photo of three person sitting and talking
Foto von Helena Lopes
Nicht getroffene Entscheidungen, Entscheidungen auf Grundlage elaborierter Daten und Fakten oder intuitive Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Allen gemein ist – sie hätten auch anders getroffen werden können. „Es könnte anders entschieden werden und es hätte anders entschieden werden können … ob die Entscheidung richtig oder falsch war, das kann man immer erst hinterher wissen“ ein Satz, den jede Führungskraft schon einmal gelesen hat von Niklas Luhmann. Er hat vielfach darauf verwiesen, dass es bei Entscheidungen nicht wichtig ist was entschieden wird, sondern dass entschieden wird. Schlimmer als eine falsche Entscheidung ist immer keine Entscheidung. Doch gerade, dass ist das Problem vieler Unternehmen heute. Fehler Mut zu Entscheidungen. Wo liegt die Ursache für die aufgeschobenen Entscheidungen? Und wie kann man dem begegnen? Früher hatten die FK noch Zeit alle Informationen zu sammeln und dann begründete rationale Entscheidungen zu treffen. Sie konnten Entscheidungen auf der Grundlage von Daten und Fakten treffen – und die Antwort auch mal einige Tage im Gehirn arbeiten lassen, bis die Entscheidung „gereift“ ist. Zum einen hatten sie die dafür notwendige Ressource Zeit, zum anderen war die Welt damals noch viel übersichtlicher. Heute bleibt einem Mitarbeiter in einer Führungsposition keine Zeit aufwendig zu recherchieren und durch logisches Nachdenken zu der einen folgerichtigen Entscheidung für das Unternehmen zu gelangen. Er muss sofort entscheiden können. Auf Basis ein paar weniger Fakten – aus dem Bauch heraus oder wie Forscher das heute nennen auf Grundlage von so genannter mental shortcuts, also Erfahrungskarten- und Muster, die für die Entscheidungen herangezogen werden. Und es muss entschieden werden, denn „wenn wir alle Handlungen unterließen, für die wir den Grund nicht kennen oder die wir nicht rechtfertigen können, wären wir bald tot“ Friedrich A. von Hayek.

Rationale Entscheidungen treffen

Gemäß dem traditionellen Modell rationalen Handelns ist eine Entscheidung umso besser, je mehr sie von Verstand und Vernunft geleitet wird. Die Kernaussage des Rational-Choice-Modells lautet: Menschen treffen Entscheidungen, indem sie die Vor- und Nachteile der Konsequenzen rational abwägen. Gefühle gelten hier als störendes Beiwerk und sollten deshalb zurückgedrängt werden.

Entscheidungen „aus dem Bauch heraus“

Der Mensch unterscheidet sich von anderen Lebewesen durch seine Fähigkeit zu planen. Die Intuition ist dafür wichtiger als bisher gedacht. Nach Gerhard Roth, dem bekannten Hirnforscher, lenkt nicht die Vernunft primär die Handlungen und wird durch Emotionen begrenzt, sondern Affekte und Emotionen steuern in Form von Handlungsmotiven unser Verhalten. Die neuere Entscheidungstheorie schießt zu Recht gegen das Paradigma der rationalen Entscheidung. Das neue Stichwort ist „bounded rationality“.

Jeder hat bestimmt schon einmal versucht vor wichtigen Entscheidungen wie zum Beispiel dem Kauf eines neuen Autos oder der Abwägung in Bezug auf eine neue Job-Herausforderung eine Liste der Pro- und Kontraargumente aufzustellen. Doch am Ende war es dann nicht die Addition der meisten Punkte, sondern eine eher emotionale Entscheidung die für oder gegen das Auto, die Heirat, den Job, etc… gesprochen hat.

Professor Emeran Mayer konnte nachweisen, „dass unser Bauchgehirn viele emotionale Prozesse steuert.“ Aus seiner Sicht handelt es sich nicht nur um Intuition, sondern um Erfahrungen, den „mental shortcuts“. Ein Personalleiter ist zum Beispiel immer wieder in der Situation „Bauchentscheidungen“ zu treffen. Obwohl ihm eine Fülle von Informationen vorliegt in Bezug auf einen eingeladenen Bewerber trifft er die Entscheidung bereits nach einigen Minuten. „Reine Bauchentscheidung“, antworten sie, wenn man sie fragt. Tatsache ist, dass wir zu rein rationalen Entscheidungen gar nicht in der Lage sind. Das Gehirn wäre heillos überfordert, wenn es in kürzester Zeit alle Informationen besorgen und bewerten müsste.

