Die Autoren Petra Völkerer, Sybille Pirklbauer, Gerlinde Hauer und Peter Prenner schicken ihrer Studie ein Bonmot von Simone de Beauvoir voraus: „Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen. Sie bekommen nichts.“ Und sie schlussfolgern: Bildung ist kein Heilsversprechen.
Nun ist Bildung für den, der sie besitzt, grundsätzlich nötig, um sein Leben gut zu meistern und seine Expertise mit anderen Menschen zu teilen. Von Arbeit ist da noch lange nicht die Rede. Doch es war seit jeher ein politisches Unternehmen vieler Parteien, Frauen den Zugang zu den Machtzentralen und Gestaltungsfeldern der Gesellschaft zu ermöglichen. Und dies sind vor allem die Arbeitsplätze. Es geht also nicht darum, Frauen Arbeit abwälzend aufzubürden.
Die Studie der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien kann neben ihrer Zahlenkartographie der österreichischen Bildungssituation für den Zeitraum 1981 bis 2010 mit einem großen Ergebnis aufwarten, das weniger populär ist: Der verbesserte Bildungsstand der österreichischen Bevölkerung geht vor allem auf eine massive Qualifikationsausweitung von Frauen zurück. Dies ergibt sich aus diesen Fakten: Verfügte 1981 noch mehr als die Hälfte der Menschen über 15 Jahren nur über einen Pflichtschulabschluss (51,8 %), sank dieser Anteil 2010 auf 25,7 %. Im Gegensatz dazu verdoppelte sich der Anteil an Personen mit Matura von 7,2 % auf 14,5 %, jener mit Hochschul- oder hochschulverwandten Abschlüssen hat sich mehr als verdreifacht (von 3,4 % auf 11,4 %).
In Wien sei die Bildungsexpansion noch dynamischer gewesen, schreiben die Autoren. Daher sei die Wiener Bevölkerung heute noch deutlich besser gebildet als der Bundesdurchschnitt; vor allem die Maturanten: Österreichweit verfügen 14,5 % über einen Maturaabschluss, in Wien sind es 21,5 %.
Das Datenbild speziell für die Frauen sieht laut Studie folgendermaßen aus: Der Anteil der Pflichtschul-Absolventinnen sank von 61,7 % (1981) auf 31,1 % (2010). Eine Matura oder einen Hochschulabschluss besaßen vor rund 30 Jahren nur 8,4 % der Frauen, nunmehr sind es 26,3 %. Damit überholten Frauen mit Matura oder Hochschulabschuss 2010 erstmals knapp die Männer, von denen durchschnittlich 25,5 % über eine solche Ausbildung verfügten.
Ein weniger positives Bild ergibt sich bei der Frage nach Lehrbildung: Die Lehre bleibt männerdominiert, weil 46,2 % der Männer, aber nur 25,3 % der Frauen (in 2010) über einen Lehrabschluss verfügen. Die Autoren vermerken, dass selbst der höhere Frauenanteil bei den berufsbildenden mittleren Schulen (17,4 % gegenüber 8,4 % bei den Männern) den Unterschied im mittleren Bereich (also Lehre und BMS zusammen) nicht wettmacht. Allerdings ergibt sich in Wien eine ausgewogenere Bildungsverteilung zwischen den Geschlechtern, bei den Lehrabschlüssen ist der Unterschied merklich geringer als in Österreich gesamt: Frauen 19,0 % zu Männer 34,1 % und im Vergleich dazu Wien mit 25,3 % der Frauen und 46,2 % der Männer.
Die historisch positive Entwicklung setzt sich nicht in der Erwerbstätigkeit fort. Wobei der Blick auf Österreich Unterschiede zwischen Hauptstadt und Umland zeigt. Die Autoren schreiben: „Obwohl der Bildungsgrad in der Hauptstadt überdurchschnittlich ist, liegt die Erwerbstätigen-Quote deutlich unter dem Durchschnitt. Das gilt für Frauen und Männer gleichermaßen. So lag 2011 die Quote bei den Männern mit 72,3 % 5,5 Prozentpunkte unter dem Bundesschnitt, bei den Frauen betrug der Abstand drei Prozentpunkte (Frauenerwerbsquote Wien: 63,5 %).“
Fazit
Was läuft also schief in einem Land, in dem der besagte dramatisch gewachsene Bildungsstand der Bevölkerung vor allem darauf zurückzuführen ist, dass Frauen besser ausgebildet wurden? Es scheint, als sei eine Phase eins – Frauen zu bilden, bedeutet Gesellschaft zu bilden – abgeschlossen und es bedürfe einer Phase zwei. So wie in Phase eins muss auch die Gesellschaft in diesem Abschnitt unterstützen. War es die Ermöglichung eines Zugangs zur Bildung, so ist es nun Arbeiten in Netzwerken mit stärkerer Gruppenbildung (new work). Das könnte die aktuelle Situation für Frauen auflösen: In einer von Isolation geprägten Gesellschaft wird Frauen ihr Leben schwer gemacht. Durch die Wendung der Gesellschaft zum digitalen und damit kollaborativen Arbeiten könnte ein Rahmen gegeben sein, in dem das möglich wird.
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