Altersteilzeit kann, arbeitsrechtlich zulässig, durchaus auch dem Ziel dienen, die faktische Beendigung der Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer herbeizuführen. Verbunden mit einer finanziellen Absicherung des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, zu dem dieser Altersrente in Anspruch nehmen kann, ist dies auch wirtschaftlich gesehen eine sinnvolle Alternative zur herkömmlichen Beendigungsvereinbarung mit einer Abfindungszahlung. Nicht nur die steuerliche Optimierung, auch die durch die Altersteilzeit eröffnete Möglichkeit des vorzeitigen Rentenbezugs macht deshalb die Altersteilzeit - verbunden mit einer Freistellungsvereinbarung bereits in der Arbeitsphase der Altersteilzeit - zum für beide Seiten attraktiven Trennungsmodell.

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Foto von Clayton Cardinalli

Risikofaktor Sozialversicherung

 

Auf der sozialversicherungsrechtlichen Seite kann diese arbeitsrechtliche Gestaltungsvariante aber dramatische Folgen sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber haben, denn die Vereinbarung einer unwiderruflichen Freistellung des Arbeitnehmers bereits inder Arbeitsphase der Altersteilzeit beendet das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis. Neben anderen Nachteilen, vor allem betreffend der steuerlichen Privilegierung der Aufstockungsbeträge und den sonstigen sozialversicherungsrechtlichen Status des Arbeitnehmers, führt dies vor allem zu dem Verlust der Möglichkeit, Altersrente nach Altersteilzeit zu beziehen. Die damit einhergehende Versorgungslücke kann entsprechende Schadensersatzpflichten des Arbeitgebers nach sich ziehen, wenn dieser den Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung über die bestehenden Risiken nicht hinreichend aufgeklärt hat. Nicht zuletzt auch die arbeitsrechtliche Beratungspraxis wird diese Folgen beider Gestaltung von Altersteilzeit-Trennungsvereinbarungen sorgfältig zu bedenken haben.

Beschäftigungsbegriff entscheidet

Die unterschiedliche Betrachtungsweise des Beschäftigungsverhältnisses im arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Sinn resultiert bereits aus dem allgemeinen sozialrechtlichen Begriff der Beschäftigung. Dieser wird in § 7 Abs. 1SGB IV als "nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" definiert. Weiter heißt es: "Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers." Damit wird deutlich, dass der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses mit dem des Arbeitsverhältnisses nicht identisch ist. Maßgeblich ist damit das von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGBIV normierte Erfordernis der Arbeitsleistung; Arbeit und damit Beschäftigung setzen in der Regel aktives Verhalten des Arbeitnehmers voraus, mit dem eine Dienstleistung erbracht und ein Arbeitserfolg herbeigeführt wird.

Liegt eine wirksame Ausnahme vor?

 

In der sozialgerichtlichen Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber, dass vorübergehende Unterbrechungen der Arbeitsleistung etwa aufgrund Inhaftierung oder Beurlaubung des Arbeitnehmers zu Studienzwecken keine Auswirkungen auf den Bestand des Beschäftigungsverhältnisses haben, solange das Arbeitsentgelt weiter gezahlt wird. Denn in derartigen Fällen besteht die Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers im Grundsatz fort; die Parteien gehen von einer nur vorübergehenden Unterbrechung der tatsächlichen Arbeitsleistung aus, die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers wird lediglich für einen überschaubaren Zeitraum zum Ruhen gebracht, nicht aber endgültig suspendiert.

Die Fortsetzung der Beschäftigung zu einem späteren Zeitpunkt ist grundsätzlich beabsichtigt, der Fortbestand der Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers steht deshalb nicht ernsthaft infrage. Darin aber liegt der entscheidende Unterschied zu der einvernehmlichen Freistellung des Arbeitnehmers für die gesamte Dauer der Altersteilzeit. Hier wird die Beschäftigungspflicht des Arbeitnehmers endgültig suspendiert. Mit der Fortzahlung der Vergütung dokumentiert der Arbeitgeber zwar den Willen, das Arbeitsverhältnis weiter fortzusetzen und insoweit seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen; die Bereitschaft, auch das Beschäftigungsverhältnis aufrecht zu erhalten, kommt damit jedoch nicht zum Ausdruck. Denn durch die Freistellungsvereinbarung bedient sich der Arbeitgeber gerade seines Direktionsrechts und entbindet den Arbeitnehmer von der arbeitsvertraglichen Verpflichtung, dem Direktionsrecht des Arbeitgebers Folge zu leisten. Bei einer unwiderruflichen Freistellung ist die Beendigung der Beschäftigung auch auf Dauer angelegt, weder ist eine Wiederaufnahme der Tätigkeit vorgesehen noch kann der Arbeitgeber die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers einseitig wieder in Vollzugsetzen; die Vereinbarung zielt vielmehr auf das Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben nach dem Ende der Altersteilzeit ab.