Weil wir wissen, dass wir nicht alles wissen können und weil wir wissen, dass das Gehirn nur bedingt Entscheidungen auf einer bewusst rationalen Ebene fällt. Vieles wird schon entschieden, bevor es überhaupt in das Bewusstsein gelangen kann. So zu sagen werden solche Entscheidungen nur noch nach-rationalisiert (vgl. Roth). Tatsächlich weist der Bauch ähnliche Strukturen wie das Gehirn auf. Wissenschaftler sprechen sogar vom „Bauchgehirn“. Es ist ähnlich strukturiert wie das Gehirn und ist mit 100 Millionen Nervenzellen ausgestattet. Antidepressiva, die die Nervenbotenstoffe beeinflussen, können zum Beispiel auf den Magen schlagen. Alzheimer und Parkinsonpatienten haben ähnliche Gewebeschäden im Bauch wie im Gehirn.

Wie nutze ich das Bauchgefühl erfolgreich?

Der amerikanische Psychologe Antonio Damasio rät Entscheidungen folgendermaßen zu fällen: im ersten Schritt nachdenken und zu einer Vorentscheidung gelangen. Nun die Entscheidung nicht sofort umsetzen, sondern sich Zeit nehmen und ein bisschen entspannen – sich vorstellen die Entscheidung wäre gefallen und sich fragen – wie fühlt es sich an? Gut? Dann kann die Entscheidung abschließend getroffen werden. Oder grummelt der Bauch? Jetzt muss noch mal nachgedacht werden….denn somatische Marker ermöglichen es „vorzufühlen“, wie wir uns nach einer Entscheidung fühlen werden.

Lässt sich das Bauchgefühl trainieren?

Dass die Rolle einer Führungskraft sich in den letzten dreißig Jahren grundlegend verändert hat, das pfeifen die Spatzen von den Dächern, doch dass man nun auch wissenschaftliche Belege dafür hat, ist neu. Die Führungskraft muss heute das Team einbinden, muss über Sozialkompetenzen verfügen, hat viel mehr die Rolle eines Moderators inne, will Kritik hören, denn trotz Internet – er oder sie kann nicht alles wissen oder sich das notwendige Wissen besorgen. Vertrauen in die Mitarbeiter spielt eine viel umfassender Rolle als früher. Auf die Frage, ob sich die Erfahrungen trainieren lassen – ja, aber nicht von heute auf morgen. Sie werden im Laufe eines Lebens gemacht und die kulturellen Voraussetzungen werden adaptiert, auch die des Führungsverhaltens. Natürlich spielen da auch grundsätzliche Persönlichkeitseinstellungen eine Rolle, es werden immer die Macher-Typen in Führungspositionen aufsteigen, die Frage ist wie viel Dominanz sie dabei noch mitbringen können und sollten. Hier das richtige Gefühl dafür zu entwickeln, die Mitarbeiter einbinden, ihr Fachwissen zu nutzen und zu wissen, wer die richtigen Antworten für eine Entscheidung liefern kann, das macht exzellente Führung aus.

Wie setzt KCP die gewonnen Erkenntnisse um?

Die Entwicklung eines Rekruitingsystems, das automatisiert die rational besten Bewerber für angelegte Projekte angibt, soll den HR-Abteilungen den ersten sehr arbeitsauwendigen Teil der Projekte stark vereinfachen, um dann Zeit zu gewinnen für den wichtigen zweiten Teil der Bewerberauswahl. Im ersten Teil wird ein Bewerberanforderungsprofil angelegt, das mit dem Qualifikationsprofil, das der Bewerber von sich anlegt, abgeglichen wird. Dann lasse ich mir die Besten Kandidaten vorschlagen, prüfe meinen eigenen Eindruck und lade sie mit einer Maßnahme von einigen Minuten alle zum Gespräch ein. Nun ist es die Aufgabe der HR-Experten anhand ihres Bauchgehirns die Entscheidungen für die passenden Bewerber zu treffen.

Marc Emde