Allerdings führt ein Mangel nur zur Unwirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses, wenn dieser einen groben Verstoß gegen die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Beschlussfassung darstellt. Darüber hinaus können Mängel auch geheilt werden. Dies kommt bspw. in Betracht, wenn Beschlüsse lediglich Innenwirkung entfalten und jederzeit durch eine neue ordnungsgemäße Beschlussfassung ersetzbar sind.

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Foto von Alesia Kazantceva

6 Beauftragen von Sachverständigen

 

In der Praxis spielen die Fälle der Kostentragung von durch den Betriebsrat hinzugezogenen Sachverständigen häufig eine Rolle. Dabei unterscheidet man zunächst zwischen Auskunftspersonen und sachkundig Beschäftigten des Betriebs, die der Arbeitgeber dem Betriebsrat auf Anforderung zur Beschaffung von erforderlichen Auskünften und Kenntnissen zur Verfügung stellen muss. Sachverständige sind hingegen Externe, die weder dem Betrieb noch dem Unternehmen angehören. Diese sollen insbesondere die fehlende Sach- und Fachkunde des Betriebsrats ersetzen.

Das Gesetz stellt in § 80 Abs. 3 BetrVG keine weiteren Anforderungen an die Person des Sachverständigen, dieser muss nicht als „neutrale“ Person fungieren. Voraussetzung sind vielmehr die Erforderlichkeit und die Vereinbarung mit dem Arbeitgeber. Erforderlich ist die Beauftragung, wenn der Sachverständige Wissen einbringt, das den Mitgliedern des Gremiums nicht zur Verfügung steht und das im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Aufgaben genutzt werden kann. Die Beauftragung von Sachverständigen ist erforderlich, wenn:


► versicherungstechnische Kenntnisse bei der Beratung von Fragen der betrieblichen Arbeitsversorgung,

► arbeitswissenschaftliche Kenntnisse bei Arbeitsschutzfragen,

► wirtschaftliche Kenntnisse bei der Beratung über eine Betriebsänderung und Fragen der Beschäftigungssicherung,

► spezifische rechtliche Kenntnisse wie die Abgrenzung von Werkverträgen und Scheinwerkverträgen zur Ermittlung unzulässiger Arbeitnehmerüberlassung notwendig werden.

Das Hinzuziehen von Sachverständigen ist hingegen nicht erforderlich, wenn: die Erfüllung originärer und typischer Betriebsratsaufgaben betroffen ist,

► vorrangig alle zur Verfügung stehenden Kenntnisquellen genutzt werden können (und müssen),

► man sich zudem hauptsächlich um Sachverhaltsklärung beim Arbeitgeber bemühen und alle innerbetrieblichen Informationsmöglichkeiten nutzen kann (muss).

 

 7 Vereinbarung über die Kosten

Außerdem setzt das Hinzuziehen eines Sachverständigen zwingend eine Vereinbarung zwischen dem Betriebsrat und dem Unternehmen voraus. Ausreichend ist eine formlose Betriebsabsprache. Ohne die Vereinbarung besteht jedoch keine Pflicht zur Kostenerstattung.

 

Praxistipp


Zum Vermeiden von Rechtsstreitigkeiten macht es Sinn, vor der Beauftragung eines Sachverständigen die Kostenfrage zu klären und diese auch entsprechend schriftlich festzuhalten. Erkennt der Arbeitgeber die Kosten nicht an, kann der Betriebsrat die Vereinbarung gerichtlich ersetzten lassen, wobei das Arbeitsgericht in seinem Beschluss die Person des Sachverständigen, 
den Gegenstand der Begutachtung sowie das Honorar festlegt.

 

Rechtssprechung


Sachverständigenkosten

Das BAG (Beschl. v. 11.11.2009 – 7 ABR 26/08, AuA 5/10, S. 310) verneinte die Kostenerstattung für einen Sachverständigen, als der Wahlvorstand zwei Rechtsanwälte mit der Beratung in Bezug auf die anstehende Vorbereitung der Betriebsratswahl ohne vorherige Vereinbarung mit dem Arbeitgeber i. S. d. § 80 Abs. 3 BetrVG beauftragte. In diesem Fall entfiel die Kostentragungspflicht des Unternehmens.

