Beim Personalmanagement sind IT-Systeme wie Microsoft, SAP oder Oracle notwendig, „ersetzen aber nicht die konzeptionelle Arbeit, um die Prozesse sauber zu strukturieren“, sagt Norbert Wangnick, Vorstand der Access AG in Köln im Interview. Der Recruiting-Experte geht nicht davon aus, dass bald eine weltweite „one-size-fits-all“-Software Lösung den Markt bestimmen wird.
Bei der SAP AG in Walldorf sieht man das anders: „Damit Mitarbeiter diese strategisch orientierten Aufgaben adäquat wahrnehmen können, sollten möglichst viele administrative, skalierbare Prozesse durch IT-Systeme automatisiert werden“, sagt eine Mitarbeiterin der Personabteilung. Bewährte Funktionen des Personalwesens (HCM, Human Capital Management) sollten in integrierte Lösungen (ERP, Enterprise Ressource Planning) überführt werden. „Unsere HCM-Lösung führt zu kostengünstigeren und besseren Services mit erhöhtem strategischem Einfluss“, sagt die SAP-Expertin. Darüber hinaus schaffe die Software flexiblere und skalierbare Lösungen, damit der HR-Geschäftsprozess bei Bedarf schnell an aktuelle Erfordernisse angepasst werden könne.
Online vernetzt bleibt mehr Raum für Strategie statt Routine
Potentielle Bewerber können online konkreter angesprochen werden. „Per Mausclick habe ich in Kandidaten-Datenbanken ein konzentrierteres Matching“, sagt Lars Detmers, IT-Experte für Jobbörsen in Mannheim. Hinzu kommen erweiterte Funktionalitäten wie Freitextsuche in Profilen, kostenlose Benachrichtigung per E-Mail und RSS-Feeds sowie eine zusätzliche Vorauswahl von Stellensuchenden in Lebenslauf-Datenbanken, Online-Fragebögen und Anforderungsprofilen.
„Die entscheidenden Qualitätsmerkmale von webbasierten Stellenbörsen sind Aktualität, Angebotsumfang und Benutzerfreundlichkeit“, sagt Detmers. Zudem teile sich der Internet-Stellenmarkt in allgemeine Bewerbungen und spezialisierte Angebote, die sich auf eine bestimmte Branche spezialisiert haben. Daneben existieren auch Metasuchmaschinen, die aus den Karriereseiten einzelner Arbeitgeber und anderen Stellenbörsen Angebote zusammenstellen und aufbereiten, erklärt der Jobbörsen-Betreiber aus Mannheim.
Eine relativ neues Instrument im E-Recruitment ist das Online-Assessment-Center, das klassische Auswahlverfahren wie Intelligenztests mit Online-Testreihen zusammenführen soll , um mehr über seine Bewerber herauszufinden. „Die Erwartungen an ein solches Tool sind hoch, genutzt wird es bisher jedoch erst von wenigen Unternehmen“, sagt Diplom-Psychologe Dr. Matthias Blümke aus Heidelberg.
Vor allem der OPQ (Occupational Personality Questionnaire), eine Potentialanalyse des Personaldienstleisters SHL, diene seit Jahren als bewährtes Rückgrat zur Charakterisierung des Persönlichkeitsprofils. Dieser versuche, menschliche Eigenschaften strukturiert online abzubilden. Ein solcher Blick könne bei gleicher Qualifikation von Kandidaten die „Passung“ zwischen Person und Job und damit die Wahrscheinlichkeit des unternehmerischen Erfolgs erhöhen. Fehlbesetzungen und Kosten könnten damit reduziert werden.
Unübersichtlicher Markt mit über 500 Jobbörsen und Dienstleistern
Personaler haben die Aufgabe, Stellenanzeigen in den Internet-Jobbörsen mit der bestmöglichen Resonanz zu platzieren. Doch der Markt für Jobbörsen ist in Deutschland noch unübersichtlich, da sich im Netz über 500 verschiedene Anbieter tummeln. Für denjenigen, der eine Stelle sucht oder Bewerber gezielt ansprechen möchte, ist ein fundierter Marktüberblick daher essentiell, um die besten Köpfe fürs eigene Unternehmen zu gewinnen. „Daher müssen sich Jobbörsen zwangsläufig als „exzellent“ darstellen“, sagt Jakob Weinberg, Professor für E-Business an der Fachhochschule Wiesbaden, „um sich exzellent darzustellen wird der Maßstab so gewählt, dass das Ergebnis immer top ist.“
Jobbörsen und IT-Systeme können die Personalauswahl nicht ersetzen, sind aber für Personaler als auch Stellensuchende eine schnelle und kostengünstige Alternative zur klassischen Methode, da die Masse an Stellen in Zukunft im Internet angeboten werde: „Dieser Trend wird sich im Rahmen der demografischen Entwicklung weltweit noch verstärken“, sagt Matthias Blümke, denn Deutschland und Europa würden bekanntlich immer älter.
Trotz aller technischen Raffinessen im E-Recruiting wird man jedoch für die genaue Identifizierung geeigneter Mitarbeiter fürs Unternehmen einen klassischen Auswahlprozess installieren müssen. Darin enthalten sind auch typische Assessment Center Übungen und Interviews, um einen besseren Eindruck vom Kandidaten zu bekommen. „Man wird sich zur Evaluierung im Internet nicht nur auf Persönlichkeitsaussagen vom Kandidaten selbst verlassen“, sagt der Heidelberger Personalexperte.
Der weltweite Trend zum E-Recruitment wird sich weiter verstärken
Unternehmen blicken optimistisch in die Zukunft des Internets, denn auch im laufenden Jahr werden viele offene Stellen online besetzt. Dies geht aus der Studie “Recruiting Trends 2008” der Universität Frankfurt am Main hervor. Rund 90 Prozent aller offenen Stellen werden bereits auf unternehmenseigenen Homepages, knapp zwei Drittel über Online-Stellenbörsen veröffentlicht. Der Markt rechnet demnach mit einer steigenden webbasierten Nachfrage nach Jobs und Projekten. Ein wichtiges Qualitätsmerkmal von Online-Stellenbörsen gegenüber Printmedien ist die individuelle und maßgeschneiderte automatisierte Suche. Besonders technisch bezogene Branchen rund um IT, Consulting und Engineering profitieren davon.
„Aufgabenstellungen in den Unternehmen haben bis zu 60% Projektcharakter“, sagt Christoph Beck von der Fachhochschule Koblenz. Es handele sich vor allem um Aufgaben mit einem ansteigenden Komplexitätsgrad, bei dem nur 10 % der Tätigkeiten auf strategische Aufgabenfelder und Leitungsaufgaben entfallen. Die anderen 30% seien dagegen Routineprozesse, die synergetisch von Technik und Mensch gleichermaßen wahrgenommen werden könnten.“ Diese Entwicklung führt dazu, dass Unternehmen immer mehr freie Mitarbeiter im Projektgeschäft einsetzen und hierfür temporär per Internet nachfragen.
Auch aus dem Ausland sollen die besten Köpfe fürs eigene Unternehmen gewonnen werden, denn für rund ein Drittel der Unternehmen ist es nach Angaben der Studie bereits heute wichtig, junge Akademiker aus dem Ausland morgen zu erreichen. Doppelt so viele gehen davon aus, dass die Relevanz der Auslandsrekrutierung in den kommenden fünf Jahren weiter steigen wird. Eine Herausforderung, die ohne eine digitalisierte und internetbasierte Recruitment-Strategie kaum zu bewältigen sein dürfte.