Problempunkt

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Foto von Austin Distel

Der Arbeitgeber erstattete dem Arbeitnehmer über mehr als drei Jahre monatlich die Kosten einer am Arbeitsort angemieteten Wohnung. Sodann verweigerte er die Erstattung unter Hinweis auf ein im Arbeitsvertrag vereinbartes Schriftformerfordernis. Dort heißt es wie folgt: „...Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrags sind, auch wenn sie bereits mündlich getroffen wurden, nur wirksam, wenn sie schriftlich festgelegt und von beiden Parteien unterzeichnet worden sind. Dies gilt auch für den Verzicht auf das Schriftformerfordernis.“ Der Arbeitnehmer vertrat die Auffassung, die Schriftformklausel sei unwirksam und ihm stehe ein Anspruch aus betrieblicher Übung zu.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab der Klage statt. Es ging von einer betrieblichen Übung aus, die Kosten für die Wohnung am Arbeitsort zu erstatten. Zwar kann eine doppelte Schriftformklausel, die vorsieht, dass auch für die Aufhebung des Schriftformerfordernisses wiederum Schriftform notwendig ist, das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindern. Voraussetzung ist, dass sie konstitutiv wirkt, d. h. die Einhaltung der Form zur Wirksamkeitsvoraussetzung erklärt (vgl. BAG, Urt. v. 24.6.2003 – 9 AZR 302/02, vgl. AuA 12/03, S. 45 f.). Dies war vorliegend der Fall. Dennoch bejahte das BAG den Anspruch des Arbeitnehmers aus betrieblicher Übung, da die doppelte Schriftformklausel ihn unangemessene i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) benachteiligte und deshalb unwirksam ist. Sie stand einer betrieblichen Übung daher nicht entgegen.

Es konnte, so der neunte Senat, zwar im Rahmen dieser Entscheidung dahinstehen, ob doppelte Schriftformklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen generell gemäß § 307 BGB unwirksam sind. Das Gericht verwies jedoch darauf, dass es ein derartiges generelles Verbot für zweifelhaft hält. Insbesondere kann es im Interesse beider Vertragspartner stehen, eine betriebliche Übung durch ein doppeltes Schriftformerfordernis zu verhindern. Sie ist schließlich in der Lage, die Arbeitsbedingungen auch zum Nachteil des Arbeitnehmers zu verändern.

Außerdem sind die Besonderheiten des Arbeitsrechts gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB zu berücksichtigen. Insoweit verwies das BAG auf die Nachweispflicht des § 2 Abs. 1 Nachweisgesetz. Danach hat der Arbeitgeber bei Vertragsschluss die wesentlichen Arbeitsbedingungen zu dokumentieren und dem Arbeitnehmer einen Nachweis auszuhändigen. Zweck ist hierbei, zugunsten des Mitarbeiters Rechtsklarheit und Beweiserleichterung zu schaffen. Dieses Ziel würde eingeschränkt, wenn es generell unzulässig wäre, für die Änderungen von Arbeitsbedingungen konstitutive Schriftformerfordernisse zu vereinbaren. Des Weiteren unterliegt das Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis einer ständigen Dynamik und Veränderung. Doppelte Schriftformklauseln können dem vertraglichen Willen der Parteien einen gewissen Bestandsschutz gewähren und eine unbeabsichtigte und schleichende Veränderung vermeiden.

Im Ergebnis hängt die Wirksamkeit einer doppelten Schriftformklausel von der Ausgestaltung und dem Anwendungsbereich ab: Soweit sie auch ausdrückliche, mündliche Abreden erfasst, benachteiligt sie den Arbeitnehmer unangemessen i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil sie über die Rechtslage täuscht. Sie erweckt bei ihm den Eindruck, eine mündliche Abrede sei entgegen § 305b BGB unwirksam. Dass eine derartige Klausel zugleich den rechtlich anerkannten Zweck, eine betriebliche Übung zu verhindern, verfolgt, ist unerheblich. Sie kann insoweit – das BAG ließ hier eine endgültige Entscheidung offen – zwar nicht unangemessen sein. Da § 306 Abs. 2 BGB im Bereich der allgemeinen Geschäftsbedingungen jedoch eine geltungserhaltende Reduktion verbietet, ist es nicht möglich, die Klausel auf das gerade noch zulässige Maß zurückzuführen. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung auch, wenn im Einzelfall der unzulässige – überschießende – Teil nicht zum Tragen kommt.

So lag der Sachverhalt hier, da nach der Auffassung des BAG eine doppelte Schriftformklausel, die nur die betriebliche Übung verhindert, wohl zulässig gewesen wäre. Eine ausdrückliche mündliche Zusage, die Miete der Wohnung zu erstatten, gab es nicht. Daher konnte der Kläger auch nicht irrtümlich davon ausgehen, eine solche Abrede sei entgegen § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB unwirksam. Um beurteilen zu können, ob formularmäßige Vertragsbedingungen unangemessen sind, ist jedoch ein genereller, typisierender und vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzuwenden (BAG, Urt. v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07). Da der Wortlaut der konkreten Klausel auch eine abweichende ausdrückliche mündliche Vereinbarung erfasst, ist sie insgesamt unwirksam.

Konsequenzen

Anders, als die Pressemitteilung des BAG noch vermuten ließ, sind nach dieser Entscheidung doppelte Schriftformklauseln nicht generell unwirksam. Das Gericht gibt vielmehr zu verstehen, dass es sie sowohl für zulässig hält, um eine betriebliche Übung zu verhindern, als auch, um dem Vorrang der ausdrücklichen mündlichen Individualabrede Rechnung zu tragen. Der Arbeitnehmer wird in diesem Fall nicht über die Rechtslage getäuscht und davon abgehalten, sich auf die Rechte zu berufen, die ihm aufgrund einer mündlichen Vereinbarung zustehen.

Praxistipp

Die bisher verwendeten doppelten Schriftformklauseln sind abzuändern. Folgende Formulierung ist nach der derzeitigen Rechtsprechung vorstellbar:

„Änderungen und Ergänzungen, insbesondere durch eine betriebliche Übung, sowie eine Aufhebung dieses Vertrags bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform. Dies gilt auch für eine Aufhebung des Schriftformerfordernisses. Das Schriftformerfordernis gilt nicht für Änderungen und Ergänzungen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ausdrücklich oder konkludent mitteilt, dass eine Vereinbarung auch ohne Einhaltung der Schriftform bindend sein soll.“

Dieser Formulierungsvorschlag beschränkt sich nicht auf die Urteilsbegründung, nach der die Schriftformklausel nur ausdrückliche mündliche Abreden nicht erfassen darf. Das BAG hat jedoch explizit nicht abschließend sämtliche Fallgestaltungen berücksichtigt. Da aber die Interessenlage bei einer konkludenten Vereinbarung vergleichbar ist, sollten Unternehmen auch sie vom Anwendungsbereich ausnehmen, solange das BAG hierüber nicht entschieden hat. Nur so können sie vermeiden, dass ggf. die vollständige Klausel unwirksam ist. Aus Arbeitgebersicht ist der Anwendungsbereich der Klausel damit auch nicht zu weit eingeschränkt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer als Anspruchsteller darlegen und beweisen muss, dass es eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung gibt, die ihn abweichend vom Arbeitsvertrag begünstigt.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht - Personal-Profi - 1/09