Herr Brackmann, seit zehn Jahren gibt es den MBA in Österreich. Wie hat sich die österreichische MBA-Landschaft in dieser Zeit entwickelt?
Eigentlich gibt es bezogen auf MBA-Programme kaum landesspezifische Besonderheiten, wenn man davon absieht, dass die großen amerikanischen Schmieden im Gegensatz zu den europäischen Normalgepflogenheiten auch Fulltime-Programme anbieten. Diese Vollzeitprogramme gibt es in Österreich ebenso wenig wie in Deutschland. Wenn Hochschulen jedoch zur Spitze gehören und international anerkannt werden wollen, dann müssen sie einen Vollzeit-MBA anbieten.

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Foto von Thought Catalog

Wie wird sich das Verhältnis von Vollzeitund Teilzeitstudiengängen aus Ihrer Sicht entwickeln?
Teilzeitstudiengänge werden auch in Zukunft dominant bleiben. Denn nebenberufliche Studiengänge sind für all diejenigen von Interesse, die berufliche Entwicklungsmöglichkeiten für sich sehen. Zusätzlich dazu wird es vereinzelt Spitzenprodukte geben, die, wie gesagt, zurzeit im deutschsprachigen Raum noch nicht zu finden sind. Dabei handelt es sich um Vollzeitprogramme, die international im obersten Segment angesiedelt sind, großen Wert auf die Zusammenstellung der Studierenden legen und verstärkt Allianzen mit ausländischen Partnern eingehen. Einige Unternehmensberatungen stellen ausgewählte Mitarbeiter schon jetzt nach drei oder vier Jahren Tätigkeit frei, um sie zu einem MBAProgramm nach Großbritannien oder in die USA zu schicken.

Einige Personalverantwortliche stehen dem MBA eher skeptisch gegenüber. Sie halten die Programme für überteuert und überschätzt. Was bringt ein MBA wirklich?
Es gibt nicht den MBA. Deshalb muss man berücksichtigen, welchen MBA jemand gemacht hat. Nehmen wir einen Techniker, der sechs Jahre Berufserfahrung mitbringt und Führungspositionen übernehmen soll. Er hat kein wirtschaftswissenschaftliches Wissen, soll aber große Projekte leiten. Für ihn ist ein MBA genau das richtige Rüstzeug, um in dem neuen Metier Fuß zu fassen und Erfolg zu haben.

Viele Hochschulen und Institute bieten mittlerweile sehr spezialisierte MBA-Programme an – zum Beispiel für den Gesundheitssektor, für Finance oder Marketing. Wird der MBA dadurch nicht verwässert?

Dieser Trend zur Spezialisierung ist international erkennbar. Grundsätzlich muss eine Spezialisierung auf eine bestimmte Branche auch kein Problem darstellen. Es ist durchaus möglich, ein General-Management-Programm für den Tourismus aufzuziehen und die grundlegenden Manager-Funktionen mit Fokus auf diese Branche zu trainieren. Das Wissen, das die Teilnehmer erwerben, können sie auch auf andere Branchen übertragen. Allerdings versuchen einige Anbieter, Programme anzubieten, die eigentlich klassische Weiterbildungen sind und kein MBA. Hier muss man dagegenhalten. Wer einen MBA machen will, soll auch das bekommen, was einen MBA ausmacht – nämlich eine General-Management-Ausbildung, und nicht eine Weiterbildung, zum Beispiel im Bereich Finance.

Wie erkennt denn die FIBAA die Qualität eines MBA-Programms?
Wir haben ein umfangreiches Set von ungefähr 100 Kriterien, die uns dabei helfen, ein Programm zu bewerten. Im Akkreditierungsprozess achten wir besonders auf die generalistische Ausrichtung. Da der MBA auch ein international orientiertes Programm sein sollte, nehmen wir die internationale Orientierung sehr genau unter die Lupe. Sie kann sich in verschiedenen Aspekten äußern, zum Beispiel in der Zusammensetzung der Studierenden und der Dozenten oder in Kooperationen mit ausländischen Partnern. Außerdem achten wir auf die Inhalte und Methoden der Lehre. Ein MBA-Programm sollte internationale und aktuelle Fallstudien behandeln, die komplex und sehr nah an der Praxis sind. Großen Wert legen wir auch darauf, dass Studiengänge ein internes System der Qualitätsverbesserung haben. Das ist wichtig, damit die Programme permanent weiterentwickelt werden.

