Verschlafen externe und interne Weiterbildungsinstitute eine wichtige Entwicklung? Während man sich allenthalben Gedanken über die Auswirkungen des demographischen Wandels macht, müssen Weiterbildungsangebote in der Altersgruppe „50 plus“ mit der Lupe gesucht werden. Und zwar auf betrieblicher Ebene genauso wie im Seminarmarkt. Das ist umso verwunderlicher, als fast alle unsere europäischen Nachbarn erkennen, wie wichtig das Thema Qualifizierung älterer Arbeitnehmer ist.

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Foto von Danielle MacInnes

Eine rühmliche Ausnahme ist die KSB AG in Frankenthal. Hier gibt es EDV-Kurse für Mitarbeiter, die über 55 Jahre alt sind. Dabei setzt der Hersteller von Pumpen und Armaturen aus der Pfalz auf altershomogene Gruppen. „Wir achten darauf, dass bei EDV-Trainings Ältere quasi unter sich sind. Sie tun sich dann leichter, als wenn sie neben einem Jüngeren sitzen, der mit dem PC aufgewachsen ist“, heißt es in der vom Vorstand und dem Betriebsrat editierten Broschüre „Unser Programm für die produktiven Jahre bis zum Ruhestand“.

Konzern-Personalleiter Dr. Joachim Kölpien unterstreicht: „Das Programm ist ein voller Erfolg. Die Belegschaft nimmt das Projekt älterer Mitarbeiter gut an. Wir sind damit auf dem richtigen Weg, KSB dauerhaft zu einem modernen attraktiven Arbeitgeber zu machen.“ Die Betonung liegt auf „dauerhaft“. Denn momentan nutzt auch die KSB die Möglichkeit, mit Altersteilzeitangeboten den Personalstand ohne betriebsbedingte Kündigungen zu reduzieren. Dennoch ist dem Vorstand klar, dass sich die Zeiten ändern werden. Die Zahl der über 55-Jährigen unter der Belegschaft wird kontinuierlich ansteigen. „Das Programm ist deshalb darauf ausgelegt, die Beschäftigungsfähigkeit älterer Mitarbeiter zu erhalten“, erklärt Guido Wambold, bei der KSB zuständig für Grundsatzfragen.

Der Weltmarktführer aus Rheinland-Pfalz tut gut daran. Laut Statistischem Bundesamt gibt es seit 2003 mehr über 40-Jährige als unter 40-Jährige auf dem Arbeitsmarkt. Bereits 2020 ist voraussichtlich die Anzahl der Arbeitnehmer über 40 Jahre doppelt so hoch wie heute. Die Älteren werden also nicht mehr einfach durch Jüngere ersetzt werden können. Was sich in der Gesellschaft unter dem Modewort „Gothys“ (Getting older, thinking younger) durchsetzt, spielt in den personalpolitischen Visionen der meisten Unternehmen aber noch eine untergeordnete Rolle: leistungsstarke Senioren, die vor Tatendrang strotzen und nach neuen Aufgaben suchen, deren Stärken und Schwächen aber auch analysiert und entsprechend trainiert werden müssen.

Ein Dank für jahrelange Loyalität

 

KSB hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt. Möglichen Vorurteilen gegenüber altersspezifischen Qualifikationen haben Vorstand und Personalleitung von vornherein den Boden entzogen, indem sie die Programme – es gehören auch Gesundheitschecks, Gespräche über Perspektiven oder veränderte Arbeitszeitmodelle dazu – in Workshops diskutiert und eng mit dem Betriebsrat abgesprochen haben. Zum anderen kommunizieren sie deutlich die Ziele und Hintergründe. Die Wertschätzung signalisieren Vorstandsvorsitzender und Vorsitzender des Gesamtbetriebsrat in ihrem Vorwort zur Broschüre: „Unsere langjährigen Mitarbeiter sind im besten Sinne des Wortes Profis. Sie kennen unsere Produkte, den Markt und die Kunden. Sie haben Loyalität bewiesen.“

Konkrete Angebote, die Beschäftigungsfähigkeit (Employability) von Mitarbeitern über 50 Jahre durch spezielle Weiterqualifizierung zu erhalten, sind selten. Allerdings erhalten Personalchefs auch kaum Anreize von außen: „Die deutschen Ausbildungsanbieter sind noch nicht ausgerichtet auf diesen Bedarf“, betont Hartmut Buck. Erste Überlegungen würden zwar angestellt, markttaugliche Angebote seien aber noch nicht vorhanden, hat der Leiter des Projekts Demotrans beobachtet. Dieses Projekt des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart zählt zur Avantgarde der praxisorientierten Forschung, was die Auswirkungen des demographischen Wandels auf die betriebliche Personalarbeit betrifft.

