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Praxistipp

Arbeitgeber, die Gratifikationen (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld) oder ähnliche Leistungen nur freiwillig zahlen und sich für die Zukunft nicht festlegen wollen, sollten auf eine Regelung im Arbeitsvertrag verzichten. Die Auszahlung der freiwilligen Leistung sollten sie mit einem Schreiben an die Beschäftigten verbinden, in dem die Freiwilligkeit der Leistung erklärt wird.

In der Bewerbungsphase oder im Zusammenhang mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags sind Hinweise, dass Gratifikationen „gewährt“ oder „bezahlt“ werden, zu vermeiden. Es ist aber möglich, einen Bewerber darüber zu informieren, dass und in welcher Höhe freiwillige Leistungen in der Vergangenheit bezahlt wurden. Auch die Vereinbarung von „freiwilligen“ Leistungen im Arbeitsvertrag ist unbedingt zu vermeiden. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt ist nur für solche Leistungen sinnvoll, die im Vertrag nicht geregelt sind. Dieser Vorbehalt kann eine betriebliche Übung verhindern, wenn ein entsprechender Freiwilligkeitsvorbehalt bei Auszahlung der freiwilligen Leistung vergessen wurde.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – 10/2013
Fotocredit: Karin Jung / www.pixelio.de

PROBLEMPUNKT

Die Parteien streiten über Weihnachtsgeldansprüche für die Jahre 2009 und 2010. Der Kläger ist seit 2004 beim beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Er erhielt zuletzt ein monatliches Bruttogehalt i. H. v. 2.450 Euro. Bezüglich des Weihnachtsgelds enthält der Arbeitsvertrag folgende Regelung: „§ 5 Urlaub/freiwillige Sozialleistungen Freiwillige soziale Leistungen richten sich nach dem betriebsüblichen Rahmen. Zurzeit werden gewährt: Urlaubsgeld i. H. v. 18,40 Euro pro Urlaubstag; Weihnachtsgeld i. H. v. (zeitanteilig) 40 % eines Monatsgehalts im ersten Kalenderjahr der Beschäftigung. Es erhöht sich pro weiterem Kalenderjahr um jeweils 10 % bis zu 100 % eines Monatsgehalts. (…) Die Zahlung der betrieblichen Sondervergütungen (Weihnachtsgratifikation, Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen) erfolgt in jedem Fall freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft.“           

Die Beklagte zahlte mit der Novembervergütung in den Jahren 2004 bis 2008 ein Weihnachtsgeld in der im Arbeitsvertrag angegebenen Höhe. Mit jeder Zahlung erhielt der Kläger ein Schreiben, in dem es u. a. heißt: „Bei dieser Gratifikation handelt es sich um eine freiwillige Leistung, auf die kein Rechtsanspruch besteht und kein Anspruch in den folgenden Jahren hergeleitet werden kann.“

Im Jahr 2009 zahlte die Beklagte kein Weihnachtsgeld. Sie teilte dazu mit, dass ein Weihnachtsgeld aus wirtschaftlichen Gründen nicht gezahlt werden könne. Auch im Jahr 2010 zahlte die Beklagte kein Weihnachtsgeld. Der Kläger erhielt aber eine Sonderzahlung i. H. v. 880 Euro brutto, mit der die Beklagte „die Betriebstreue der Mitarbeiter belohnen“ wollte.

Der Kläger verlangte für die Jahre 2009 und 2010 Weihnachtsgeld in der vertraglich vorgesehenen Höhe. Die Beklagte berief sich auf den in § 5 der vertraglichen Regelung enthaltenen Freiwilligkeitsvorbehalt.

KONSEQUENZEN

Mit dieser Entscheidung setzt das BAG seine Rechtsprechung zum Freiwilligkeitsvorbehalt bei Sonderzahlungen konsequent fort. Es hält zwar daran fest, dass ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der den Rechtsanspruch des Mitarbeiters auf vergleichbare Leistungen für die Zukunft ausschließen soll, den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligt. Für Leistungen, die im Arbeitsvertrag genannt sind, gilt dies jedoch nicht. Schon mit Urteil vom 30.7.2008 (10 AZR 606/07) hatte das BAG den Anwendungsbereich für einen Freiwilligkeitsvorbehalt erheblich eingeschränkt. Nach dieser Entscheidung ist ein solcher Vorbehalt widersprüchlich, wenn im Formulararbeitsvertrag die Voraussetzungen und die Höhe der Leistungen präzise formuliert sind. Mit der aktuellen Entscheidung gehen die Erfurter Richter noch einen Schritt weiter: Schon die Formulierung, dass Leistungen „bezahlt “ oder „gewährt“ werden, schließt die Freiwilligkeit der Leistungen aus. Leistungen, die im Arbeitsvertrag konkret benannt sind, lassen sich also nicht mehr einem Freiwilligkeitsvorbehalt unterstellen.

ENTSCHEIDUNG

Das BAG gab der Klage statt. Es hielt den Freiwilligkeitsvorbehalt für unwirksam. Das Gericht geht davon aus, dass es sich beim Arbeitsvertrag um vom Unternehmen vorformulierte Vertragsbedingungen handelt. Deshalb findet die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB Anwendung. Danach gehen Auslegungszweifel zulasten des Verwenders. Ist eine Regelung nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist. Die Formulierung, der Arbeitgeber „bezahlt“ oder „gewährt“ einen Bonus oder eine Gratifikation, ist – so das BAG – typisch für die Begründung eines Entgeltanspruchs. Auch wenn nachfolgend eindeutig auf die Freiwilligkeit der Leistung hingewiesen wird, genügt diese typische Formulierung, um einen Auslegungszweifel zu begründen. Da der Arbeitgeber Verwender der vorformulierten Vertragsbedingungen ist, gehen Auslegungszweifel zu seinen Lasten. Die Auslegung der vertraglichen Regelung durch das BAG ergibt daher, dass dem Kläger ein Rechtsanspruch auf Zahlung des Weihnachtsgelds zusteht.

Nach Auffassung der Erfurter Richter führt auch der Freiwilligkeitsvorbehalt zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Im Gegenteil: Der Vorbehalt widerspricht der Regelung zur „Gewährung“ des Weihnachtsgelds. Dieser Widerspruch führt zur Intransparenz und Unwirksamkeit des Vorbehalts (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).