Aus Gewohnheit, Trotz oder Revieraggression haben sich bürokratische Verfahren mit Verzögerungseffekten etabliert. Schnell ist suspekt, was aus einem anderen Bereich oder von oben kommt. Deshalb wird formal geprüft und um Rücksprache gebeten, werden weitere Daten angefordert, Aktennotizen angefertigt und Mails in vielfacher Ausfertigung an alle möglichen Leute verschickt.

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Foto von Sarah Shaffer

Managern und Mitarbeitern mit Interesse an einer effektiven Zielerreichung sind derartige Verschleppungen ein Graus. Zeitverschwendung, faule Kompromisse, nicht genutzte Chancen, Kontroll-, Transaktionsund Beratungskosten, Demotivation, Abwanderung von Leistungsträgern, Unzufriedenheit von Kunden sind die Folgen. Da liegt es nahe, auf den sozialen Schmierstoff Vertrauen zu setzen.

Die Logik ist bestechend: Wo ich Vertrauen habe, brauche ich keine Verträge, Absicherungs- und Kontrollverfahren, um in der Zusammenarbeit mit Kollegen, Mitarbeitern und Vorgesetzten wirklich voranzukommen. Formelle Distanzen werden überwunden.

Wenn Führungskräfte über Vertrauen sprechen, versprechen sie ihren Mitarbeitern zugleich Vertrauen. Sie wecken Erwartungen, dass die zwischenmenschliche Beziehung antritt gegen Bürokratie und Hierarchie.

Mit der Beschwörung des Vertrauens aber laufen Manager in die Vertrauensfalle. Zum Schwur kommt es, wenn sich die wirtschaftlichen Bedingungen für das Unternehmen verschlechtern, wenn der Marktdruck zunimmt, die Verkaufszahlen sinken und die Jahresziele verfehlt werden. Der Ton wird rauer, die Hast größer. Fehler werden gemacht:

  • offene Kommunikation – Fehlanzeige
  • Verständnis – denkste
  • Vertrauen – zu gefährlich

Genau in diesem Augenblick schnappt die Vertrauensfalle zu. Und es sitzen nicht nur die Mitarbeiter darin, sondern mit ihnen das gesamte Management. Wer sich geöffnet hat, erfährt Zurückweisung. Die Kontrolle hat – aufgrund der Datenlage – die Oberhand gewonnen. An die Stelle der angekündigten vertrauensvollen und effektiven Zusammenarbeit treten Misstrauen und Argwohn. Man sucht die alten Nischen wieder auf und erweckt das Ungetüm Bürokratie zu neuem Leben.

Wie man der Falle entkommt

Vertrauen korreliert in hohem Maß mit der Qualität der Beziehung, die Menschen zueinander haben. Sie sind von Natur aus auf Bindung programmiert. Deshalb kann Vertrauen im überschaubaren sozialen Nahfeld, etwa im Team oder zu den unmittelbaren Kollegen, aufgebaut und vertieft werden. Persönliches Kennen und gemeinsames Handeln bilden eine solide Grundlage für geprüftes Vertrauen. Teams, in denen Bindung für emotionale Stabilität und Verlässlichkeit sorgt, sind auch in schwierigen Zeiten handlungsfähig, belastbar und letztlich erfolgreich – die Investition in das soziale Kapital hat sich gelohnt.

Es gilt also, glaubwürdige Zeichen zu setzen, indem hochrangige Manager in ihrem nahen Arbeitsumfeld einen vertrauensvollen Umgang pflegen. Welche Mitarbeiter würden der Aufforderung, mehr Vertrauen zu haben, schon Folge leisten, wenn sich die Mitglieder des Vorstands oder der Geschäftsführung offensichtlich untereinander bekriegen? Von vorgelebtem Vertrauen dagegen geht eine Signalwirkung aus.

Nicht die große Beschwörungsformel, sondern die systematische Ansprache des evolutionären Bindungsprogramms in überschaubaren

Teams schafft es, unternehmensweit ein echtes Vertrauensklima zu etablieren. So entkommt man der tückischen Vertrauensfalle, die zwischen Versprechen und Kontrolle zuschnappt und den Weg zum Erfolg versperrt.

Quelle: PERSONAL – Heft 05/2009