Die Vorbereitung von professionellen Vorstellungsgesprächen als Arbeitgeber

Wie im letzten Praxisreport geschildert, weiss ich aus eigener Erfahrung, dass Personalauswahlgespräche nicht immer mit der erforderlichen Sorgfalt vorbereitet und durchgeführt werden. Auch gestandene HR-Profis bestätigen mir, dass manchmal – zum Beispiel nach mehreren Interviews – die Gefahr von Routine aufkommt. Doch jedes Personalauswahlgespräch und die Vorbereitung dazu ist eine Herausforderung und kann eine entscheidende Rolle bei der Besetzung einer Schlüsselstelle spielen!

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Foto von Jesus Kiteque

Vorstellungsgespräch vorbereiten als Arbeitgeber – Übersicht

  • Vorbereitung eines Vorstellungsgespräch als Arbeitgeber: Die Rahmenbedingungen
  • Das Employer Branding als Gütezeichen
  • «Nebensächlichkeit» mit Folgen

Vorbemerkung: In meinen früheren – und im letzten Praxisreport als Links vermerkten – Beiträgen habe ich ausführlich über das zentrale Thema der Personalauswahlgespräche berichtet, so dass eine kleine «Gesamtschau» entstanden ist. Um Doppelspurigkeiten zu vermeiden, werde ich im heutigen Praxisreport ausschliesslich Punkte herausgreifen, die ich bisher noch nicht behandelt habe.

Vorbereitung eines Vorstellungsgespräch als Arbeitgeber: Die Rahmenbedingungen

Auch wenn der Inhalt des Interviews sachlich und zielorientiert ist – das Unternehmen will den bestmöglichen Kandidaten, der Bewerber oder die Bewerberin wollen eine anspruchsvolle Stelle – so soll die Atmosphäre doch locker sein. Ein prunkvoll eingerichtetes Chefbüro mit Statussymbolen eignet sich also kaum für eine face-to-face-Begegnung auf gegenseitiger Augenhöhe, dafür kommt ein geräumiger Besprechungsraum mit genügend Abstellflächen für Unterlagen und Notizen eher in Frage.

Weitere Voraussetzungen sind:

  • Ein genügend grosses Zeitbudget (inkl. Reserve): Die Schilderung meines Beispiels im letzten Praxisreport Professionelle Bewerbungsgespräche durch richtige Fragetechniken hat gezeigt, dass «Zeitschinderei und –zwängerei» nichts bringen. Der wiederholte Blick auf die Uhr als Signal für die Beendigung eines Gesprächs ist ein Zeichen der Respektlosigkeit gegenüber den Kandidaten. Erfahrungsgemäss sollte dazu im Durchschnitt eine Stunde sowie eine angemessene Reserve eingeplant werden, natürlich gibt es Interviews, die in kürzerer Zeit abgeschlossen werden können).
  • Gewährleistung eines Gesprächsverlaufs ohne externe Unterbrechungen: Ständige Störungen durch Anrufe und hereingebrachte Unterschriftenmappen mögen zwar Umtriebigkeit und Aktivismus des Interviewers demonstrieren sowie dessen Unentbehrlichkeit vortäuschen, ein Merkmal kompetenter Arbeitsorganisation sind solche Störfaktoren aber nicht. Trotz gefüllter Agenda muss es möglich sein, sich mit einer Bewerberin oder einem Bewerber etwa eine bis zwei Stunden ungestört unterhalten zu können.
  • Informationsunterlagen und Schreibutensilien: Auch im IT-Zeitalter sind Firmenbroschüren, Hauszeitungen, Illustrationsmappen, Prospekte – aber auch Stellenbeschreibungen und Organigramme als Dokumentationsmaterial bei vielen Bewerbenden willkommen.
  • Herzlicher Empfang: Ich habe bewusst das Adjektiv «herzlich» gewählt. Die Bewerberin oder der Bewerber sollen von Anfang an spüren, dass sie willkommen sind. Schliesslich wurden sie von uns für dieses Interview ausgewählt und aufgeboten! (Ob sich später daraus eine Anstellung ergibt, steht zu diesem Zeitpunkt noch nicht zur Debatte). Dabei ist es sekundär, ob der eingeladene Kandidat durch den oder die HR-Verantwortlichen selbst oder ein Mitglied des HR-Teams begrüsst wird. Dass sie oder er mit dem Namen angesprochen werden, gehört zur Anstandspflicht gegenüber einem eingeladenen Gast.

Das Employer Branding als Gütezeichen

In diesem Praxisreport konzentriere ich mich – entgegen meiner ursprünglichen Absicht – auf die Rahmenbedingungen für die Bewerberinterviews, um deren Stellenwert herauszustreichen. Wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen und beim Bewerber einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen, ist es in unserm Unternehmen mit dem viel gepriesenen Employer Branding nicht weit her. Und über eines müssen wir uns als HR-Verantwortliche immer wieder klar werden: Die zur Auswahl stehende Person kann bei guter Qualifikation meistens ebenfalls unter mehreren Angeboten auswählen, so dass so genannte «Nebensächlichkeiten» (die gar keine sind), den Unterschied ausmachen können!

«Nebensächlichkeit» mit Folgen

Apropos «Nebensächlichkeiten»: Zum Schluss noch ein kleines, persönlich erlebtes Beispiel, das mich seinerzeit sehr getroffen hatte: Zurück von längeren Auslandaufenthalten, wollte ich gleich auf die HR-Schiene wechseln und bewarb mich an mehreren Orten als HR-Assistent. Ich erhielt von drei Firmen eine Einladung zum Interview, denen ich natürlich gerne – mit hohen Erwartungen und einem gefüllten Wissensrucksack – Folge leistete. Die kalte Dusche kam sogleich: Der Personalchef des ersten Unternehmens empfing mich mit einem schwammigen Händedruck ohne Namensnennung und schaute in die andere Richtung, wo er vermutlich eine ihm wichtiger erscheinende Person entdeckte. Für mich war sofort – und unabhängig vom Ausgang des vereinbarten Gesprächs – klar: Dies war nicht meine Berufswelt. Als ich am nächsten Tag immer noch gleich dachte, formulierte ich meine Absage und warf sie in den Briefkasten. 

Erstveröffentlichung im Juli 2011 auf weka-personal.ch