Die Herausforderung beginnt für Buck bereits bei der Definition der Zielgruppe: „Es gibt keine pauschale Gruppe 50 plus. Wie sehr die Menschen lerngewöhnt oder lernentwöhnt sind, hängt im Wesentlichen von ihrer Erwerbsbiografie ab.“ So bleibe beispielsweise ein Ingenieur, der alle ein bis zwei Jahre mit neuen Systemen arbeiten muss, automatisch in Übung. „Kritisch dagegen ist die Gruppe, die über Jahrzehnte hinweg die gleiche Tätigkeit verrichtet hat und nun vor Umstrukturierungen steht. Für diese Mitarbeiter ist es sinnvoll, eigene Bildungsangebote zu schaffen.“

Eine Untersuchung aus dem Jahr 2003, die die Bertelsmann Stiftung mit dem Deutschen Arbeitgeberverband herausgegeben hat, gibt Buck Recht. In „Beschäftigungschancen älterer Mitarbeiter – Internationaler Vergleich“ gibt die Schweiz vor, wie das Thema Qualifizierung von älteren Mitarbeitern vorbildlich gestaltet wird.

Von der Schweiz lernen

 

Bei den Eidgenossen werden Weiterbildungsmaßnahmen älterer Mitarbeiter genauso vom Arbeitgeber finanziert wie die der Jüngeren. Die Wahrscheinlichkeit, dass Ältere weitergebildet werden, ist daher vergleichbar mit der Weiterbildungswahrscheinlichkeit der Jüngeren – die Gruppe der über 60-Jährigen ausgenommen. Des Weiteren haben Untersuchungen ergeben, dass die Fortbildungsfähigkeit sich im Laufe der Erwerbsbiografie nicht stark zu verringern scheint. Außerdem nehmen hoch Qualifizierte öfter an Fortbildungen teil als niedriger Qualifizierte.

Genau an diesem Punkt lassen deutsche Arbeitgeber Potenzial ungenutzt, so die Studie. Deutschland verfügt nämlich in der Altersgruppe zwischen 55 und 64 Jahren über einen hohen Bildungsstand, da rund drei Viertel der Bevölkerung mindestens über die Hochschulreife oder eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen. Dieses hohe formale qualifikatorische Potenzial der älteren Menschen wird jedoch nicht für den Arbeitsmarkt genutzt. Bei Weiterbildungsbeteiligungen in der oberen Altersklasse liegt Deutschland mit 14 Prozent bei den 55- bis 59-Jährigen und vier Prozent bei den 60 bis 64-Jährigen etwa gleich auf mit Irland – und das heißt auf den letzten Plätzen des Ländervergleichs dieser Studie.

In fast allen untersuchten Ländern wird mittlerweile der spezifische Qualifizierungsbedarf älterer Arbeitnehmer anerkannt. Nicht aber in Deutschland. Die Autoren empfehlen deshalb, endlich Arbeitsorganisationen und Programme zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit der älteren Mitarbeiter zu entwickeln. Betriebe müssten deshalb altersadäquate Arbeitsorganisationen und Weiterbildung entwickeln. Außerdem sollten Arbeitszeitkonten für lebenslanges Lernen genutzt werden.

„Ältere Menschen brauchen andere Lernmethoden, es gibt aber noch kaum Angebote dafür in der Erwachsenenbildung, weder extern noch intern“, bringt Professorin Erika Regnet von der Fachhochschule Würzburg das Problem auf den Punkt. Die Situation in der deutschen Wirtschaft ist kontraproduktiv für solche Ansätze. „Die Personalabteilungen sind immer noch viel zu sehr damit beschäftigt, kurzfristig Personal abzubauen, statt langfristig die Belegschaft für die Produktivität fit zu halten“, betont die Expertin für „Age Diversity“.

Dabei würden Bemühungen um die Qualifizierung älterer Mitarbeiter vermutlich auf Beifall der Betroffenen stoßen, wie eine Studie der Würzburger FH zum Thema „Strukturgesättigte Arbeitsplätze durch Markt- und Technologietrends“ nahe legt: „Ältere Mitarbeiter zahlen für die eigene Weiterbildung lieber selbst bei externen Anbietern, statt im Unternehmen die Qualifikationsmängel zuzugeben“, sagt Regnet.

Das Thema wird vernachlässigt

 

Dass noch kaum Interesse an der Förderung der erfahrenen Mitarbeiter besteht, hat dieses Frühjahr auch Helge Werner, Geschäftsführer des gemeinnützigen Gildenhaus-Instituts für berufliche Weiterbildung in Bielefeld erlebt. Auf das Tagesseminar „Nutzen Sie die Fähigkeiten älterer Mitarbeiter“ meldete sich kein Interessent. „Das Thema demographischer Wandel ist zwar in den Unternehmen präsent, aber eben nicht aktuell“, glaubt Werner.

Dennoch will der Experte aus der Erwachsenenbildung und der Personalentwicklung am Thema festhalten. Spätestens ab 2007 werden sich die Unternehmen – tritt die wirtschaftliche Erholung in Deutschland ein – aufgrund des Fachkräftemangels mit dem Thema beschäftigen. „Dann wollen wir als Anbieter für Lösungen in Fragen der Personalentwicklung bereitstehen“, betont Werner. Schon jetzt tüftelt er deshalb an konkreten Seminarangeboten.