Diesen Anforderungen entsprechen viele Programme sicher nicht. Wie viele lehnen Sie jährlich ab?
Es passiert eigentlich ganz selten, dass wir ein Programm ablehnen müssen. Die Hochschulen steigen meist schon vorher aus dem Akkreditierungsverfahren aus, wenn sie merken, dass sie die Kriterien nicht erfüllen. Bis zur Entscheidung der Kommission können sie ihren Antrag jederzeit zurückziehen. 20 bis 25 Prozent der Programmanbieter steigen vor der Kommissionsentscheidung aus – darunter nicht wenige schon nach dem Erstgespräch. Stellt sich beispielsweise heraus, dass keine Master-Thesis vorgesehen ist, dann akzeptieren wir das Programm nicht. Andere stellen beim Besuch der Gutachter vor Ort fest, dass sie die Hürden nicht nehmen.

Die Akkreditierung des MBA-Programms ist ein Qualitätssiegel, sagt jedoch nichts darüber aus, ob ein MBA wirklich zum Unternehmen und zum Mitarbeiter passt. Worauf sollten Personalisten bei der Auswahl eines Programms achten?
Das hängt sehr stark davon ab, wie ein Unternehmen positioniert ist und wohin es marschiert. Wenn ein Unternehmen stark international ausgerichtet ist, dann sollte es zu einem MBA tendieren, der den Teilnehmern die Möglichkeit bietet, ein internationales Netzwerk aufzubauen. Dieses Netzwerk weitet sich über die Alumni-Treffen ja auch über verschiedene Generationen aus. Mitarbeiter, die so ein Programm absolviert haben, können sich über ihre internationalen Kontakte ganz schnell unterschiedliche Informationen beschaffen. Viele Hochschulen haben bestimmte regionale Schwerpunkte, einige sind besonders stark im asiatischen Markt, andere im amerikanischen. Auf diese Ausrichtungen sollten Unternehmen achten.

Fernstudiengänge bieten diese Möglichkeiten der persönlichen Netzwerkbildung nicht. Für wen eignen sie sich?
Für all diejenigen, die räumlich und zeitlich weniger flexibel sind, die aber gleichwohl eine Weiterqualifizierung anstreben. Auch die Kosten spielen hierbei eine nicht ganz unerhebliche Rolle, da zusätzliche Fahrten und Unterbringungen entfallen.

Dank Internet und E-Learning können Lernende heute jederzeit und an jedem Ort lernen. Inwieweit halten diese neuen Lernformen auch Einzug in die MBA-Programme?
Die E-Learning-Anteile werden aus meiner Sicht weiter zunehmen. Denn sie ermöglichen einen lebendigen Austausch und ein gemeinsames Arbeiten zwischen den Präsenzphasen. Für das Bearbeiten von Fallbeispielen muss man nicht um einen runden Tisch sitzen. Deshalb glaube ich, dass E-Learning beim MBA eine Rolle spielen wird. Aber es geht nicht um ein „Entweder – Oder“, sondern um ein „Sowohl – Als auch“.

Interview: Bettina Geuenich


Literaturtipps:

2007 – Der MBA Guide. Teilzeit-, Fernstudien- und Vollzeitprogramme zum Master of Business Administration.
Von Hans-Jürgen Brackmann und Detlef Kran.
Luchterhand 2007.

Das MBA-Studium 2007.
Von Renate Maidhof und Katrin Alberts.
Staufenbiel 2006.

Manager statt MBAs. Eine kritische Analyse.

Von Henry Mintzberg.
Campus 2005.

Webtipps_

www.fibaa.de (Foundation for International Business Administration Accreditation)
www.enqa.eu (European Association for Quality Assurance in Higher Education, Zusammenschluss von mehr als 40 Akkreditierungseinrichtungen in Europa)

Quelle: personal manager 4/2007