Im Wirtschaftsteil der Tagespresse jagt derzeit eine Hiobsbotschaft die nächste, haben doch die Wirtschaftsforschungsinstitute für das laufende Kalenderjahr einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes um zwei bis drei Prozent prognostiziert. Dies wäre der stärkste Rückgang des Bruttoinlandsproduktes seit Bestehen der Bundesrepublik; er wäre noch deutlich höher als während der Ölkrise, nach der Wiedervereinigung und im Jahr 2002 beim Platzen der New Economy- Blase. Und anders als von der Politik bis gegen Ende des letzten Jahres geäußert, stellt sich gerade heraus, dass sich der Arbeitsmarkt eben nicht von der Wirtschaftsentwicklung abgekoppelt hat, sondern ihr mit dem üblichen halbjährlichen Abstand folgt.

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Foto von Drew Beamer

Somit stellt sich die Frage, wie Unternehmen auf die derzeitige Situation am besten reagieren sollen. Einerseits wird es natürlich zu einer massiven Erhöhung der Anzahl an Arbeitslosen kommen, andererseits erwartet man aber auch eine Zunahme der Kurzarbeit in einem Umfang von mindestens 300.000 Arbeitnehmern. Hinter vorgehaltener Hand spricht man sogar davon, dass die Zahl auch doppelt oder dreimal so hoch sein könnte. Und es spricht einiges dafür, dass es sogar durchaus positiv wäre, wenn die Zahl der Kurzarbeiter höher ausfiele, hilft sie doch auf der anderen Seite die Zahl der Arbeitslosen nicht so stark wie erwartet ansteigen zu lassen.

Sicherlich ist Kurzarbeit nur ein temporäres Hilfsmittel, und wenn die Wirtschaftskrise länger als erwartet andauert, werden die Unternehmen trotzdem zur Aussprache von Kündigungen übergehen und aus wirtschaftlichen Gründen auch übergehen müssen. Aber die Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten eine zwar harte, aber nur recht kurze Rezession. Deshalb ist es durchaus verständlich, ja sogar empfehlenswert, mit Hilfe von Kurzarbeit über diese Durststrecke hinwegkommen zu wollen.

Nachdem die Kurzarbeit in den vergangenen Jahren in der operativen Personalarbeit kaum einmal auf der Tagesordnung stand, ist es an der Zeit, sich wieder einmal mit ihren aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen. Kurzarbeit bedeutet zunächst eine vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit, was bis zu einer Arbeitszeit von null Wochenstunden (Kurzarbeit Null) führen kann. Da Arbeitnehmer bei der Einführung von Kurzarbeit weniger Gehalt bekommen als bisher, stellt diese Maßnahme einen für den Arbeitnehmer nachteiligen Eingriff in das Arbeitsverhältnis dar und kann somit nicht einseitig durch bloße Ausübung des Direktionsrechts angeordnet werden.

Besondere Rechtsgrundlage

Die Einführung von Kurzarbeit bedarf vielmehr eines besonderen Rechtsgrundes. Dies kann ein Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder eine individualvertragliche Ergänzung des Arbeitsvertrages sein. Die Sonderregelung in § 19 Absatz 1 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) als gesetzlicher Rechtsgrundlage zur Einführung von Kurzarbeit wird nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen.

Tarifverträge, die die Kurzarbeit regeln, ermächtigen den Arbeitgeber in aller Regel nur im Zusammenwirken mit dem Betriebsrat zur Einführung von Kurzarbeit. Tarifliche Vorgaben, wie zum Beispiel bestimmte Ankündigungsfristen, sind dabei strikt einzuhalten. Wenn im Betrieb ein Betriebsrat besteht, kommt die Einführung von Kurzarbeit auch durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung in Betracht. Der Betriebsrat hat hier ein zwingend zu beachtendes Mitbestimmungsrecht gemäß Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).

Existiert kein Betriebsrat, muss sich der Arbeitgeber mit den einzelnen Arbeitnehmern über den Weg von individuellen Änderungsverträgen über die Einführung von Kurzarbeit einigen. Ist eine Einigung nicht erzielbar, wäre theoretisch auch an eine Änderungskündigung zu denken, wobei diese in der Praxis sicherlich kaum in Betracht kommen wird und zudem mit erheblichem administrativem Aufwand verbunden ist. Im Regelfall werden Arbeitnehmer vor dem Hintergrund ansonsten drohender Entlassungen der Einführung von Kurzarbeit aber häufig zustimmen, zumal die Bundesagentur für Arbeit bei Vorliegen der dafür erforderlichen Voraussetzungen Kurzarbeitergeld in Höhe von 60 beziehungsweise 67 Prozent der Nettogehaltsdifferenz gewährt.