Zusammen mit der Universität Bielefeld hat Werner Studierende das Thema „Externe Trainingsmöglichkeiten für ältere Mitarbeiter“ untersuchen lassen. Resultat: „Wichtig wird es sein, die Selbstzweifel der Älteren auszuräumen und spezielle Lernstrategien mit hoher Realitätsnähe und ohne Zeitdruck zu entwickeln“, sagt Werner. Altersspezifische Seminare seien dabei sicherlich der richtige Weg. Aber: „Zuvor müssen die Stärken der Älteren gesellschaftlich so kommuniziert werden, dass sich niemand diskriminiert fühlt, wenn er sich zu dieser Gruppe bekennt.“ Allerdings dürfe das nicht die einzige Strategie sein. „Die generationenübergreifende Kompetenzförderung dürfen wir nicht aus den Augen verlieren“, betont Werner. „Es ist wichtig, die Bereitschaft zu fördern, dass Junge von Alten und Alte von Jungen lernen.“

Inhaltlich sieht der Experte für Erwachsenenbildung Bedarf für altersspezifische Seminare im IT-Bereich, aber auch in Themen wie Projektmanagement oder Präsentation. „Die Arbeitsplätze für Ältere werden sich dergestalt ändern, dass deren Erfahrung, etwa als Leiter von Arbeitsgruppen oder Bindeglied zu wichtigen Kunden oder Lieferanten, genutzt wird. Dann brauchen die Betreffenden unter Umständen neue berufliche Qualifikationen“, erwartet Werner.

Viele über 50-Jährige sind in diesem Punkt den Personalentwicklern voraus. Sie finanzieren die Qualifikation für neue Aufgaben lieber selbst, als auf Angebote zu warten oder womöglich wegen mangelnder Qualifikation aufs Abstellgleis geschoben zu werden. Das beobachtet Monika Lukatsch, Leiterin der Augsburger Niederlassung der TÜV Akademie. Bei Weiterbildungen beispielsweise zum Qualitätsmanagementbeauftragten beobachtet sie öfter selbstzahlende Teilnehmer mit langjähriger Berufserfahrung. „Das geschieht sicher, weil Themenspecial Mai 2005 „Diversity Management“ mitunter Betriebe ihren älteren Mitarbeitern Weiterbildung nicht mehr anbieten“, meint sie. „Die Forderung nach lebenslangem Lernen endet dann bei 45-Jährigen.“

Die TÜV Akademie in Augsburg lotet deshalb im Rahmen des EU-geförderten Projekts AGIL (Lokales Arbeitsmarkt-Management für eine älter werdende Gesellschaft) aus, wie Unternehmen mit dem demographischen Wandel umgehen. „Wir verfolgen das Ziel, Unternehmen für altersgerechtes Human Resource Management zu sensibilisieren“, erklärt Lukatsch. Sie ist gleichzeitig Projektleiterin des Teilbereichs TÜV-Akademie des AGILProjekts. Bisher initiiert die TÜV Akademie Netzwerke, bietet Coaching an oder stellt Checklisten bereit, wie man das demographische Profil im Unternehmen ermittelt. Bis die Erkenntnisse dann aber in konkrete Seminarangebote einfließen, wird es noch dauern.

Leere Sympathiebekundungen

 

Up to date sein müssen indes über 50-Jährige in jedem Fall, wollen sie auf dem Arbeitsmarkt eine Rolle spielen. Eine Erhebung der Von Bonin Personalberatung für die Situation der über 50-Jährigen in der Hospitality Industry zeigt, dass 73 Prozent der über 50 Befragten dem Einsatz beziehungsweise der Einstellung von älteren Managern grundsätzlich positiv gegenüberstehen. Sie sehen in ihnen in Krisenzeiten sogar wesentliche Vorteile: Besonnenheit, gutes Urteilsvermögen aufgrund größerer Lebenserfahrung, souveräner Umgang mit Konflikten, ausgeprägter unternehmerischer Weitblick und Verantwortungsbewusstsein. Allerdings: Nur vierzehn Prozent der Befragten würden „alte Hasen“ auch einstellen, wenn sie dieselben Voraussetzungen in Sachen Fachkompetenz, Sicherheit am PC, Kenntnisse im Umgang mit elektronischen Vertriebswegen, teamorientiertem Führungsstil, persönlicher Weiterbildung und Veränderungsbereitschaft mitbrächten wie jüngere Führungskräfte.

Ernüchternd sind vor diesem Hintergrund auch die Antworten auf die Frage nach speziellen Strategien zur Bildung und Weiterbildung älterer Manager: Nur vier Prozent der Unternehmen haben ihre Personalentwicklung bereits auf so genannte „Best Ager Trainings“, Job Rotation-Programme, Coach- und Interim Management-Einsätze erweitert. Damit dürfte die Branche sich kaum von anderen unterscheiden.

„Die wenigsten Unternehmen haben eine Strategie, wie sie mit älteren Mitarbeiter umgehen sollen“, sagt Personalberater Albrecht von Bonin. Es läge zum Teil auch an der Bequemlichkeit der Älteren, die sich für Weiterbildung nicht unbedingt engagieren. Aber: „Man hat die Leute jahrzehntelang dazu erzogen, sich frühzeitig aus dem Berufsleben herauszuziehen. Diese Einstellung muss sich schnellstens ändern.