Problempunkt

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Foto von Thomas Martinsen

Die Mitarbeiterin ist bei einem Konzernunternehmen als Vertriebsbeauftragte beschäftigt. Auf ihren Antrag erhielt sie 2005 ein Geschäftsfahrzeug (Gfz) für Geschäfts- und Privatfahrten. Der Überlassungsvertrag nimmt auf die Konzernrichtlinie für die Gebrauchsüberlassung Bezug. Dort heißt es u. a.:

„9.4 Wirtschaftlichkeit

Für die Nutzung des Gfz für Geschäfts- und Privatfahrten sind strenge Wirtschaftlichkeitsmaßstäbe anzulegen und einzuhalten. Dies erfordert neben kraftstoffsparender und wagenschonender Fahrweise vor allem auch eine kostenbewusste Beschränkung der Fahrleistung …

12. Beendigung/Widerruf der Gfz-Überlassung

Bei Gfz, die gemäß Ziffer … vergeben wurden, ist der jeweilige Entscheider verantwortlich für die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit. Die Überprüfung ist durch geeignete jährliche Maßnahmen sicherzustellen. Fallen die Voraussetzungen für die Überlassung des Gfz weg, hat der jeweilige Entscheider dafür Sorge zu tragen, dass die Überlassung des Gfz widerrufen wird. In diesem Fall hat der Angestellte das Gfz unverzüglich zurückzugeben.“

In ihrem Antrag vom Februar 2005 hatte die Mitarbeiterin eine jährliche Fahrleistung von 28.360 km an 130 Reisetagen für die dienstliche Nutzung des Fahrzeugs prognostiziert. In einem weiteren Antrag vom Mai 2005 erhöhte sie die Vorhersage auf 49.500 km an 166 Reisetagen. Da sich diese nicht erfüllte, widerrief die Firma mit Schreiben vom 15.8.2007 die Überlassung des Gfz. Zur Begründung führte sie aus, eine Überprüfung habe ergeben, dass die Nutzung des Wagens durch die Arbeitnehmerin nicht die Kriterien der Wirtschaftlichkeit erfülle.

Dagegen klagte die Mitarbeiterin und verlangte, dass ihr die Beklagte ein Dienstfahrzeug entsprechend der Konzernrichtlinie zur Verfügung stellt sowie Schadensersatz im Umfang des monatlichen geldwerten Vorteils von 369,08 Euro brutto zahlt. Der Widerrufsvorbehalt halte einer Inhaltskontrolle nach §§ 308, 307 BGB nicht stand: Die Wirtschaftlichkeitskriterien, auf die sich die Firma bezieht, seien ihr nicht bekannt gewesen.

Demgegenüber berief sich die Firma auf die Widerrufsklausel. Die Überlassung des Wagens sei unwirtschaftlich gewesen, da die Mitarbeiterin entgegen der von ihr abgegebenen Prognose das Fahrzeug nur an 55 Reisetagen mit insgesamt 29.540 km genutzt habe. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt.

Entscheidung

Auf die Berufung des Arbeitgebers hob das LAG das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab. Für die Mitarbeiterin war deutlich, dass sich die Firma grundsätzlich ein Widerrufsrecht hinsichtlich der Gebrauchsüberlassung vorbehalten hatte. Darüber hinaus war ersichtlich, und zwar u. a. in der Konzernrichtlinie, dass die Beklagte die Überlassung des Fahrzeugs „aus wirtschaftlichen Gründen“ widerrufen kann. Ziffer 12 weist auf die Bedeutung der „Wirtschaftlichkeit“ hin. Der Zusammenhang zwischen der „Wirtschaftlichkeit“ der Nutzung und der Möglichkeit, sie zu beenden bzw. zu widerrufen, war damit erkennbar. Insbesondere regelt Ziffer 12, dass die Wirtschaftlichkeit jährlich zu überprüfen ist. Sind die Voraussetzungen für die Überlassung des Fahrzeugs weggefallen, ist dafür Sorge zu tragen, dass sie „widerrufen“ wird.

