Wir leben in einer Zeit der Dematerialisierung

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Foto von Icons8 Team

Unsere Zeit zeichnet sich durch eine umfassende Dematerialisierung aus. Damit ist gemeint, dass wir zunehmend in einer immateriellen Welt leben. Aus einer ökonomischen Perspektive lässt sich dies mit der Veränderung von Bedürfnissen und Arbeitsinhalten aufzeigen. Zum einen befriedigen die Kunden ihre Bedürfnisse immer mehr mit Dienstleistungen statt mit physischen Produkten. So ist Mobilität heute primär Kommunikation, Sicherheit wird durch Vorsorge und Selbstgewissheit geschaffen. Lifestyle und Identität verlangen nicht mehr das Anhäufen von physischem Reichtum, sondern in erster Linie den Zugang zu Möglichkeiten und Gemeinschaften. Dieselbe Dematerialisierung findet auf der Ebene der Arbeitsinhalte statt. Von den Mitarbeitenden wird statt körperlicher Arbeit Wissens- und Emotionsarbeit verlangt. Die Dematerialisierung spiegelt sich in anderen Megatrends wie der Vernetzung, der Digitalisierung oder der Wissensgesellschaft.

Marken geben Immateriellem eine Form

In einer de-materialisierten, immateriellen Welt gewinnen Marken an Bedeutung. Sie sind ein Mittel, um dem Immateriellen eine Form zu geben. Diese Formgebung findet durch das Schaffen von Identität, bildlich gesprochen durch die Verleihung eines Gesichtes statt. Es gelingt dadurch, die Inhalte, das heisst die Werte und die Nutzenversprechen eines Unternehmens, einfacher an die verschiedenen Anspruchsgruppen eines Unternehmens zu kommunizieren. Umgekehrt erhalten die Anspruchsgruppen durch die Marke Orientierung bei ihrer Entscheidungsfindung. Diese Orientierung kann so weit ausgelegt werden, dass die Individuen die Marken für ihre Identitätsarbeit verwenden. Das heisst, sie konstruieren ihr Leben durch die Orientierung an und die Integration der Marken, auf die sie in verschiedenen Anspruchsgruppenrollen zurückgreifen.

 Marke als Mittelpunkt eines ganzheitlichen Managements (Ausschnitt aus der Wissenskarte „Branding“)


Soziale und ökonomische Bedeutung der Marke

Die Marke gewinnt gleichzeitig an sozialer wie an ökonomischer Bedeutung. Sie wird zum Zentrum einer integrierten Unternehmungsführung. Durch die Orientierung an der Marke wird die Gestaltung der Beziehungen zu den unterschiedlichen Anspruchsgruppen aufeinander abgestimmt. Besondere Bedeutung kommt dabei der Kette Mitarbeiterin – Unternehmen – Kundin zu. Die Marke hilft die Bedürfnisse der Kunden auf die Wertschöpfung des Unternehmens abzustimmen. In einer de-materialisierten Ökonomie wird die Wertschöpfung meistens von Mitarbeitenden erbracht. Die Marke erhöht deshalb die Kongruenz von Bedürfnissen und dem Verhalten der Mitarbeitenden.

In der Wissensökonomie sind die Mitarbeitenden entscheidend

Employer Branding bezeichnet die Markenführung gegenüber den Mitarbeitenden. Dabei ist zwischen potenziellen und gegenwärtigen Mitarbeitenden zu unterscheiden. Im Falle der potenziellen Mitarbeitenden erhöht Employer Branding die Attraktivität eines Arbeitgebers. In einer Wissensökonomie wird das Anwerben und Binden von wertvollen Mitarbeitenden zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Darüber hinaus wird gegenüber potenziellen Mitarbeitenden das Image als Arbeitgeber (aber auch als Unternehmen generell) geschärft. Die Präzisierung des Images ist hilfreich, um die Wertvorstellungen von Unternehmen und Mitarbeitenden von Anfang an aufeinander abzustimmen. Die Attraktivität eines Unternehmens stellt die quantitative Ebene, das Image stellt die qualitative Ebene des Erfolgs des Employer Brandings dar.

Employer Branding gestaltet Erwartungen und Verhalten

Oft wird unter das Thema Employer Branding an dieser Stelle ein Strich gesetzt. Wer dies tut, berücksichtigt aber nur den ersten Teil der Thematik. Die Herausforderungen des Employer Brandings beginnen mit dem Eintritt der Mitarbeitenden erst. Die Unternehmensmarke muss in Beziehung auf die aktuelle Belegschaft geführt werden. Employer Branding dient auch hier der Beziehungsgestaltung. Die interne Markenführung hilft einerseits dazu, die Erwartungen der Mitarbeitenden zu steuern. Wie bei den Kunden steuern die Erwartungen zu einem späteren Zeitpunkt massgeblich die Zufriedenheit mit einem Unternehmen. Neben den Erwartungen wird durch Employer Branding das Verhalten der Mitarbeitenden beeinflusst. Das Employer Branding wird zum Employee Branding oder anders ausgedrückt zum Behavioral Branding. Ziel ist die Orientierung des Verhaltens an einem Minimalkonsens, der dafür garantiert, dass das Verhalten gegenüber den Kunden mit deren Erwartungen übereinstimmen.

Identität gemeinsam entwickeln

Employer Branding fängt mit dem Stelleninserat an, zieht sich dann aber weiter über den gesamten Beziehungszyklus einer Mitarbeiterin und ihrem Unternehmen. Die Beziehung kommt insbesondere in den Personalaufgaben der Beurteilung und der Entwicklung zum Ausdruck. Die Beziehung spiegelt sich in der internen Unternehmenskommunikation und in den Instrumenten des HRM. Dies zeigt, dass Employer Branding eine Aufgabe ist, die in die Verantwortlichkeiten von HRM und Marketing fällt. Eine erfolgreiche Bewältigung der Aufgabe verlangt die enge Zusammenarbeit beider Abteilungen. Eine erfolgreiche Bewältigung setzt zudem die aktive Integration der Mitarbeitenden voraus. Eine Organisation, welche die Inhalte der Marke Top Down vorschreiben will, gefährdet sich selber. Vorgeschriebene Marken haben es schwer, zu gelebten Marken zu werden, zu denen sich die Mitarbeitenden bekennen. Employer Branding fordert deshalb eine gemeinsam von Management und Belegschaft durchgeführte Reflexion über die Identität des Unternehmens.

Literaturhinweise:

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Krobath, K. & Schmidt, H. (2010). Innen beginnen. Wiesbaden: Gabler.

Petkovic, M. (2008). Employer Branding (2. Aufl.). Mering: Rainer Hampp.

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