Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser. Auf diese simple Weisheit lassen sich viele Führungsansätze in der heutigen Wirtschaft reduzieren. Die Nachfrage der Arbeitgeber nach Instrumenten für die Mitarbeiterkontrolle ist groß. Das bestätigt Petra Eisenbeis-Trinkle, Leiterin Öffentlichkeitsarbeit des Zeitwirtschaftsanbieters Kaba Benzing: „Immer mehr Kunden suchen nach Kontrollinstrumenten, zum Beispiel nach biometrischen Systemen in der Zeiterfassung“, berichtet sie. Die Verifizierung der Person über den Fingerabdruck soll Mogeleien bei der Zeiterfassung verhindern. Zurzeit werden biometrische Systeme mindestens so häufig für die Zeiterfassung geordert wie für den eigentlichen Einsatzbereich von Fingerabdruck oder Irisscan – der Zutrittskontrolle.

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Foto von Brooke Cagle

Mehr Kontrollen im Einsatz

Auch andere Kontrollinstrumente sind immer häufiger im Arbeitsalltag zu finden: Spyware, die die Internetnutzung der Mitarbeiter überwacht, gehört in vielen Unternehmen zum Alltag. Immer häufiger greifen die Unternehmen zudem auf die Unterstützung externer Experten zurück, um ihre Mitarbeiter zu überprüfen, berichtet Manfred Lotze, Geschäftsführer der Detektiv-Institut Kocks GmbH. Diese verzeichnete im ersten Quartal 2005 deutliche Nachfragesteigerungen. „Dabei geht es vornehmlich um das Fehlverhalten vorhandener Mitarbeiter – nicht so sehr um die Überprüfung der Bewerber im Vorfeld, die viel wichtiger wäre“, so Manfred Lotze. „Denn 70 Prozent der Täter haben schon im Einstellungsverfahren unwahre Angaben gemacht“, stellt er fest. Denn auch für die Überprüfung künftiger Mitarbeiter gibt es inzwischen Instrumente. So hat S&F Personalpsychologie ein Persönlichkeitsinventar zur Integritätsabschätzung (PIA) entwickelt, mit dem man die Integrität eines künftigen Mitarbeiters bereits im Einstellungsprozess testen kann.

Eigentlich wundert es nicht, dass die Unternehmen ihre Mitarbeiter immer häufiger kontrollieren. 2003 zählte das Bundeskriminalamt 86.149 Fälle von Wirtschaftskriminalität, darunter 9.201 Fälle im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen – und man geht von einer wesentlich höheren Dunkelziffer aus. Nach Jahren des Personalabbaus haben die Mitarbeiter ihren Arbeitgebern offenbar die Loyalität aufgekündigt. Die Angst, vielleicht morgen schon den Job zu verlieren, verleitet sie dazu, sich vorsorglich zu „entschädigen“.

Aber ist die richtige Reaktion eine Verstärkung der Kontrollen? „Sicherlich nicht. Zwang und Kontrolle demotivieren im Höchstmaß“, sagt Rainer Niermeyer, Mitglied der Geschäftsführung und Partner der Kienbaum Management Consultants. „Allerdings ist auch blindes Vertrauen falsch“, gibt er zu bedenken. Wenn beispielsweise die Kosten erkennbar ansteigen, müsse dies überprüft werden. Die Führungskraft sollte aber immer die Gründe für die Kontrollmaßnahmen nennen. Außerdem sollten Führungskräfte die Kontrollen je nach Mitarbeiter differenzieren, rät Niermeyer. „Bei neuen Mitarbeitern muss man etwas genauer hinsehen, bis man ihre Kenntnisse und Fähigkeiten kennt. Diese benötigen zudem mehr Feedback, bis sie im Job sicher agieren.“ Die Fähigkeit, Menschen einzuschätzen und zu beurteilen, welchen Mitarbeitern welches Maß an Vertrauen entgegengebracht werden kann, nennt der Experte deshalb als die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Führung.

Faktor Selbstkontrolle

Dass die Neigung zu kontraproduktivem Verhalten von der Persönlichkeit eines Mitarbeiters abhängt, bestätigt eine Studie von Dr. Bernd Marcus, TU Chemnitz, und Professor Heinz Schuler, Universität Hohenheim. Wie die Untersuchung ergab, hat der Faktor „Selbstkontrolle“ einen entscheidenden Einfluss auf kontraproduktives Verhalten: Personen mit hoher Selbstkontrolle vertrauen anderen, führen Aufgaben zu Ende, machen sich die Konsequenzen ihrer Handlungen klar und verharmlosen deviantes Verhalten nicht. Personen mit niedriger Selbstkontrolle dagegen sind häufig auf den kurzfristigen Gewinn einer Racheaktion aus – ohne Rücksicht auf den langfristigen Schaden, den sie damit anrichten. Selbstkontrolle wird bereits in der Kindheit erworben und lässt sich laut Studie kaum durch Personalentwicklungsmaßnahmen und noch weniger durch Kontrolle und Restriktionen beeinflussen.