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Soweit der Betriebsrat einen Sachverständigen hinzuziehen kann oder einen Anspruch darauf hat, dass ein Arbeitnehmer als Auskunftsperson zur Verfügung gestellt wird, sind dadurch entstehende Kosten solche der Betriebsratstätigkeit und deshalb vom Arbeitgeber gem. § 40 Abs. 1 BetrVG in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit zu tragen. Dabei ist die Unterscheidung zwischen dem Rechtsanwalt des Betriebsrats als Sachverständiger und als Prozessvertreter relevant. Der Sachverständige stellt dem Betriebsrat Wissen zur Verfügung und berät diesen, während der Verhandlungs- und Prozessvertreter das Gremium selbst in bestimmten Verfahren vertritt. Somit kann auch ein Rechtsanwalt oder Gewerkschaftssekretär als Sachverständiger fungieren, soweit er nicht Vertreter des Betriebsrats ist, bspw. ein Rechtsanwalt, der die Arbeitnehmervertretung in einem Konfliktfall vertritt und dessen Kosten nach § 40 Abs. 1 BetrVG zu erstatten sind. Bei einem Prozessvertreter ist eine vorherige Vereinbarung zur Kostentragung nicht erforderlich (vgl. LAG Berlin- Brandenburg, Beschl. v. 29.5.2012 – 7 TaBV 576/12).

3 Schulungs- und Bildungsveranstaltungen

Die Freistellung für Schulungs- und Bildungsveranstaltungen regelt hingegen § 37 Abs. 6, 7 BetrVG gesondert. Die Vorschrift unterscheidet zwischen notwendigen und nützlichen Veranstaltungen. Sie kennzeichnet notwendige Schulungs- und Bildungsveranstaltungen dadurch, dass erforderliche Kenntnisse für die Betriebsratsarbeit vermittelt werden. Notwendige Schulungs- und Bildungsveranstaltungen sind neben der bezahlten Freistellung des Betriebsratsmitglieds auch sonst vom Arbeitgeber zu finanzieren. Bei lediglich nützlichen Schulungs- und Bildungsveranstaltungen werden hingegen geeignete Kenntnisse für die Betriebsratsarbeit vermittelt. Hier sieht das Gesetz einen begrenzten Umfang des Freistellungsanspruchs von drei Wochen je Amtszeit vor, wobei neuen Betriebsratsmitgliedern vier Wochen zustehen. Die Kosten der Veranstaltung trägt der Arbeitgeber grundsätzlich nicht. I. d. R. werden die Veranstaltungen von Gewerkschaften angeboten und finanziert.


Rechtssprechung


Beispiele zur Kostenübernahme bei Schulungen

Eine Schulungsveranstaltung für den Betriebsratsvorsitzenden und seinen Stellvertreter mit dem Inhalt, die Zusammenarbeit zwischen beiden zu verbessern, ist nur erforderlich, wenn ein aktueller betriebsbezogener Anlass dargelegt wird (LAG Hamm, Beschl. v. 26.4.2013 – 13 TaBV 15/13). Der Arbeitgeber ist auch nicht gehalten, in jedem Fall die Kosten einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung zu tragen, sondern kann den Betriebsrat auf kostengünstigere Alternativen verweisen. So lehnte das LAG Hessen in einem Fall (Beschl. v. 4.11.2013 – 16 TaBVGa 179/13), in dem es um erhebliche Preisdifferenzen zwischen den unterschiedlichen Anbietern von Schulungsveranstaltungen ging, eine Kostentragungslast des Arbeitgebers für ein Seminar ab, das zwar vom Betriebsrat bevorzugt wurde, bei dem aber auch Übernachtungs- und Verpflegungskosten im Gegensatz zu den anderen Schulungen angefallen sind.

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Abmeldungserfordernis

Streit gibt es immer wieder auch hinsichtlich der Frage, in welcher Form und bei wem sich das Betriebsratsmitglied für die Tätigkeit abmelden muss. Grundsätzlich hat eine Abmeldung nicht persönlich zu erfolgen und kann auch mündlich vorgenommen werden. Der Betroffene muss sich allerdings rechtzeitig vor der Betriebsratsarbeit abmelden. So ermöglicht er dem Arbeitgeber, auf die Abwesenheit rechtzeitig zu reagieren. Der Arbeitnehmer muss zudem die Dauer und den Ort der anderweitigen Beschäftigung angeben, nicht hingegen die geplante Tätigkeit selbst. Ausreichend ist insoweit die Mitteilung, dass es sich um die Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben handelt.

