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BAG, 21. April 2009, (Az: 3 AZR 471/07)

Zum Begriff der gespaltenen Rentenformel

Erteilt ein Arbeitgeber eine Zusage auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, so macht er die konkrete Höhe dieser Leistungen oftmals von der Höhe des Gehalts des Mitarbeiters abhängig. Hierbei sehen viele Versorgungsordnungen für Gehaltsbestandteile oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze ("BBG") höhere Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vor, als für Bestandteile unterhalb der BBG ("gespaltene Rentenformel"). Auf diese Weise soll meist ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass die Gehaltsbestandteile oberhalb der BBG bei der Berechnung der gesetzlichen Rente unbeachtet bleiben.

Entwicklung der BBG

Die BBG wird jährlich von der deutschen Bundesregierung durch Rechtsverordnung angepasst. Die Anpassung erfolgt in dem Verhältnis, in dem das durchschnittliche Bruttoeinkommen im vergangenen Kalenderjahr zum durchschnittlichen Bruttoeinkommen aus dem vorvergangenen Kalenderjahr steht. Mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz vom 23. Dezember 2002 wurde die BBG jedoch einmalig für das Jahr 2003 außerplanmäßig und unabhängig von der Entwicklung der Bruttolöhne um EUR 500 angehoben. Dies hat dazu geführt, dass Arbeitnehmer einen höheren Beitrag zur Rentenversicherung gezahlt haben und noch zahlen. Der für die Höhe der Betriebsrente relevante Gehaltsbestandteil oberhalb der BBG verminderte sich jedoch gleichzeitig dauerhaft, was im Ergebnis zu einer geringeren Betriebsrente führt.

Das Urteil des BAG

Der klagende Betriebsrentner machte eine höhere Betriebsrente geltend. Er war im Jahr 2003 in den Ruhestand getreten. Die Versorgungsordnung nach der sich seine betriebliche Altersversorgung berechnete, sah eine gespaltene Rentenformel vor. Die Versorgungsordnung stammte aus dem Jahr 1991 und enthielt naturgemäß keine Sonderregelung im Hinblick auf die außerplanmäßige Anhebung der BBG im Jahre 2003. Der Berechnung der Betriebsrente des Klägers war die (außerplanmäßig angehobene) BBG des Jahres 2003 zugrunde gelegt worden. Der Kläger verlangte demgegenüber die Berechnung seiner Betriebsrente unter Berücksichtigung einer BBG, die (nur) der üblichen Steigerung entsprach. Unter Zugrundelegung dieser fiktiven BBG hätte der Kläger Anspruch auf eine höhere Betriebsrente gehabt.

Das BAG hat dem Verlangen des Klägers auf eine höhere Betriebsrente stattgegeben. Nach Ansicht des BAG sind Versorgungszusagen mit einer gespaltenen Rentenformel durch die außerplanmäßige Anhebung der BBG regelmäßig lückenhaft geworden. Die insoweit entstandene planwidrige Regelungslücke ist nach Auffassung des BAG durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen. Maßgeblich ist, was die Parteien vermutlich vereinbart hätten, hätten sie die außerordentliche Anhebung der BBG bedacht. Hierfür gibt das BAG folgende Berechnungsformel vor: in einem ersten Schritt ist die Betriebsrente ohne Berücksichtigung der außerplanmäßigen Erhöhung der BBG zu berechnen. Von der so errechneten Betriebsrente ist sodann in einem zweiten Schritt der Betrag abzuziehen, um den sich die gesetzliche Rente infolge der höheren Beitragszahlungen erhöht hat. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob es sich um eine Zusage aufgrund einer Gesamtzusage oder einer Betriebsvereinbarung handelt.

Fazit

Das Urteil des BAG verdeutlicht, wie schnell sich unerwartete rechtliche Probleme ergeben können, wenn Versorgungsordnungen nicht regelmäßig im Hinblick auf die geltende Gesetzeslage sowie die aktuelle Rechtsprechung überprüft werden. Arbeitgeber, deren Versorgungsordnung eine gespaltene Rentenformel aufweisen, sollten diese daher schnellstmöglich überprüfen lassen. Möglicherweise kann nämlich im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Begleitumstände oder durch Auslegung der Versorgungsordnung die Entstehung einer Regelungslücke infolge der außerplanmäßigen Anhebung der BBG ausnahmsweise verneint werden.

Sollte sich die Versorgungsordnung hingegen als lückenhaft erweisen, ist die Berechnung der Betriebsrente künftig nach oben genannten Grundsätzen vorzunehmen. Das Urteil des BAG führt dann für den einzelnen Arbeitgeber nicht nur zu einer höheren finanziellen Belastung, sondern – aufgrund der vom BAG vorgegebenen komplexen Berechnungsformel – auch zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand. Eine im Sinne der Rechtsprechung des BAG lückenhafte Versorgungsordnung sollte darüber hinaus nachgebessert werden. Eine solche Nachbesserung kann möglicherweise durch eine stufenweise Überleitung von der alten zur neuen BBG erreicht werden. Aber auch eine Loslösung von der Berechnung der Betriebsrente anhand der BBG mag – abhängig von den Umständen und der Ausgestaltung des Versorgungswerks im Einzelfall – sinnvoll sein.

Ob das Urteil des BAG über die konkret beschriebene Konstellation hinaus Auswirkungen haben wird, bleibt abzuwarten. Noch ungeklärt ist insbesondere die Frage, ob die in dem Urteil verankerten Grundsätze auch auf beitragsorientierte Systeme Anwendung finden.

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