berücksichtigten diese individuellen Unterschiede oft nur unzureichend – und hatten deshalb weniger praktischen Effekt als erwartet: Die Teilnehmer erhöhten zwar ihr Wissen über die fremde Kultur, aber sie gerieten aufgrund ihrer persönlichen Verhaltensmuster dennoch in interkulturelle Konflikte.

Neuere Trainingsansätze stellen den Menschen in den Mittelpunkt. Sie zielen darauf ab, den persönlichen Verhaltensstil der Teilnehmer im Hinblick auf ihr neues kulturelles Umfeld zu beschreiben. Dabei geht es nicht darum, dieses Verhalten zu bewerten. Die Seminare beleuchten stattdessen, wie Verhaltens- und Kommunikationsstile in unterschiedlichen Kulturen wahrgenommen werden. Einstiegsassessments in Form von internetbasierten Fragebögen oder Telefoninterviews helfen dabei, Handlungsmuster zu erkennen. Während der Trainings analysieren die Seminarteilnehmer ihr Verhalten. Angeregt durch Fallstudien und Rollenspiele denken sie über ihre Außenwirkung nach, lernen zu verstehen, in welchen Situationen sie Konflikte oder Missverständnisse provozieren könnten. Von diesen sehr individuellen Trainings profi tieren nicht nur angehende Expats, sondern auch interkulturelle Teams – in Paris, Wien oder Riga.

Checkliste: Anbieterwahl

Die folgenden Fragen helfen Ihnen dabei, einen geeigneten Anbieter für interkulturelle Trainings zu finden:

  1. Beschäftigt das Unternehmen ausreichend Trainer für alle relevanten Länder?
  2. Unterhält der Anbieter ein internationales Trainernetzwerk, um ein Follow-up der Expatriates nach ihrer Ankunft im Zielland zu gewährleisten?
  3. Haben die Trainer in dem Land, über das sie sprechen, gelebt beziehungsweise leben sie jetzt noch dort?
  4. Sprechen die Trainer nur über „Do’s & Don’ts“? Oder gehen sie auch auf mögliche Ursachen kultureller Unterschiede ein, zum Beispiel, indem sie das Schulsystem vor Ort beschreiben?
  5. Sind die Trainings praxisnah? Greifen sie zum Beispiel Fallstudien auf oder arbeiten sie mit Rollenspielen?
  6. Ist die Vorbereitung maßgeschneidert? Analysieren die Anbieter die Bedürfnisse der Teilnehmer – nicht nur über vorgefertigte Fragebögen, sondern auch mit Hilfe von Telefoninterviews?
  7. Verfügt der Trainer über eine wissenschaftlich fundierte interkulturelle Kompetenz? (Die Tatsache, dass er im Ausland gearbeitet hat, macht ihn noch lange nicht zu einem guten interkulturellen Trainer.)
  8. Besitzt der Trainer standardisierte Methoden und Instrumente, um ausreichend auf die persönliche Verhaltensweise aller Teilnehmer eingehen zu können?

Quelle: personal manager 5/2004