Die so benannten „wirtschaftlichen Gründe“ konkretisieren – wenigstens im Streitfall – den Widerrufsvorbehalt hinreichend. Um diesen Begriff weiter auszufüllen, kann auf die Voraussetzungen zurückgegriffen werden, die der Einräumung der Nutzung zugrunde lagen. Die Mitarbeiterin musste in ihrem Antrag auf Überlassung eines Fahrzeugs bestimmte Angaben zum dienstlichen Nutzungsumfang machen, damit ihr das Unternehmen überhaupt einen Wagen zur Verfügung stellte. Dadurch wurde zugleich deutlich, dass der Arbeitgeber genau jene Kriterien zugrunde legt, um zu prüfen, ob die Vergabe des Fahrzeugs wirtschaftlich ist. Es ist deshalb möglich, den Fortfall der als Voraussetzung aufgeführten Daten in den Kontext der für den Widerruf genannten „wirtschaftlichen Gründe“ mit einzulesen. Er bestimmt – und zwar gerade aus dem Empfängerhorizont – den im Vertragstext verwendeten Begriff näher und konkretisiert ihn weiter. Bei dieser Konkretisierung handelt es sich nicht um eine ergänzende Auslegung eines im Vertragstext bereits niedergelegten Begriffs. Für die Mitarbeiterin war erkennbar, dass die prognostizierte Anzahl der Tage im Jahr, an denen sie das Fahrzeug dienstlich benötigt, den Begriff der „wirtschaftlichen Gründe“ näher ausfüllen würde (vgl. dazu auch Keilich, AuA 5/09, S. 264, 267, in diesem Heft).

Konsequenzen

Dem praxisnahen Urteil ist zuzustimmen. Seine Bedeutung beschränkt sich allerdings grundsätzlich auf den Außendienst. Dort ist typisch, dass die Mitarbeiter regelmäßig ein Fahrzeug benötigen, um ihre vertraglichen Aufgaben erledigen zu können. Alternativen sind dann der Einsatz des Privatfahrzeugs gegen Kilometergeld oder die Gestellung eines Dienstwagens – meist auch zur Privatnutzung – durch den Arbeitgeber. Für diesen haben Firmenfahrzeuge u. a. den Vorteil, dass ein einheitliches Erscheinungsbild gesichert ist. Typisch ist hier außerdem, dass die dienstliche Nutzung des Fahrzeugs die Privatnutzung meist deutlich überwiegt. Offen ist, um wie viel der Arbeitnehmer ggf. die kalkulierte bzw. prognostizierte Jahreslaufleistung unterschreiten muss, um den Entzug des Fahrzeugs zu rechtfertigen. Das LAG geht auf diese Frage nicht ein. In Bezug auf die zweite Prognose der Mitarbeiterin (49.500 km) war die tatsächliche Laufleistung (29.540 km) erheblich niedriger. Welche Bedeutung die Anzahl der Reisetage haben könnte, ist nicht ersichtlich.

Ganz anders sieht es regelmäßig aus, wenn der Arbeitgeber Innendienstangestellten einen Firmenwagen zur dienstlichen und privaten Nutzung überlässt. Hier steht die Privatnutzung im Vordergrund, deren steuerliche Behandlung für den Mitarbeiter attraktiv ist, weil günstiger als eine Gehaltserhöhung. Für den Arbeitgeber spielt der Umfang der dienstlichen Nutzung – meist (erheblich) geringer als der der Privatnutzung – normalerweise fast keine Rolle.

Praxistipp

Bezogen auf den Außendienst können die oben auszugsweise wiedergegebenen Regelungen aus der Konzernrichtlinie durchaus als Muster dienen. Zusätzlich ist es u. U. sinnvoll, die Mitarbeiter über Einzelheiten der Wirtschaftlichkeitsrechnung hinsichtlich der Dienstwagen zu informieren.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – Personal-Profi – 5/09