Kurzüberblick über das Prozessrecht

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Foto von Jonathan Borba

Für das einstweilige Verfügungsverfahren vor den Arbeitsgerichten gelten grundsätzlich die Regeln der Zivilprozessordnung (ZPO; § 62 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz – ArbGG). Die ZPO kennt drei Arten der einstweiligen Verfügung:

– die Sicherungsverfügung,

– die Regelungsverfügung und

– den im Arbeitsrecht häufigsten Fall, die Leistungsverfügung.

Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung sind Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund. Unter Verfügungsanspruch versteht man den „normalen“ Rechtsanspruch, den das Gericht auch im Hauptsacheverfahren prüft. Von Bedeutung ist aber vor allem der Verfügungsgrund. Er liegt vor, wenn die Sache besonders eilbedürftig ist, etwa weil der Anspruch durch Zeitablauf sonst vereitelt würde.

Wichtig

Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist, dass der Verfügungskläger – i. d. R. der Arbeitnehmer – Verfügungsanspruch und -grund substantiiert darlegt und glaubhaft macht.

Die Glaubhaftmachung

Wegen des besonders beschleunigten Verfahrens ist der Gesetzgeber beim einstweiligen Verfügungsverfahren von den üblichen Beweismitteln abgewichen und lässt die Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) ausreichen. Diese setzt ein geringeres Beweismaß voraus und umfasst die Mittel des Vollbeweises mit der Maßgabe, dass nur präsente Beweismittel zulässig sind. Mit anderen Worten: Es dürfen Zeugen sistiert oder Urkunden vorgelegt werden, soweit die Beweisaufnahme sofort in der Kammerverhandlung erfolgen kann. Häufigstes Mittel der Glaubhaftmachung ist allerdings die Versicherung an Eides statt, vgl. Muster. Diese schriftliche Erklärung können die Parteien selbst, aber auch Dritte abgeben.

Wichtig

Zur Glaubhaftmachung des Vortrags des beklagten Arbeitgebers sollte ebenfalls eine Versicherung an Eides Statt erfolgen. Voraussetzung ist stets eine eigene Sachverhaltsdarstellung der Person, die die Angaben macht. Eine Bezugnahme – etwa auf die Ausführungen der Antragserwiderung – ist nicht ausreichend. Zwar kann eine Versicherung an Eides Statt auch noch im Kammertermin abgegeben werden. Angesichts der strafrechtlichen Relevanz sollte man sie allerdings besser in aller Ruhe vorbereiten und jedes Wort sorgfältig abwägen.

Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund

Einstweilige Verfügungen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber drehen sich meist um die folgenden fünf Streitgegenstände:

– Beschäftigung,

– Weiterbeschäftigung,

– Unterlassung der Versetzung,

– Urlaub.

In Übersicht 2 findet sich ein Kurzüberblick über die fünf „Klassiker“ der einstweiligen Verfügung. Die Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern nennt vielmehr essenzielle Schlagworte zum Verfügungsanspruch, mit denen man die Mehrzahl der Fälle sinnvoll lösen kann. Sehr häufig fehlt es jedoch schon an einem Verfügungsgrund, also an der besonderen Eilbedürftigkeit, vgl. Übersicht 1. Das Gesetz nennt für das Vorliegen eines Verfügungsgrunds ausdrücklich konkrete Fälle. Danach ist eine einstweilige Verfügung erforderlich

– zur Abwendung wesentlicher Nachteile,

– zur Verhinderung drohender Gewalt oder

– im Falle der Rechtsvereitelung/Rechtserschwerung.

Praxistipp

Selbst wenn ein solcher Umstand grundsätzlich gegeben ist, sollte der beklagte Arbeitgeber prüfen, ob die Eilbedürftigkeit nicht widerlegt ist.

Besonderheiten des Arbeitsrechts

Wichtigste Besonderheit vor den Arbeitsgerichten ist die Beteiligung der ehrenamtlichen Richter. Das heißt, dass regelmäßig erst nach mündlicher Verhandlung vor der Kammer über den Antrag auf einstweilige Verfügung entschieden wird (vgl. § 62 Abs. 2 Satz 2 ArbGG), vgl. Grafik 3. Nur in ganz seltenen Fällen bescheidet der Vorsitzende einen Antrag außerhalb der mündlichen Verhandlung allein. Nach dem Gesetz ist hierfür eine besondere Eilbedürftigkeit zu verlangen, die über den Verfügungsgrund hinausgeht. Muss der Arbeitgeber mit einem derart eiligen Verfahren rechnen, sollte er erwägen, eine Schutzschrift zu hinterlegen, um sich so vor der Entscheidung rechtliches Gehör zu verschaffen.

Praxistipp

Die Anberaumung eines Kammertermins hat für den Arbeitgeber den Vorteil, dass er als Verfügungsbeklagter Zeit gewinnt. Es dürfte sinnvoll sein, die eigenen tatsächlichen und rechtlichen Argumente in einem Schriftsatz vorzutragen und in der mündlichen Verhandlung noch einmal zu pointieren. Das Gericht setzt i. d. R. eine Frist für den Sachvortrag, die allerdings – je nach Eilbedürftigkeit des Anspruchs – teilweise nur wenige Tage oder gar Stunden betragen kann.

Das Arbeitsgericht entscheidet regelmäßig nur nach mündlicher Verhandlung durch die Kammer. Gegen das Urteil ist die Berufung zum Landesarbeitsgericht (LAG) statthaft. Entscheidet es ausnahmsweise einmal ohne mündliche Verhandlung und gibt es dem Antrag statt, kann der beklagte Arbeitgeber Widerspruch einlegen. Daraufhin kommt es zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer des Arbeitsgerichts. Entscheidet diese dann durch Urteil, ist hiergegen die Berufung zum LAG statthaft, vgl. Grafik 4.

Praxistipp

Da das LAG stets letztinstanzlich entscheidet, beachten auch die Arbeitsgerichte im Gerichtsbezirk i. d. R. „seine“ Rechtsprechung. Es ist also sinnvoll, sich mit der Entscheidungspraxis im eigenen Bezirk des LAG rechtzeitig auseinanderzusetzen.

Fazit

Die Praxis zeigt, dass eine effiziente Einarbeitung in die Materie unter Zugrundelegung der einschlägigen landesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung generell unabdinglich ist. Für den Arbeitgeber dürfte es erfolgversprechend sein, besonderes Augenmerk auf den Verfügungsgrund zu richten. Dies ist meist die „Achillesferse“ der einstweiligen Verfügung. Zur allgemeinen Arbeitserleichterung kann er, wenn ihm eine gegen ihn gerichtete einstweilige Verfügung zugestellt wird, auf die Checklistezurückgreifen.

 

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht - Personal-Profi - 12/08