Die Erfahrung zeigt, dass die Gefahr zunimmt, aus dem Arbeitsprozess herauszufallen, je länger die Arbeitsunfähigkeit andauert. Hier setzen die Instrumente ein, welche mit der 5. IV-Revision eingeführt wurden. Diese haben zum Ziel, den erkrankten/verunfallten Mitarbeiter wieder an seinen bisherigen Arbeitsplatz zurückzubringen oder, wenn das nicht möglich ist, ihn zumindest im Arbeitsprozess zu behalten.

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Foto von Zaiqiao Ye

Das Gesetz sieht zwei Massnahmen vor. Die Frühintervention und die Integrationsmassnahmen. Die beiden Massnahmen unterscheiden sich hauptsächlich in Bezug auf ihre zeitliche Dauer. Die Frühintervention dauert höchstens sechs Monate. Die Integrationsmassnahmen setzen danach ein, wenn der Arbeitnehmer sechs Monate arbeitsunfähig war.

Rechte und Pflichten des Arbeitgebers

Die neuen Instrumente versuchen den bisherigen Arbeitgeber bei der (Wieder)Eingliederung von erkrankten Mitarbeitern stärker in die Pflicht zu nehmen, da die Chancen für die Wiedereingliederung am bisherigen Arbeitsplatz am grössten sind. Der Arbeitgeber erhält dabei auch Unterstützung: Zum einen werden diese Massnahmen von der IV begleitet und gecoacht. Zum anderen hat der Gesetzgeber mit dem Beitrag an den Arbeitgeber bei Integrationsmassnahmen auch finanzielle Anreize geschaffen.

Grundsätzlich können alle Integrationsmassnahmen beim bisherigen Arbeitgeber durchgeführt werden. In Frage kommt das aber wohl hauptsächlich für die (Wieder)Integration am Arbeitsplatz und die Beschäftigungsmassnahmen.

Werden Integrationsmassnahmen am Arbeitsplatz durchgeführt, kann dem Arbeitgeber ein Beitrag zugesprochen werden. Dieser beträgt maximal Fr. 60.– pro Tag, an dem eine Integrationsmassnahme durchgeführt wird.

Werden dem Arbeitnehmer Integrationsmassnahmen zugesprochen, erhält er ein Taggeld (während der Frühintervention gibt es kein Taggeld). Bezahlt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Lohn weiterhin, erhält der Arbeitgeber das Taggeld.

Die Frühintervention

Die Frühintervention wird gestartet, wenn der Arbeitnehmer 30 Tage arbeitsunfähig war. Damit die IV-Stelle tatsächlich früh intervenieren kann, hat der Gesetzgeber einige – aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht unbedenkliche – administrative Vereinfachungen eingeführt. Anmelden für die Frühintervention kann sich nicht nur der Arbeitnehmer selbst, sondern alle Personen im näheren Umfeld können den Arbeitnehmer ohne dessen Wissen und gegen dessen Willen zur Frühintervention anmelden: Die Angehörigen, der Hausarzt und eben auch der Arbeitgeber. Die besten Erfolgschancen hat die Frühintervention, wenn der Arbeitnehmer im Einverständnis aller Beteiligten angemeldet wird.

Für die Massnahmen der Frühintervention gibt es eine Kostenobergrenze, welche der Bundesrat auf Fr. 20’000.– pro Fall festgelegt hat.

Es können Kosten übernommen werden, um den Arbeitsplatz der Behinderung anzupassen. Denkbar ist z. B die Einrichtung von höhenverstellbaren Schreibtischen oder die Einrichtung von technischen Hilfsmitteln.

Sodann sind Beschäftigungsmassnahmen möglich. Diese können am bisherigen Arbeitsplatz oder in einer speziellen Einrichtung durchgeführt werden.

Ausserhalb des Arbeitsplatzes besteht die Möglichkeit, Ausbildungskurse zu absolvieren, z.B. um den Umgang mit technischen Hilfsmitteln zu erlernen, mit welchen die Behinderung kompensiert wird. Zeichnet sich ab, dass der Arbeitnehmer seine bisherige Arbeit nicht mehr ausüben kann, kann er Arbeitsvermittlung und Berufsberatung erhalten oder an einer sozialberuflichen Rehabilitation teilnehmen.

Von ca. 11’000 Anmeldungen für die Frühintervention im Jahr 2010 kam etwas mehr als jede vierte vom Arbeitgeber. In knapp der Hälfte der Fälle wurde tatsächlich interveniert. Pro Fall wurden dabei durchschnittlich Fr. 3’400.– ausgegeben.

Integrationsmassnahmen

Auf Integrationsmassnahmen hat Anspruch, wer mindestens sechs Monate zu mindestens 50 % arbeitsunfähig ist.

Integrationsmassnahmen sollen versicherte Personen nicht direkt in den Arbeitsprozess integrieren, sondern die Voraussetzungen schaffen, dass diese an beruflichen Massnahmen teilnehmen können. Berufliche Massnahmen sind gemäss Gesetz die erstmalige berufliche Ausbildung, die Umschulung und die Arbeitsvermittlung.

Die Integrationsmassnahmen dauern länger als die Massnahmen der Frühintervention, nämlich sechs Monate, welche auf ein Jahr ausgedehnt werden können. An den Integrationsmassnahmen kann teilnehmen, wer am Anfang mindestens zwei Stunden pro Tag während vier Tagen pro Woche einsatzfähig ist.

Als Integrationsmassnahmen sieht das Gesetz Massnahmen zur sozialberuflichen Rehabilitation sowie Beschäftigungsmassnahmen vor.

Unter dem Begriff der sozialberuflichen Rehabilitation werden drei nach Anforderungen abgestufte Massnahmen zusammengefasst, das Belastbarkeits- und das Aufbautraining sowie die Integration am Arbeitsplatz.

Bei der Integration am Arbeitsplatz soll innert eines Zeitraums von sechs bis zwölf Monaten eine Arbeitsleistung von mindestens 50 % erreicht werden. Hier werden sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber bei der Wiedereingliederung des Arbeitnehmers ein Coach zur Seite gestellt. Dieser begleitet die Wiedereingliederung und interveniert bei Krisensituationen.

Wer noch 50 % arbeitsfähig ist, kann am bisherigen Arbeitsplatz oder in einer speziellen Einrichtung beschäftigt werden. Diese hat zum Ziel, diese 50%ige Arbeitsfähigkeit zu erhalten, bis entweder eine berufliche Massnahme oder eine andere Anschlusslösung gefunden wird.