 

Rechtssprechung

 

Abmeldung für die Betriebsratstätigkeit

Nach einem Beschluss des BAG vom 13.5.1997 (1 ABR 2/97) kann das Unternehmen vom Betriebsratsmitglied eine Teilnahme am Zeiterfassungssystem auch für die Betriebsratstätigkeit nicht verlangen (vgl. zum Thema auch BAG, Beschl. v. 10.7.2013 – 7 ABR 22/12, AuA 9/14, S. 550, in diesem Heft). Aufgrund der mangelnden gesetzlichen Ausgestaltung des Abmeldungserfordernisses lehnte es das BAG ab, dem Vertreter der Belegschaft Vorgaben zu machen, wie er den Arbeitgeber unterrichtet. Dies gilt im Grundsatz auch für eine vorherige Frist zur Abmeldung. So hat das LAG Hamm mit Urteil vom 25.5.2007 (13 Sa 1117/06) entschieden, dass eine ausnahmslose Abmeldung von vier Tagen vor Beginn der Tätigkeit, wie in dem entschiedenen Sachverhalt gefordert, mangels Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers bei Meldeverfahren ausscheidet.

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1 Freistellung von Betriebsratsmitgliedern

 

Bei der Freistellung von Betriebsratsmitgliedern unterscheidet man zwischen einer vorübergehenden Freistellung von der Arbeit für die Betriebsratstätigkeit und einer generellen Arbeitsfreistellung, d. h. einem „hauptamtlichen“ Betriebsratsmitglied. Die vorübergehende Arbeitsbefreiung gem. § 37 Abs. 2 BetrVG bestimmt sich nach der konkret wahrzunehmenden Aufgabe. Die Befreiung von der beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts muss erfolgen, wenn es – nach Umfang und Art des Betriebs oder – zur ordnungsgemäßen Durchführung von Betriebsratsaufgaben erforderlich ist.


Wichtig


Die Aufgaben der Mitglieder des Betriebsrats sind u. a. die Teilnahme an den Sitzungen des Gremiums und deren notwendige Vorbereitung, die Durchführung von Sprechstunden, die Verhandlung und Besprechung mit dem Arbeitgeber und auch die Teilnahme an Einigungsstellenverfahren.

Zudem hat der Betriebsrat die Aufgabe, Beschwerden der Arbeitnehmer entgegenzunehmen und diese im Hinblick auf Ihre Berechtigung zu untersuchen. Weiterhin nimmt er an Gerichtsverhandlungen teil. Außerdem beinhaltet die Tätigkeit auch Reisezeiten, bspw. wenn Mitglieder außerhalb des Betriebs Betriebsstätten mitbetreuen und dorthin reisen müssen, um die notwendigen Besprechungen mit den Arbeitnehmern zu führen.


Rechtssprechung


Zeugenvernehmung eines Betriebsratsmitglieds

Wird ein Mitarbeiter aus dem Betriebsrat als Zeuge vernommen, so gilt nicht § 37 Abs. 2 BetrVG, sondern das Zeugenentschädigungsgesetz; d. h. das Betriebsratsmitglied muss den Anspruch gegen den Staat geltend machen (vgl. dazu BAG, Urt. v. 11.7.1978 – 6 AZR 387/77, AP Nr. 57 zu § 37 BetrVG 1972).

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Nicht in den Aufgabenbereich des Betriebsrats fallen hingegen die Teilnahme an Veranstaltungen mit rein gewerkschaftlichem Charakter sowie die Teilnahme an Tarifverhandlungen (BAG, Urt. v. 21.6.2006 – 7 AZR 418/05, AuA 2/07, S. 120). Auch die Ausübung anderer Ehrenämter z. B. als Arbeitsrichter am Arbeitsgericht sind keine klassischen Tätigkeiten, für die eine Befreiung nach § 37 Abs. 2 BetrVG vorliegen muss. Oftmals sind dies allerdings Fälle des § 616 BGB, bei denen Beschäftigte bei einer nur vorübergehenden Arbeitsverhinderung und abhängig von der arbeitsvertraglichen Regelung nicht ihrer Vergütung verlustig werden. Das gilt auch für die Vertretung von Betriebsangehörigen vor Gericht oder aber wenn Betriebsratsmitglieder Arbeitnehmer zu Gerichtsverhandlungen, die gegen den Arbeitgeber gerichtet sind, begleiten (vgl. BAG, Urt. v. 18.1.2005 – 3 ABR 21/04). Die Erforderlichkeit der Arbeitsbefreiung ergibt sich teilweise direkt aus dem Gesetz, wie bei der Teilnahme an Sitzungen des Gremiums. Im Übrigen gilt dann eher ein unbestimmt gefasster Beurteilungsspielraum des Betriebsratsmitglieds selbst. Die Rechtsprechung stellt darauf ab, ob es bei gewissenhafter Überlegung und bei vernünftiger Würdigung aller Umstände die Arbeitsversäumnis für erforderlich halten durfte.

