Literaturtipp:

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Foto von Thomas Lefebvre

Frauen in Führungspositionen – Status Quo in der deutschen Wirtschaft

Analyse organisatorischer Erfolgsfaktoren und individueller Potentiale

Zur Kurzfassung des Projektberichts

Was um die Jahrtausendwende mit den IT-Spezialisten begann, griff im Laufe der Jahre auf andere Berufsgruppen, insbesondere die Ingenieure, über – heute schlagen sogar die Krankenhäuser Alarm: In Deutschland grassiert der Fachkräftemangel. Die Bundesregierung hat jüngst reagiert und Ende Juni ein Fachkräftekonzept verabschiedet. Dieses erleichtert Ärzten und Ingenieuren aus dem Nicht-EU-Ausland den Zugang auf den deutschen Arbeitsmarkt, indem für diese Berufsgruppen die sogenannte Vorrangprüfung aufgehoben wird.

In der Regel dürfen Stellen nur mit einer Arbeitskraft aus dem Nicht-EU-Ausland besetzt werden, wenn der Nachweis erbracht wurde, dass für die Stelle keine entsprechend qualifizierte deutsche oder EU-Arbeitskraft vorhanden ist. Doch ist dem Mangel an qualifizierten Fachkräften tatsächlich nur durch Zuwanderungserleichterungen beizukommen? Nein! Denn vor allem das Potenzial der Frauen wird bis heute nicht ausreichend ausgeschöpft. Um es deutlicher zu formulieren: Nahezu 50 Prozent der verfügbaren Intelligenz in Deutschland werden nicht genutzt!

Frauen in Führungspositionen: Deutschland weit abgeschlagen

Das weiß auch die Bundesregierung und will – ebenfalls Teil des Fachkräftekonzeptes, aber von den Medien weniger beachtet – eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreichen. Noch deutlicher drückt es Arbeitsministerin Ursula von der Leyen aus, die in der Frankfurter Rundschau betonte: „Ohne die Frauen geht es nicht. Frauen wollen arbeiten, nicht nur in der Breite, sondern auch mit Karriereperspektiven bis in die Spitze.“

Und damit sind wir bei einem der Hauptprobleme der deutschen Wirtschaft angelangt: Frauen haben in Deutschland schlechte Karten, wenn es um Top-Positionen geht. Das zeigt der Monitor „Frauen in der Wirtschaft“ der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) ganz deutlich, für den Personaldaten von 400 europäischen Unternehmen aus acht europäischen Ländern ausgewertet wurden (Abschlussbericht erschienen im Juli 2011).

Das Ergebnis ist aus deutscher Sicht ernüchternd: Mit einem Frauenanteil in den Aufsichtsräten von 12,1 Prozent bei den jeweils 50 börsennotierten Unternehmen steht Deutschland – trotz aller Schwierigkeiten beim Vergleich der unterschiedlichen Governance-Systeme – als Nachzügler im europäischen Vergleich da: Der Vergleich mit Spanien ist wegen der Systemunterschiede nicht eindeutig, nur Italien schneidet noch deutlich schlechter ab.

Unter den Systemen mit separatem Aufsichtsgremium, vergleichbar dem deutschen Aufsichtsrat, stehen Norwegen, Schweden, Dänemark und die Niederlande vor Deutschland – wenn auch zum Beispiel aufgrund gesetzlicher Regelungen wie im Falle Norwegens. Gesetzliche Regelungen vermögen jedoch nicht alle Unterschiede zu erklären. Auch Frankreich und Großbritannien, die ähnlich wie Spanien mit einem Spitzengremium auskommen, das Management- und Kontrollaufgaben in sich vereint, liegen hinsichtlich des Frauenanteils vor Deutschland. Und das, obwohl der höhere Anteil von Arbeitsnehmervertretern im deutschen Aufsichtsrat den deutschen Frauenanteil auf dem Papier noch verbessert.

