Ergebnis: Eine soziale Innovation, die im 
Unternehmen praktisch gelebt wird

people sitting near brown wooden coffee table
Foto von Jessica Sysengrath

Aus dem ursprünglichen Angstthema „Leistungstransparenz“ wurde das allgemein getragene Konzept „Leistung im Dialog“: eine echte soziale Innovation, die Vertrauen fördert und neue Denkweisen hierarchieübergreifend möglich macht. Die Tugenden des Design-Thinking sind ein wesentlicher Bestandteil der neuen Kultur geworden.


Lessons Learned: Design Thinking braucht
eine lösungsoffene Management-Kultur 

 

Um die Potenziale von Design-Thinking für den HR-Kontext zu nutzen, sollte man sich zunächst einmal über den praktizierten Managementstil und die Unternehmenskultur klar werden. Steht eher ein Controlling-orientierter Stil im Fokus, wird die Kreativität gebremst und Wandel findet nur in einem sehr engen Rahmen statt. Gibt es hingegen ein offenes, veränderungsorientiertes Management-Verständnis wird Design-Thinking zu einer schnell wirksamen Ressource für bessere Lösungen im HR-Kontext. Hierbei verstehen sich alle Beteiligten als Veränderungsmotor für kreative neue Lösungen auf der Prozess- oder Strategie-Ebene. Unsere Wirkungsmessungen haben in solchen Kontexten signifikante Vorteile zu klassischen Veränderungskonzepten bestätigt. Die Beteiligten empfinden eine hohe Zufriedenheit mit der Lösung und sind von der Art und Weise der Erarbeitung überzeugt. Insbesondere das hierarchieübergreifende Arbeiten an gemeinsamen Innovationen hat sich als nachhaltiger Beschleuniger im People-Business erwiesen.

Erste Aufgabe: Aufbau einer vertrauens-
bildenden Innovationsgemeinschaft 

Unser Ziel war es, einen Weg zu entwickeln, durch den notwendige Veränderungsprozesse wirksam initialisiert, ausgearbeitet und in mehr Leistungsfähigkeit umgesetzt werden konnten. Dabei spielten die vielfältigen Perspektiven der verschiedenen beteiligten Gruppen eine wesentliche Rolle.

Wir entschlossen uns, in Innovations-Workshops alle relevanten Perspektiven zusammen zu bringen: vom Vorstand über die unterschiedlichen Führungsebenen bis zum Betriebsrat und den Mitarbeitern. Die gemeinsame Aufgabe war es, Lösungen für leistungsbezogene Herausforderungen zu erarbeiten. Durch das übergreifende Zusammenspiel konnten beispielsweise in der Analysephase alle notwendigen Informationen schnell und ohne bürokratischen Hintergrund erhoben und zusammengeführt werden. Ein weiterer Vorteil: Auf kurzem Wege konnten offene Fragen direkt geklärt werden. Unterstützt durch eine speziell für dieses Vorgehen entwickelte Polylog-Methodik[i] entstanden bei allen Beteiligten logische Zugänge zu den begründeten Denkwelten der anderen und damit Empathie für die einzelnen Perspektiven. Dies war eine wichtige Voraussetzung für eine Lösungsarbeit jenseits bisheriger Rezepte.

Es entstanden  hierarchieübergreifende Innovationsteams, die ganz frei, jenseits aller bisherigen Verabredungen neue Ansätze entwickeln durften. Durch dieses Prinzip verschaffte sich das Unternehmen Zugang zu ganz neuen Möglichkeiten in der Wahrnehmung und Lösung von Problemen.


Der kreative Beschleuniger: Übergreifende 
Innovationsteams statt langatmige Gremienarbeit
 

Nicht nur in der Analyse, sondern auch in der für das Design-Thinking charakteristischen Phase der kraftvollen und schnellen Ideenfindung haben sich die hierarchieübergreifenden Innovationsteams bewährt. Mitarbeitergruppen mit acht unterschiedlichen Perspektiven erarbeiten miteinander konkrete Lösungsideen für Leistungsverbesserungen, zum Beispiel in den Bereichen Arbeitszeit- und Prozessgestaltung oder Kundenmanagement. Eine Vielfalt von Ideen und Impulsen konnten so kreiert, zu Impulsnetzen gebündelt und schließlich über mehrere Iterationsschleifen zu strukturell neuen Lösungsideen zusammengeführt werden.  