 

Rechtssprechung


Erforderlichkeit der Arbeitsversäumnis

Das Betriebsratsmitglied ist gehalten, die Erforderlichkeit zu prüfen, selbst dann, wenn es zu einer Betriebsratssitzung geladen ist. Denn insoweit muss die Zusammenkunft so wichtig sein, dass es die Nichtleistung einer beruflichen Tätigkeit rechtfertigt (LAG Hessen, Urt. v. 4.5.2013 – 16 TaBV 261/12, vgl. AuA 6/13, S. 370).

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Arbeitszeit

Die Betriebsratsarbeit muss grundsätzlich innerhalb der Arbeitszeit erfolgen. Gemeint ist die individuelle persönliche Arbeitszeit, wie sie sich aus dem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder dem Tarifvertrag ergibt. Dies gilt auch bei Teilzeit-Arbeitsverhältnissen. Einen  Ausgleichsanspruchfür die Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit stellt § 37 Abs. 3 BetrVG unter die Voraussetzung, dass sie aus betriebsbedingten Gründen erfolgen musste. Dies kann schon der Fall sein, wenn dem Betriebsratsmitglied wegen der Eigenart oder der Gestaltung des Arbeitsablaufs keine andere Wahl bleibt, als entsprechende Tätigkeiten außerhalb seiner individuellen Arbeitszeit wahrzunehmen, bspw. bei Schichtbetrieb oder aber, wenn es in bestimmten Schlüsselstellungen unabkömmlich ist. Ausnahmsweise kann die Erforderlichkeit auch dann gegeben sein, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat umfangreiche beteiligungspflichtige Sachverhalte vorlegt, die innerhalb kurzer Zeit geprüft werden müssen. § 37 Abs. 3 BetrVG nimmt man zudem regelmäßig auch dann an, wenn langwierige Verhandlungen mit den Verantwortlichen des Unternehmens über die Arbeitszeit hinausgehen. Ein klassischer Fall ist sicherlich die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds als Beisitzer bei einer Einigungsstelle mit „open end“. Keine betriebsbedingten Gründe liegen vor, wenn das Mitglied persönlich nicht in der Lage ist, während seiner Arbeitszeit die Tätigkeit im Gremium wahrzunehmen (bspw. Unterbrechung des Urlaubs für eine Sitzung, obwohl es nicht zwingend auf das Erscheinen dieser Person ankam).

 

Wichtig

 

Zu beachten ist, dass das Gesetz einen Vorrang des Ausgleichs vor einem Abgeltungsanspruch bei Betriebsratstätigkeiten außerhalb der Arbeitszeit vorsieht. Dieses Verhältnis ist zwingend. Ein Abgeltungsanspruch besteht nur, wenn die Arbeitsbefreiung aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich ist. Die entsprechende Geltendmachung durch das Betriebsratsmitglied soll unverzüglich erfolgen. Der Ausgleich in Freizeit ist vor Ablauf eines Monats zu gewähren.

5 Form von Beschlüssen

Entscheidungen des Betriebsrats müssen gem. § 33 BetrVG zwingend in Form von Beschlüssen erfolgen. Im Wesentlichen sieht das Gesetz dazu folgende Formalien vor:

► Die Betriebsratssitzung muss ordnungsgemäß einberufen sein (Beschlussfassung unter Anwesenden, § 33 Abs. 1 Satz 2, 1 BetrVG).

