man in black jacket sitting on chair
Foto von Zaiqiao Ye

Die Verhaltensrepertoires ändern sich

Die Anpassungsprobleme, denen sich Frauen wie Männer in der heutigen Wissensökonomie gleichermaßen gegenübersehen, entstehen zum einen dadurch, dass traditionelle, männliche Verhaltensrepertoires nicht mehr zu den Herausforderungen eines globalen Wettbewerbs in einer weltweit interagierenden, voneinander abhängigen, stark digitalisierten Weltwirtschaft passen. Sie stammen noch aus den früheren "fordistischen" Arbeitsstrukturen, Arbeitsplatzanforderungen und Ansprüchen an Arbeitsinhalt und -verhalten, die im Zuge des Industriezeitalters entstanden sind. Gleiches gilt für entsprechende Methoden der Unternehmensführung.


Das Überleben am Markt
Gleichzeitig stellt die globale Wirtschaft zunehmend neue Anforderungen an den Markt, an die Unternehmen und deren Mitarbeiter. Anforderungen, die mit Kompetenzen, Arbeitsauffassungen, -strukturen und –haltungen bewältigt werden können, die man bisher eher mit
„weiblichen" Fähigkeiten in Verbindung brachte. Der neue Markt und der neue Wettbewerbs- und "Überlebens"druck gehen mit einem Abbau traditioneller, starrer Hierarchien und Machtstrukturen einher. Stattdessen wird der Aufbau transparenter Informationsflüsse, fluider Entscheidungs- und Beschäftigungsstrukturen, flexibler Arbeitszeitmodelle, temporärer Funktionsrollen und Arbeitsarrangements gefordert. Dabei werden aus statischen Führungskräften und Managern Projektleiter, Teamkoordinatoren, Berater, Freelancer und Interimsmanager. Man arbeitet in temporären Projektkonstellationen und Arbeitsarrangements, die mit wechselnden internen wie externen Mitarbeitern, modularen Teams und Kernteams bewältigt werden sollen.

 

Der Homo Ökonomikus ist tot. Es lebe der Homo Sapientius.

Das Zeitalter der Digitalisierung und Wissensökonomie erfordert somit nicht mehr den „Homo Ökonomikus“: Die funktionierende Arbeiterameise und den Befehle entgegen nehmenden Angestellten soll es nicht mehr geben.
Die bis heute nachwirkenden Arbeitsanforderungen des 19. Jahrhunderts brachten in kleinste Schritte aufteilbare und berechenbare Arbeitsprozesse mit sich. Arbeitsdauer wie Arbeitszeiten waren festgelegt, die absolute Präsenz am festen Arbeitsplatz Pflicht. Die Arbeit hatte ohne Widerspruch und möglichst ohne Mitgestaltungs- und Widerspruchsrecht zu erfolgen. Die Persönlichkeit sollte sich lediglich außerhalb der Arbeit im Verein oder im trauten Heim entfalten dürfen. Dadurch entstand die Trennung von Arbeit und "Heim und Herd". Dadurch entstanden auch die Bilder eines "Mannes, der zu seiner Arbeit aus dem Haus geht" und einer Frau, die ihm den Bereich der Familie, der Freizeit, der Gefühle, der Entspannung und Kreativität frei halten sollte - zu Hause. Was angesichts Tausender (außerhalb ihrer Wohnung) in Fabriken schwerst arbeitender Frauen (und Kinder) im Industriezeitalter ohnehin von Anfang an ad absurdum geführt wurde.

 

Wissen. Macht. Mobil.

Die heutige Wissensgesellschaft bringt für die Geschlechter gleichermaßen neue Herausforderungen mit sich, um nur einige Merkmale der "modernen Arbeitswelt" zu nennen:  Leistungsverdichtung, entgrenzte Arbeitszeiten, flexible Arbeitsorte (die Arbeit nehmen wir immer mit, ist quasi „in uns“) etc. Wichtig ist, dass die Leistung verstärkt individuell von der einzelnen Person abhängt, ihre Persönlichkeit zählt. Gefordert wird auch die totale Identifizierung mit Arbeitsinhalten und Unternehmen. Merkmale, wie hohe Autonomie, die (theoretische) Möglichkeit zur Entfaltung, Selbstständigkeit und Kreativität. (Selbst-)Organisationsfähigkeit, Selbstverantwortung und reflexion - werden als Vorteil dargestellt und häufig auch empfunden. Sie spielen heute eine größere Rolle als je zuvor. Sie ersetzen die fest umschriebene Position innerhalb der Hierarchie.


