Es gibt einige „todsichere“ Strategien, wie es Ihnen problemlos gelingt, Ihr Projekt in den Sand zu setzen. Wir nennen Sie die „Enten-Strategien zum hundertprozentigen Reinfall“.
Die erste Strategie:
Kommen Sie erst dann ins Handeln, wenn Sie ganz sicher, alles perfekt vorbereitet zu haben. Erst wenn alle Kundenbefragungsergebnisse vorliegen, der Controller den finanziellen Erfolg auf dem Statistikblatt als unausweichlich vorgerechnet hat und der Marketingchef Neujahr bekannt gibt, wie er das neue Produkt im nächsten Weihnachtsgeschäft vermarkten will, sollten auch Sie als Vertriebsleiter Ihr „Go“ geben.
Wichtig ist zudem, alle Bedenkenträger im Umfeld anzuhören, Ihre Einwände zu entkräften oder in Ihr Konzept zu integrieren, kurz: es möglichst jedem recht zu machen – das ist die Enten-Strategie Nummer 2. Überlegen Sie darum genau, wer weitere wichtige Bedenken haben könnte und fragen Sie dort gezielt nach.
Quaken Sie noch – oder fliegen Sie schon?
Übrigens: Diese Strategien heißen Enten-Strategien, weil sie sich auf die sogenannte Adler-Enten-Philosophie stützen: Adler- und Enten-Verhalten sind zwei Aspekte menschlichen Verhaltens, die in jedem Menschen – meistens in unterschiedlichem Ausprägungsgrad – angelegt sind. Der Unterschied zwischen einer Ente und einem Adler besteht darin, dass die jammernde Ente in jeder Chance das unlösbare Problem sieht, der Adler hingegen lösungsorientiert vorgeht, er handelt, agiert, gestaltet. Die Ente klebt quakend am Boden, der Adler erhebt sich in die Lüfte.
Jetzt müssen Sie nur noch prüfen, ob Sie auch alle Vorgaben „von oben“ berücksichtigt haben. Schließlich wollen Sie sich später nicht den Vorwurf einhandeln, eigenverantwortlich gehandelt zu haben. Da ist es besser zu warten, bis das Top-Management seinen Segen erteilt hat. Weiterer Vorteil: Sie können nach einem Scheitern den schwarzen Peter nach oben schieben und sich darauf berufen, die Entscheidung nicht selbst getroffen zu haben – und darum auch nicht verantworten zu müssen.
Wer zu spät kommt, den bestraft der Kunde!
All diese Enten-Strategien haben einen riesigen Nachteil: Während Sie perfektionieren, abwägen, integrieren und sich nach allen Seiten absichern – schlägt die Konkurrenz zu und erobert sich strategische Wettbewerbsvorteile, indem sie den Kunden ebenfalls ein neues Produkt anbietet, das vielleicht nicht so gut ist wie Ihres. Aber das weiß der Kunde ja leider nicht! Durch Ihr zögerliches Verhalten ist er ja gar nicht in den Genuss gekommen, Ihr tolles und aufgefeiltes Produkt kennen zu lernen. Ist es also nicht besser, einmal fünf gerade sein zu lassen und lieber mit einem „90-Prozent-Produkt“ an den Markt zu gehen als mit dem 100-Prozent-Produkt nie oder als zweiter?
Was können Sie außerdem tun, um ganz sicher zu sein, nicht ins unternehmerische Handeln zu kommen? Bei dieser Zielsetzung empfiehlt es sich, auf keinen Fall die richtigen Dinge zu tun. Konzentrieren Sie lieber all Ihre Energie darauf, die Dinge richtig zu tun: Sie planen eine Kundenbefragung? Dann überlegen Sie sich nicht, ob Sie zum jetzigen Zeitpunkt angebracht ist und nicht lieber früher hätte durchgeführt werden müssen. Nutzen Sie Ihre Gestalterkraft, um einen Kundenbefragungsbogen zu entwickeln, der höchsten Maßstäben genügt.
Lieber unvollkommen fliegen als perfekt sterben!
Die – sicherlich überspitzten – Beispiele zu den todsicheren Enten-Strategien verdeutlichen eine grundsätzliche Einstellung, die nicht nur in Vertriebsabteilungen anzutreffen ist. Gesungen wird das Lob der Vollkommenheit, des Perfektionismus, der 100-Prozent-Erfolgsgarantie – die gerade deswegen in ihr Gegenteil umschlagen kann. Vor lauter Perfektionismusbestreben, Rücksichtnahme auf potentielle Bedenkenträger, Absicherung nach oben und die Fokussierung darauf, die Dinge richtig zu tun, merkt niemand, dass die Vertriebsabteilung und das Unternehmen das Schicksal der quakenden Ente erleiden und auf dem Speiseteller der Konkurrenz landen.
Meine Frage:
Wie aber können Sie sich in die Lüfte erheben und dafür sorgen, dass sich im Verhalten Ihrer Abteilung, Ihrer Verkäufer und bei Ihnen selbst Grundsätzliches ändert?
Viel Spaß und Erfolg beim Fliegen:-)
Euer Ardeschyr Hagmaier