► Alle Betriebsratsmitglieder bzw. Ersatzmitglieder oder die Mitglieder der Jugendauszubildendenvertretung (JAV) müssen ordnungsgemäß geladen worden sein, sofern sie nach § 67 Abs. 2 BetrVG ein Stimmrecht haben; dabei müssen insbesondere Ersatzmitglieder bei Interessenskollisionen eingesetzt werden.

► Die vollständige Tagesordnung ist rechtzeitig mitzuteilen. Dafür werden i. d. R. drei Arbeitstage als rechtzeitig angesehen.

► Der Betriebsrat ist nur dann beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt. Danach entscheidet er mit der erforderlichen Mehrheit, wobei grundsätzlich eine einfache Mehrheit gem. § 33 Abs. 1 BetrVG ausreichend ist. Dies bedeutet demnach die Mehrheit der Anwesenden, wobei bei Stimmgleichheit ein Antrag abgelehnt ist.

 

Die Rechtsprechung stellt bei einem nicht in der Tagesordnung aufgeführten Punkt strenge Voraussetzung an die Beschlussfassung. So ist diese grundsätzlich nicht zulässig, es sei denn, der vollständig geladene und beschlussfähig versammelte Betriebsrat beschließt einstimmig, einen Beschluss zu einer Angelegenheit zu fassen, die bislang nicht Gegenstand der Tagesordnung gewesen ist. Insoweit beantwortete das BAG in einem aktuellen Beschluss vom 15.4.2014 (1 ABR 2/13, AuA 2/14, S. 118) die bisweilen streitige Frage, ob alle Betriebsratsmitglieder bei diesem Beschluss auch anwesend sein müssen. Es kommt nur noch darauf an, dass alle geladen wurden, der Betriebsrat beschlussfähig ist und dann der Beschluss zur Ergänzung der Tagesordnung einstimmig erfolgt.


Praxistipp

 

Bei einer Interessenskollision eines Betriebsratsmitglieds zum Beschlussinhalt sollte sich dieses der Beschlussfassung enthalten. Ein Ersatzmitglied kann an seiner Stelle an der Sitzung teilnehmen.

 

Rechtssprechung


Beispiele für eine Interessenkollision

Das LAG Rheinland Pfalz hat festgestellt (Beschl. v. 10.2.2012 – 6 TaBV 17/11), dass eine Interessenskollision vorliegt, wenn ein von einer Umgruppierung betroffener Arzt selbst an dem Beschluss mitwirkt. Dies deckt sich auch mit der Rechtsprechung des LAG München in einem Fall vom 14.6.2011 (7 TaBV 84/10). In diesem Beschluss ging es um die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes und der Mitwirkung eines hiervon betroffenen Betriebsratsmitglieds an der Beschlussfassung zur Einleitung eines Beschwerdeverfahrens.

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8 Rechtsfolgen unterbliebener Beteiligung

Nach der sog. Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung entfalten mitbestimmungswidrig durchgeführte Maßnahmen des Arbeitgebers gegenüber den einzelnen Beschäftigten keine Rechtswirkung. Hierdurch wird jedoch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht ausreichend gesichert.

Dieser muss vielmehr selbst eine Möglichkeit haben, aktiv die Einhaltung seiner Rechte durchzusetzen. § 23 Abs. 3 BetrVG enthält eine Regelung für grobe Verstöße des Arbeitgebers gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Verpflichtungen. Der Anspruch unterliegt jedoch strengen Voraussetzungen: Die Pflichtverletzung muss grob, d. h. objektiv erheblich und offensichtlich schwer wiegend sein. Nach Ansicht des BAG besteht im Bereich der Mitbestimmung nach § 87 BetrVG eine gesteigerte Schutzbedürftigkeit des Betriebsrats und seiner kollektiven Interessen.

 

Wichtig

 

Der Arbeitgeber darf Maßnahmen im Rahmen des § 87 BetrVG nur mit Zustimmung des Betriebsrats durchführen. Um dieser gesetzgeberischen Wertung Rechnung zu tragen, räumt das BAG dem Gremium bei Verletzung dieser Mitbestimmungsrechte einen weiten, allgemeinen Unterlassungsanspruch ein, der nicht den strengen Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG unterliegt. Es kommt für diesen Anspruch nicht darauf an, dass ein grober Verstoß vorliegt.