Work-Life-Balance ist nicht nur ein Modewort. Sie ist eine moderne Notwendigkeit.
Beide Geschlechter müssen dabei aufpassen, dass sie dabei die Work-Life-Balance wahren – und den Spagat zwischen neuen Arbeitsanforderungen und alten Arbeitsbedingungen bewältigen. Denn häufig halten viele Unternehmen noch hartnäckig an alten Arbeits- und Leistungsanforderungen fest, was mit einer der wichtigsten Gründe für Burn-out und Irritationen von Mitarbeitern am Arbeitsplatz darstellt. Hier ist ein stetiger Dialog innerhalb der Unternehmen gefragt, um über eine Kultur des respektvollen und angstfreien Austauschs, Feedbacks und gemeinsamen kreativen "Change Managements" dort anzusetzen, wo jeweils "der Schuh drückt". Viele Experten sind sich heute einig: Man muss an den gewachsenen Strukturen innerhalb wie außerhalb der Unternehmen, wie auch an den Unternehmenskulturen selber ansetzen -  an ihren offiziellen wie inoffiziellen Gesetzmäßigkeiten - damit sich etwas, zum Wohle aller, ändert.


Männer und Frauen vor ähnlichen Herausforderungen

 Männer wie Frauen spüren die „Parallelität der Strukturen: Sie sollen in geistigen, nicht sichtbaren kreativen (Wissens)prozessen Werte schöpfen, lösungsorientiert, flexibel handeln, wie selbstverständlich, begeistert und immer auf Abruf, von überall her zur Verfügung stehen. Gleichzeitig sollen sie in die Arbeit Selbstverwirklichung, Individualität und Sinn legen und hohe Erwartungen an flexibler Leistung und individueller Performance erfüllen. Trotzdem sind mit diesem Anspruch häufig immer noch recht starre, mit Zielvereinbarungen und –vorgaben gespickte Strukturen und Arbeitsauffassungen der Geschäftsführung und HR-Abteilung verbunden, die beispielsweise zeitgebundene Präsenzpflicht fordern, Handlungsalternativen einschränken, autoritäre Weisungsstile aufweisen und echte Mitgestaltung dann doch nicht zulassen. An diesen Widersprüchen zerbrechen viele.

 

Brüche und Widersprüche in Unternehmenskulturen kreativ nutzen

Diese Wiedersprüche – und Anforderungen können auf der einen Seite Frauen stärker ausbremsen als zuvor: Denn zusätzlich zu alten hindernlichen Strukturen kommt  nun der Anschein des "alles ist möglich, wenn sie nur wollen" und "ihre Soft Skills sind nun gefragt"...Auf der anderen Seite können Frauen von diesen Wiedersprüchen auch profitieren, denn Widersprüche, Brüche und Entgrenzungen begleiten sie schon über eine sehr lange Zeit. Sie sind notgedrungen schon länger Teil ihres Erziehungs- und Gesellschaftserlebens gewesen - und haben auch ihre Bewältigungsstrategien und -repertoirs geprägt.


Die Innovationskraft von Unternehmen umfassend nutzen, Stichwort Diversity
Die digitale Entwicklung schreitet voran. Auch die Demokratisierung der Unternehmenskulturen ist nicht mehr aufzuhalten. Es reicht jedoch nicht, eine Vielfalt an Kompetenzen in die Unternehmen einzuladen, obwohl das auch schon löblich ist. Vielmehr ist es auch wichtig, diese Potenziale gezielt zu nutzen. Dazu hier ein Auszug aus der Medieninformation der Bundespressekonferenz am 04.10.2016 in Berlin, darin heißt es:

"Studie zu innovationsförderlichen Arbeitswelten: Überraschend starker Wunsch nach Freiheit und Demokratie

Eine aktuelle Befragung im Auftrag der Gesellschaft für Wissensmanagement e.V. (GfWM), der ZukunftsAllianz Arbeit & Gesellschaft e.V. (ZAAG) und des Personaldienstleisters Hays zeigt, was Berufstätigen wichtig ist, um in ihrem Arbeitsumfeld innovativ zu sein. Die Studie wurde am heutigen Dienstag in Berlin vorgestellt.

Berlin/Frankfurt, 04.10.2016. Der Ruf nach freiheitlichem Arbeiten ist in Deutschland stark: Zwei von drei Berufstätigen wollen mehr Freiheit und Souveränität bei der Gestaltung ihrer Arbeit. Zudem wünschen sie deutlich mehr Demokratie: Drei von vier würden ihr Engagement erhöhen, wenn sie über neue Produkte und Entwicklungen mitentscheiden dürften. Und 80 Prozent meinen, dass mit einer stärkeren Teilhabe an firmenrelevanten Entscheidungen die Produktivität ihres Unternehmens steigen würde. Stärker Einfluss nehmen möchten Berufstätige auch beim Thema Führung: 85 Prozent der Befragten möchten schlechte Führungskräfte gerne abwählen, 70 Prozent möchten Führungskräfte nur auf Zeit wählen. Aus gutem Grund: Vier von zehn Berufstätigen finden, dass die Führungskräfte in ihrem Unternehmen Veränderungen blockieren und neue Ideen abprallen lassen. Dies sind die Kernergebnisse einer empirischen Befragung von knapp 1.200 Berufstätigen, die die TU München im Auftrag der ZukunftsAllianz Arbeit & Gesellschaft, der Gesellschaft für Wissensmanagement und des Personaldienstleisters Hays durchgeführt hat."


Nicht zuletzt bieten Projektarbeit, Freelance-Tätigkeit, Selbständigkeit & Co. neue Möglichkeiten, maßgeblich den Wandel zu bestimmen – und Karriere zu machen.