Keine Reparatur durch das SGB IV

 

Ist der Altersteilzeitarbeitnehmer nicht mehr sozialversicherungsrechtlich beschäftigt, vermag auch die Sonderregelung des § 7 Abs. 1a SGB IV dasVorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht zu fingieren. § 7 Abs. 1aSGB IV dient der sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitmodelle; die beschäftigungspolitisch gewünschte Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit soll dadurch gefördert werden, dass ungeachtet der von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen der Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses fingiert wird und dem Arbeitnehmer der Schutz der Sozialversicherung erhaltenbleibt. Auf einen grundsätzlichen Fortsetzungswillen der Parteien oder auf den Fortbestand der persönlichen Abhängigkeit kommt es daher im Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1a SGBIV nicht an. Allerdings werden Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung gemäß § 7 Abs. 1a SGB IV nur dann der abhängigen Beschäftigung gleichgestellt, wenn in dieser Zeit Arbeitsentgelt geleistet wird, das mit einer außerhalb der Freistellungsphase liegenden Arbeitsleistung erzielt wurde. Die Freistellung muss also durch Zeitguthaben vor oder nach der Freistellungsphase erarbeitet werden, indem für einen bestimmten Zeitraum die tatsächliche Dauer der Arbeitsleistung die unmittelbar zu vergütende Arbeitsleistung übersteigt. Damit wird etwa im Rahmen des klassischen Blockmodells der Altersteilzeit das Beschäftigungsverhältnis auch während der Freistellungsphase aufrecht erhalten. Wird die Freistellung allerdings auf die gesamte Zeit der Altersteilzeit ausgedehnt, liegt ihr kein Wertguthaben zugrunde, da auch in der vorangehenden "Arbeitsphase" tatsächlich keine Arbeitsleistung erbracht wird. § 7 Abs. 1a SGBIV ist in diesem Fall nicht anwendbar.

Risiken müssen thematisiert werden

 

Im Ergebnis fehlt es daher bei einer unwiderruflichen Freistellungsvereinbarung mangels sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung an einer Altersteilzeitvereinbarung. Damit ist dem Arbeitnehmer die Möglichkeit verwehrt, Altersrente nach Altersteilzeit gemäß §237 SGB VI in Anspruch zu nehmen. Für den Arbeitnehmer kann sich jetzt die Frage nach einem Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber stellen. Das BAG hilft ihm dabei, wenn es feststellt, dass der Arbeitgeber gegen seine Vertragspflichten verstößt, wenn er dem Arbeitnehmer in der Altersteilzeit eine Freistellungsvereinbarung anbietet, ohne auf die hieraus möglicherweise resultierenden Folgen hinzuweisen. Eine Haftung kommt deshalb vor allem dann in Betracht, wenn die Freistellungsvereinbarung von dem Arbeitgeber initiiert wird. Das durch diesen Gestaltungsvorschlag begründete Risikomuss der Arbeitgeber zumindest transparent machen, um dem Arbeitnehmer eine sachgerechte Abwägung der mit der Freistellung verbundenen Vor- und Nachteile zu ermöglichen. In diesem Fall kann sich der Arbeitgeber einer späteren Haftung nur dadurch entziehen, dass er den Arbeitnehmer auf die sozialrechtlichen Risiken hin- oder zumindest darauf verweist, dass der Arbeitnehmer vor Vertragsabschluss sachkundigen Rat insbesondere von den zuständigen Sozialversicherungsträgern einholen sollte. Liegt eine Verletzung der vertraglichen Nebenpflichten durch den Arbeitgeber vor, wird deren Ursächlichkeit für den eingetretenen Schaden in der Regel zu bejahen sein. Die Rechtsprechung geht dabei von dem Grundsatz aus, dass sich eine richtig informierte Person interessengerecht verhält - im Zweifel also eine Altersteilzeitvereinbarung nicht oder jedenfalls nicht bei gleichzeitiger Freistellung abgeschlossen hätte.

Welche Schadenshöhe droht?

 

Damit verbleibt die Frage, welche Schadenshöhe auf den Arbeitgeber zukommen kann. Das Bundesarbeitsgericht geht dabei auch auf den mit der Vereinbarung vom Arbeitnehmer angestrebten Versorgungserfolg ein. Dem folgend, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Ersatz der entgangenen Rentenzahlungen bis zu dem tatsächlichen Rentenbeginn, zuzüglich etwaiger Mehraufwendungen, die sich etwa durch die freiwillige Absicherung in der Kranken-und Pflegeversicherung ergeben. Erweist sich darüber hinaus, dass der Arbeitnehmer bei sachgerechter Information weder eine Altersteilzeit- noch eine sonstige Aufhebungsvereinbarung abgeschlossen hätte, kann der Arbeitgeber sogar verpflichtet sein, den Arbeitnehmer im Wege der Naturalrestitutionso zu stellen, als habe das Arbeitsverhältnis bis zum Renteneintritt unverändert fortbestanden.