Der Unterlassungsanspruch besteht unbeschadet der Möglichkeit des Betriebsrats, nach § 87 Abs. 2 BetrVG ein erzwingbares Einigungsstellenverfahren einzuleiten. Selbst wenn er ein solches Verfahren anstrengt, besteht bis zur Entscheidung der Einigungsstelle ein betriebsverfassungswidriger Zustand. An diesen knüpft der allgemeine Unterlassungsanspruch an. Dieser ist naturgemäß auf künftige Handlungen gerichtet und bietet somit keinen effektiven Schutz gegen die Folgen einer bereits vollzogenen mitbestimmungswidrigen Handlung.

 

Deshalb hat der Betriebsrat bei einer bereits eingetretenen Beeinträchtigung einen Beseitigungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber. Er bildet das Gegenstück zum allgemeinen Unterlassungsanspruch. Die Reichweite des Beseitigungsanspruchs korrespondiert dementsprechend mit der des Unterlassungsanspruchs.


9 Einstweilige Verfügung

Die Arbeitnehmervertretung kann auch im einstweiligen Verfügungsverfahren die Umsetzung einer Maßnahme verhindern. Hierzu bedarf es eines Verfügungsanspruchs und eines Verfügungsgrunds. Angesichts der Eilbedürftigkeit findet jedoch nur eine summarische – nicht abschließende – Prüfung der materiellen Rechtslage statt. Ob dem Betriebsrat der geltend gemachte Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch materiell-rechtlich tatsächlich zusteht, lässt sich daher i. d. R. im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend beurteilen. Diese Unsicherheiten werden beim Verfügungsgrund ausgeglichen: Dieser besteht nur, wenn eine einstweilige Verfügung zur Sicherung der Rechte des Betriebsrats erforderlich und ein Zuwarten bis zur Beendigung des Hauptsacheverfahrens unzumutbar ist.

Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen sind das Gewicht des drohenden Verstoßes und die Bedeutung der umstrittenen Maßnahme einerseits für das Unternehmen und andererseits für die Belegschaft angemessen zu berücksichtigen. Das ArbG führt eine Interessenabwägung durch. Haben die Verantwortlichen das Mitbestimmungsrecht nur formal verletzt, reicht das für einen Verfügungsgrund noch nicht aus, da das Interesse des Arbeitgebers an der Durchführung der Maßnahme überwiegt. Erst wenn er das Mitbestimmungsrecht auch seinem Sinn und Zweck nach verletzt, weil er Handlungen vornimmt, die noch einer Abklärung im Verhältnis zu entgegenstehenden Arbeitnehmerinteressen bedürfen, besteht ein ausreichender Grund, um die Rechte des Betriebsrats trotz etwaiger materiellrechtlicher Unsicherheiten im Wege einstweiliger Verfügung zu sichern.

10 Strafrechtliche Konsequenzen

Die Behinderung oder Störung der Betriebsratstätigkeit stellt nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG eine Straftat dar. Die Vorschrift richtet sich gegen jedermann, also auch gegen das Unternehmen und seine Vertreter. Die Strafandrohung beträgt Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr.

Angesichts dieser erheblichen Rechtsfolgen ist ein zielgerichteter Eingriff von außen in die Tätigkeit der Vertretungsorgane erforderlich, um den Straftatbestand zu verwirklichen. Der Arbeitgeber muss durch sein Verhalten eine Behinderung oder Störung vorsätzlich herbeiführen wollen. Eine

Strafbarkeit ist deshalb nicht bereits dann gegeben, wenn er die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats pflichtwidrig missachtet, ohne ihn bewusst in seiner Tätigkeit beeinträchtigen zu wollen. Daher spielen strafrechtliche Konsequenzen bei der unterbliebenen Beteiligung des Gremiums eine eher untergeordnete Rolle.


11 Fazit 


Die praktische Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat wirft viele Fragen auf, die sich jedoch mit Kenntnis der Rechtslage gut beantworten lassen. In Konfliktsituationen – insbesondere bei der Missachtung von Beteiligungsrechten – stehen entsprechende Verfahren zur Verfügung. Da diese jedoch Auswirkungen auf die von dem BetrVG vorausgesetzte vertrauensvolle Zusammenarbeit haben, gilt es, sich rechtzeitig einen Überblick über die maßgeblichen Vorschriften und die Rechtsprechung zu verschaffen.



Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht 9/2014