Den im Design Thinking typischen „Point of View“, an dem Ideen und deren Nutzen an einer einzigen spezifischen „Persona“ (d.h. einem bestimmten Archetypen von Nutzer) gespiegelt werden, mussten wir in unserem Vorgehen deutlich erweitern. Denn es gab nicht eine spezifische Personengruppe als „Kunden“, sondern eine Vielzahl von Personengruppen, für die der neu kreierte Ansatz verständlich, anwendbar, akzeptabel und idealerweise sogar attraktiv sein sollte. Daher musste für die Bewertung jeder gemeinsam erarbeiteten Idee eine wichtige Frage beantwortet werden:

-> Welcher Nutzen entsteht durch den Lösungsvorschlag
für jede der betroffenen Personengruppen?


Durch diese neuartige Perspektivarbeit wurde so aus den ursprünglich einseitigen Sichtweisen mit der Zeit ein gesamtheitlicher Lösungsblick. Dieser richtete sich nicht mehr auf den individuellen Nutzen der einzelnen Beteiligten, sondern auf den des Gesamtsystems und seiner Subsysteme aus. 
 



[i] Die Grundidee der von ELFsights entwickelten Polylog-Methode ist, dass sich verschiedene Logiken, die in der Regel durch verschiedene Rollen und Perspektiven im Unternehmen repräsentiert werden, zu effizienten  Ansätzen verbinden lassen. Diese Logiken können zum Beispiel technologischer, psychologischer, soziologischer, juristischer Art sein. Kurz: Aus vielen Perspektiven, Ideen und Logiken heraus entstehen innovative, gemeinsam getragene Konzepte. Dieses Vorgehen steht im Gegensatz zum monolithischen Management, das die Leitlinien möglichst eng vorgibt und nur einen engen gemeinsamen Findungs- und Lösungsraum zulässt.

Prototyping: Mit einfachen Bordmitteln 
Konzepte erlebbar machen


Um aus guten Ideen noch bessere und schließlich brauchbare Ansätze zu machen, haben wir die Innovationsgruppen dazu ermutigt, die förderlichsten Ideen mit einfachen Mitteln haptisch begreifbar zu machen. Einige Gruppen arbeiteten mit Lego, andere mit Materialien, wie Kartons, Bänder und Bälle, die in größeren Raumkonzepten genutzt werden konnten.

Durch diese haptische Art der Konkretisierung entstanden begreifbare schlankere Organisationsprinzipien sowie innovative Planungsinstrumente, Kommunikations- und Handlungskonzepte, aber auch neue Personalentwicklungsinstrumente, die schnell begreifbar und in ihrem Potenzial bewertbar wurden (zum Beispiel: Einführung eines neuen Arbeitszeitmodells in der Instandhaltung, ein Potenzialbewertungsverfahren von Facharbeitern, organisatorische und räumliche Neugestaltung des Kunden-Centers).

Ein weiterer Vorteil: Ohne weiteren Aufwand konnten die Ideen sehr greifbar auch an weitere Kreise im Unternehmen kommuniziert werden. Anhand der Prototypen kam schnell eine lebendige Diskussion in Gang. So wurde bereits vor der eigentlichen Umsetzung aus Theorie auf einfache Weise erlebbare Praxis. Dies hat bei der späteren Umsetzung der Lösung viel Zeit gespart.



„Rüttelstrecke“: Tests in der Belegschaft fühlen Prototypen
auf den Zahn und geben neue wertvolle Impulse

Um die Qualität der entstandenen Lösungen weiter zu erhöhen, wurden die Konzepte zur Leistungsverbesserung in kurzen Großgruppen-Veranstaltungen von 1- 1,5 Stunden einem großen Kreis der Belegschaft vorgestellt und miteinander besprochen. Diese Sessions brachten das Begeisterungspotenzial der Ansätze zum Vorschein und natürlich auch die Schwachstellen. Aus all diesen Anregungen und Reflektionen konnten die Innovationsteams lernen und ihre Lösungen weiter verfeinern. So entstanden nach kurzer Zeit passgenaue und gemeinsam getragene Lösungen zur Leistungsverbesserung.

