Endlich hat das Bundesarbeitsgericht eine Klärung herbeigeführt, die eigentlich gar keine ist:
seit Bestehen des AGG (und teilweise schon früher) wurde ich immer wieder gefragt, ob (manchmal auch belehrend darauf hingewiesen, daß…) eine Differenzierung nach Altersstufen in einem Sozialplan gegen den Gedanken der Gleichbehandlung verstößt.
Meine Antwort: “Ja, klar !”. Natürlich liegt ein solcher Verstoß vor. Und jetzt kann ich endlich darauf verweisen: “das sagt so auch auch das BAG und findet es in Ordnung”.
Denn was zählt schon die Meinung eines einzelnen Rechtsverdrehers, von denen ja bekanntlich zwei bereits drei voneinander abweichende Meinungen haben ?
Aber zurück zum Fall: das Problem im Verständnis der (rechtlichen) Logik, das Vielen Kopfzerbrechen bereitet, liegt darin, daß sie annehmen, ein Verstoß sei ein Verstoß und damit sei das Thema am Ende.
Das ist allerdings nicht so. Denn ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsprinzip kann gerechtfertigt sein. Und das ist dann der Fall, wenn Ungleiches ungleich behandelt wird, oder wenn Gleiches gleich behandelt wird. Denn verboten ist es allenfalls, wenn Gleiches ungleich oder Ungleiches gleich behandelt wird.
Alles klar ?
Also auf deutsch: wenn ein 40jähriger Arbeitnehmer eine andere Abfindung erhalten soll, als ein 60jähriger, dann ist das selbstverständlich eine Ungleichbehandlung. Beide bekommen unterschiedlich viel Geld. Aber sie sind ja nun mal auch nicht gleich: der eine ist jünger, der andere älter: sie sind ungleich. Da dies so ist, dürfen sie dann aber eben auch ungleich behandelt werden, und zwar gerade wegen ihres Alters.
Das AGG hat nicht den Sinn, Gleichmacherei bei ungleichen Tateständen zu erreichen. Es soll lediglich ungleiche Behandlungen von vergleichbaren Menschen verhindern. Und eigentlich hat es noch etwas anderes im Sinn, nämlich die Vermeidung von Diskriminierung. Und das ist nur teilweise das Gleiche 😉

woman placing sticky notes on wall
Foto von You X Ventures

Dementsprechend hat das BAG jetzt sehr klar, deutlich und zwanglos entschieden, daß es in Ordnung ist, wenn ein Sozialplan unterschiedliche Zuwendungen vorsieht, weil unterschiedliche Altersgruppen unterschiedliche Nachteile aus einem Arbeitsplatzverlust ableiten.

Kai Stumper
Rechtsanwalt
Rechtsberatung und Coaching www.firstlex.de

++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
Originaltext der Pressemeldung des BAG vom 26.5.2009:

“Altersdifferenzierung in Sozialplänen

Sozialpläne dürfen eine nach Lebensalter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung vorsehen. Sie dürfen rentenberechtigte Arbeitnehmer von Sozialplanleistungen auch ausschließen. Die damit verbundene unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist von § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG gedeckt. Diese Regelung verstößt nicht gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung. Sie ist im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt. Es entspricht einem allgemeinen sozialpolitischen Interesse, dass Sozialpläne danach unterscheiden können, welche wirtschaftlichen Nachteile den Arbeitnehmern drohen, die durch eine Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlieren. Diese Nachteile können mit steigendem Lebensalter zunächst zunehmen, weil damit die Gefahr längerer Arbeitslosigkeit typischerweise wächst, und können geringer sein, wenn Arbeitnehmer nach dem Bezug von Arbeitslosengeld in der Lage sind, Altersrente in Anspruch zu nehmen.
Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts gab daher der Klage eines Arbeitnehmers statt, der eine Abfindung nach einer Sozialplanregelung beanspruchte, die für „bis zu 59-jährige“ Arbeitnehmer eine von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängige Abfindung vorsieht. Eine solche Berechnungsformel ist nach § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG gerechtfertigt. Auch die in dem Sozialplan weiter vorgesehene Differenzierung, nach der über 59 Jahre alte Arbeitnehmer gemäß einer anderen Berechnungsformel nur einen Anspruch auf eine geringere Abfindung haben, ist zulässig und führt nicht zur Unwirksamkeit des Sozialplans. Die mit einem solchen Systemwechsel verbundene Ungleichbehandlung älterer Arbeitnehmer ist ebenfalls durch § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG gedeckt. Sie beruht auf der nicht zu beanstandenden Beurteilung der Betriebsparteien, dass rentennahe Jahrgänge durch den Verlust des Arbeitsplatzes regelmäßig geringere Nachteile erleiden als jüngere Arbeitnehmer.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. Mai 2009 – 1 AZR 198/08 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. November 2007 – 19 Sa 1416/07 -“