Die Gewährung von Kurzarbeitergeld durch die Bundesagentur für Arbeit setzt nach den einschlägigen Bestimmungen des Sozialgesetzbuch (SGB) III voraus, dass ein erheblicher

  • Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt,
  • bestimmte betriebliche und persönliche Voraussetzungen erfüllt sind und
  • der Arbeitsausfall schriftlich vom Arbeitgeber oder der Betriebsvertretung der Agentur für Arbeit am Betriebssitz angezeigt worden ist.

Starker Impuls

Ein erheblicher Arbeitsausfall liegt nach dem Gesetzeswortlaut vor, wenn er auf nicht vermeidbaren, vorübergehenden wirtschaftlichen Gründen oder auf einem unabwendbaren Ereignis beruht und im jeweiligen Kalendermonat mindestens ein Drittel der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als zehn Prozent ihres Bruttogehalts betroffen sind. Um der Kurzarbeit stärkere Impulse zu geben, hat die Bundesregierung in dem am 13. Januar 2009 beschlossenen „Konjunkturpaket II“ vorgesehen, dass diese letzte Voraussetzung für zwei Jahre (2009 und 2010) ausgesetzt werden soll.

Unvermeidbare wirtschaftliche Gründe werden dann angenommen, wenn eine durch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung bedingte Veränderung der betrieblichen Strukturen vorliegt. Die Begründung der zuletzt genannten Voraussetzungen dürfte in der aktuellen wirtschaftlichen Lage sicherlich nicht allzu schwer fallen. Die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld sind erfüllt, wenn der Arbeitnehmer nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetzt, aus zwingenden Gründen aufnimmt oder im Anschluss an die Beendigung seines Berufsausbildungsverhältnisses aufnimmt, wenn das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst ist und der Arbeitnehmer nicht vom Bezug von Kurzarbeitergeld ausgeschlossen ist. Letzteres wäre beispielsweise der Fall, wenn ein Anspruch auf Krankengeld besteht. Um die betrieblichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld zu erfüllen, muss lediglich im Betrieb beziehungsweise in der Abteilung regelmäßig mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt sein. Insoweit ist ein Antrag auf Kurzarbeitergeld schon bei sehr kleinen betrieblichen Strukturen möglich.

Die Bundesregierung hat jüngst einige Maßnahmen in die Wege geleitet, um Kurzarbeit zu fördern und dadurch Entlassungen zu verhindern. So trat beispielsweise am 1. Januar 2009 eine neue Verordnung über die Bezugsfrist für Kurzarbeitergeld in Kraft, durch die die mögliche Bezugsdauer auf 18 Monate verlängert wurde. Diese Verlängerung soll für alle Arbeitnehmer gelten, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld im Laufe des Jahres 2009 entsteht. Und in dem von der Bundesregierung am 13. Januar 2009 beschlossenen „Konjunkturpaket II“ sind weitere Maßnahmen zur Förderung von Kurzarbeit vorgesehen. So sollen Arbeitgeber bei Kurzarbeit in den Jahren 2009 und 2010 die von ihnen zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge zur Hälfte durch die Bundesagentur für Arbeit erstattet bekommen. Für Zeiten der Qualifizierung der Arbeitnehmer während Phasen der Kurzarbeit sollen den Arbeitgebern auf Antrag die Sozialversicherungsbeiträge sogar in voller Höhe erstattet werden. Schließlich sollen Minusstunden auf Arbeitszeitkonten keine Voraussetzung zur Erlangung von Kurzarbeitergeld mehr sein müssen, so dass auch der sofortige Antrag auf Kurzarbeitergeld möglich ist, ohne vorher positive Arbeitszeitkonten abbauen zu müssen.

Die Anzahl und der Umfang der Maßnahmen, die die Bundesregierung nun zur Förderung von Kurzarbeit vorgenommen hat beziehungsweise plant, zeigen deutlich den Stellenwert, den sie der Verhinderung von betriebsbedingten Entlassungen durch Einführung von Kurzarbeit beimisst. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Prognosen einer kurzen, aber harten Rezession erfüllen, so dass die nun in vielen Unternehmen angedachte Kurzarbeit auch tatsächlich den von ihr bezweckten Erfolg erzielt, Entlassungen zu vermeiden und diese nicht lediglich hinauszuschieben.

Quelle: PERSONAL – Heft 03/2009

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