Prinzipien des Design Thinking angewandt:
Beispiel „Einführung Leistungstransparenz“


Als wir den Auftrag erhielten, in einem traditionsreichen mittelständischen Unternehmen das Thema Leistungstransparenz so einzuführen, dass sie auch von Mitarbeiter akzeptiert würde, standen wir vor einer Herausforderung, die durch klassische Managementkonzepte nicht zu lösen war. Über Jahre hinweg hatte die Belegschaft Ressentiments gegen die Leistungstransparenz aufgebaut. Diese galt es zu überwinden.  

Dabei waren schon ein paar Anstrengungen unternommen worden: Top-Management, Betriebsrat und betroffene Mitarbeiter hatten rational über das „Für und Wider“ debattiert. Einerseits sollte die  Leistung einzelner Angestellter sichtbar gemacht werden, andererseits befürchteten die Mitarbeiter pauschal, dass sie „gläsern“ werden würden.

Im laufenden Kommunikationsprozess hatten alle beteiligten Gruppen Standpunkte entwickelt und sich darin so stark festgelegt, dass sie ihre Meinungen nur schwer auf kooperative Weise ändern konnten. Ein Fortschritt schien damit außer Reichweite zu sein, das Risiko, sich an dem ungeliebten Thema die Finger zu verbrennen, war so groß geworden, dass die Firma externe Hilfe heranzog.


Der Design Thinking Prozess startet 
mit der Neudefinition des Problems


Da aus unserer Erfahrung in Veränderungsprozessen Lösungen immer erst dann gut sind, wenn sie von den betroffenen Personen auch wirklich gerne angenommen werden, richteten sich unsere Überlegungen zur Herangehensweise auch in diesem Fall auf einen partizipativen, prozessorientierten Ansatz, wie er den Prinzipen des Design Thinking entspricht.   

Wir starteten mit der Neudefinition des Problems. War das eigentliche Problem tatsächlich die nicht vorhandene Sichtbarkeit der individuellen Leistungen? War es also tatsächlich bisher nicht möglich, die Leistung einzelner Personen sichtbar zu machen und daraus Verbesserungspotenziale abzuleiten? Oder verbarg sich hinter dieser Sicht möglicherweise ein noch ganz anderes Problem?

Um Licht ins systemische Dunkel des Unternehmens zu bringen, interviewten wir betroffene Mitarbeiter aus allen Hierarchie-Ebenen. Wir sammelten eine Vielzahl von Informationen über die Arbeitswelt dieser Menschen sowie deren Sichtweise und Einstellung zum Thema Leistung und analysierten Fakten zu vermuteten „blinden Flecken“.

In der Auswertung kam eine deutlich tiefere Problemstellung in den Fokus. Es zeigte sich schnell,

… dass das Thema Leistungstransparenz als Synonym
     für ein ganzes Problemfeld
stand,
… nämlich einer tiefergehenden Verunsicherung im Umgang mit Veränderungen.

Das Problem, das eigentlich gelöst werden musste, war zunächst kein themenspezifisches, sondern ein soziales: Wie kann eine Veränderungskultur entstehen, in der man erfolgreich miteinander neue Wege hinein in bedrohliche Situationen gehen kann?

Über die Autoren:

·         Jürgen Alexander Lehmann ist Organisationsentwickler und Gründer von ELFsights, einem Coaching-Label für kreative und dialogorientierte Entwicklungsansätze in Unternehmen (mehr dazu unter www.elfsights.de). E-Mail: juergen.lehmann@elfsights.de  

·         Dr. Markus Wendt ist Management- und Organisationsberater, Gründer von HR-Concept und langjähriger Kooperationspartner von ELFsights. E-Mail: markus.wendt@hr-concept.de

Methodischer Hintergrund: 

Für diesen Beitrag haben wir das Prozess-Modell
von Robert Curedale [i] als Erklärungsmodell für die
von uns gewählte Vorgehensweise ausgewählt.
In diesem Modell werden die für das Design Thinking
typische Phasen iterativ durchlaufen, und zwar so
lange bis eine überzeugende Lösung vorliegt.



[i] Robert Curedale, Design Thinking,  process und methods manual,
2013, design community college inc. : Topanga