Ein weiteres Beispiel, um den Nachholbedarf hierzulande noch weiter zu verdeutlichen: Zu den Top 100 der 400 untersuchten Unternehmen mit dem höchsten Frauenanteil in Führungsgremien zählen nur fünf Unternehmen aus Deutschland. Spitzenreiter ist Schweden, das mit 32 Unternehmen nahezu ein Drittel der Top 100 stellt.

Veraltete Rollenbilder, gläserne Decken

Nun liegen beim Betrachten der Ergebnisse zwei Fragen nahe: 1. Wie schaffen wir es, zu den führenden Nationen aufzuschließen? 2. Welche Vorteile ergeben sich für ein Unternehmen, das auf einen hohen Frauenanteil in der Führungsebene Wert legt?

Die zweite Fragestellung kann nicht pauschal beantwortet werden, da es in jedem Unternehmen zu viele individuelle Merkmale und Strukturen gibt. Dennoch kommen erste Studien, die genau diese Fragestellung untersuchen, zu relativ eindeutigen Ergebnissen: Je diverser ein Führungsgremium besetzt ist, umso besser sind die Entscheidungen, die getroffen werden. Es sind also nicht die Frauen, die besser führen. Ebenso wenig sind es die Männer: Auf den richtigen Mix kommt es an.

Wie aber erreichen wir diese Diversität in den Führungsgremien, wie können wir es den führenden europäischen Ländern gleich machen? Im Prinzip müssen es Männer und Frauen einfach wollen. Doch so leicht die Lösung klingt, so kompliziert ist sie in der Praxis umzusetzen.

Vor allem verkrustete Hierarchiestrukturen, gläserne Decken und tradierte Rollenbilder verhindern, dass Frauen bis in die Spitze eines Unternehmens aufsteigen können. So betrug 2008 der Frauenanteil in deutschen Vorständen der 330 wichtigsten, börsennotierten Unternehmen (Prime Standard) lediglich 2,4 Prozent, in Aufsichtsräten 8,2 Prozent. Das sind in ganzen Zahlen ausgedrückt 307 von 3.758 Aufsichtsräten. Nur jede fünfte Frau schaffte es über die Industriekarriere in diese Position. Bei dem Rest handelt es sich um Vertreterinnen der Eigentümer- oder Gründerfamilien oder um Politikerinnen, Investorinnen oder Unternehmensberaterinnen.

Vielfalt in der Unternehmenskultur verankern

Unternehmen, die diese deutliche Dominanz der Männer durchbrechen oder zumindest aufweichen wollen, müssen vor allem eine Unternehmenskultur entwickeln, in der Vielfalt eine große Bedeutung beigemessen wird. Wichtig ist, dass Unternehmen diese Werte nicht nur als guten Willen auf dem Papier festhalten, sondern auch tatsächlich in die Praxis umsetzen und leben. Entsprechende Vorhaben zur Frauenförderung sollten die Verantwortlichen daher als Projekt verstehen und handhaben. Sie müssen konkrete Maßnahmen verabschieden, die Durchführung kontrollieren und den Erfolg messen.

Solche Maßnahmen können beispielsweise Mentoring-Programme sein: Frauen, die in höhere Unternehmensebenen aufgestiegen sind, vernetzen sich mit weiblichen Nachwuchskräften, stehen ihnen mit Rat und Tat zur Seite und begleiten und unterstützen sie auf ihrem Weg nach. Auch Gender-Role-Models können helfen, althergebrachte Strukturen und Denkweisen zu durchbrechen. Diese Vorbilder können – oder sollten bestenfalls – Frauen und Männer sein, die erfolgreich die „Doppelbelastung“ von Familie und Beruf meistern und ihre Mitarbeiter ermutigen, diesen Schritt selbst zu wagen.

Für die oben aufgezeigten Maßnahmen zur Förderung der Frauen, aber auch zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sollten sich Unternehmen und Frauen nicht auf Vorgaben der Politik verlassen. Unternehmen sollten stattdessen selbst den ersten Schritt tun, die wirtschaftliche Notwendigkeit der Frauenförderung erkennen und entsprechend handeln. Je früher sie damit anfangen, umso größer ist ihre Chance, die besten weiblichen Fachkräfte für sich zu gewinnen.

Quelle: Newsletter DIS AG