Der Telekommunikationsanbieter in unserem Beispiel gewann im Design-Thinking-Prozess Einblicke in die wichtigsten Probleme, Be­dürfnisse und Herausforderungen des lau­fenden Onboarding-Prozesses.

silhouette of person looking to glass window
Foto von Alex Knight

 Einige Schlag­lichter dazu:

► Partizipation: Der Onboarding-Prozess sollte dazu führen, dass die neuen Mitarbeiter schneller Teil der Organisation werden.

► Lernen: Die neuen Mitarbeiter benötigen mehr Zeit und Raum, um zu lernen.

► Beitrag: Durch Coaching wird die Produktivität um ein Vielfaches gefördert.

► Wachsen: Anerkennung der Leistungen motiviert zu einem kontinuierlichen Wachstum in die neue Rolle.

Die Untersuchungen im Anschluss an die Implementierung zeigten, dass das Pilotteam, das an diesem Prozess teilnahm, über den gesamten Verlauf der Beschäftigung weitaus produktiver war als der Rest der Mannschaft. Die Beteiligten konnten ihre Bedürfnisse klar artikulieren, ohne dafür verurteilt zu werden. Sie gewannen auch selbst neue Einblicke in die Abläufe von HR und deren Herausforderungen, die auf den ersten Blick nicht so deutlich waren. Schließlich wurden die Mitarbeiter ermutigt, eigene Ideen aktiv miteinzubringen und auszuformulieren.

Womit Sie sofort beginnen können
Unternehmen stehen vor einem Wettbewerb um Talente, der immer subtiler wird. Denn Mitarbeiter suchen heute nicht mehr nach Jobs, die nur Geld und Sicherheit bringen. Sie sind anspruchsvoller geworden und wollen umworben werden. Was bietet mir das Unternehmen an Freiheiten, Verantwortlichkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten? Diese Fragen beschäftigen immer mehr Bewerber – und sie machen eine andere Sicht auf die Themen Recruiting, Bewerbermanagement und Mitarbeiterbindung erforderlich.

Wer Personalarbeit zukunftsfähig machen will, muss sich vom „Prozessdesign“ weg bewegen. Dabei müssen HR-Abteilungen das Rad nicht neu erfinden. Ein erster Schritt besteht häufig schon darin, innerhalb des Unternehmens Ausschau nach Ideen und Inspiration zu halten. Anstatt an den Prozessen selbst zu arbeiten, studieren Sie lieber, was Ihre Mitarbeiter tatsächlich tun. Besuchen Sie deren Arbeitsplätze und beobachten Sie deren Verhalten. Sie müssen verstehen, warum und wie sich die Mitarbeiter am Arbeitsplatz verhalten, wenn Sie ihre Bedürfnisse verstehen und passende Lösungen finden wollen. Lassen Sie sich die einzelnen Arbeitsschritte vorführen und beobachten Sie diese genau – oft sagen Menschen etwas anderes, als sie letztlich machen – einfach, weil viele Handlungen bereits zu Gewohnheiten mutiert sind und dadurch unbewusst ablaufen.

Lernen Sie vom Design Thinking in der Kundenbetreuung. Viele Unternehmen nutzen diese Methode, um ihr Kundenserviceprogramm zu entwickeln. Beobachten Sie Ihre eigenen Erfahrungen, die Sie mit dem Kundenservice anderer Unternehmen machen. Hinterfragen Sie bewusst, was Sie sich von einem bestimmten Unternehmen erwarten. Dieses Wissen können Sie dann wiederum in Ihrer HR-Abteilung anwenden. Denn die Aufgabe von HR in jeder Organisation ist es, Mitarbeiter bestmöglich zu unterstützen. Diese sind letztlich Ihre Zielgruppe beziehungsweise Ihre Kunden. Daraus wird die HR-Abteilung zu einer Art Service-Abteilung: Durch die Bemühungen, den menschlichen Aspekt Ihrer Organisationen entsprechend zu managen, liegt der Fokus darauf, die Bedürfnisse der Mitarbeiter und Führungskräfte bestmöglich zu erfüllen.

Erstellen Sie zunächst Prototypen neuer Ausbildungs- oder Einstellungsprogramme. Testen Sie diese in einer kleinen Gruppe und evaluieren Sie, was die Gruppe daran mag und was nicht. So können Sie die Erfahrungen Ihrer Mitarbeiter von der Einstellung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflussen.

Fazit
Design Thinking ist ein Ansatz, der einen positiven Kreislauf in Gang setzt. Mit dem Fokus auf dem Menschen entwickeln Sie damit Prozesse, welche die Bedürfnisse der Mitarbeiter in den Mittelpunkt stellen, unnötige Komplexität abbauen und positive Erfahrungen am Arbeitsplatz erzeugen. Das steigert die Mitarbeiterzufriedenheit, führt zu einem größeren Engagement, da die Arbeit als leichter, effizienter, erfüllender und lohnender empfunden wird, und steigert schlussendlich die Produktivität im gesamten Unternehmen.

 

Literaturtipps

Basiswissen Business-Analyse. Probleme lösen, Chancen nutzen
Von Ingrid Gerstbach.
Redline 2015.

Design Thinking im Unternehmen. Ein Workbook für die Einführung von Design Thinking
Von Ingrid Gerstbach.
Gabal Verlag 2016.


---------------------------------------------------------

 

Quelle: personal manager - Zeitschrift für Human Resources | Ausgabe 6  November/ Dezember 2016.

3. Diese neuen Erkenntnisse vergleichen die Design Thinker mit HR-eigenen Daten und unternehmerischen Umsatzdaten, um Schlüsselelemente bezogen auf die Übergangspunkte und Arbeitsaufgabenbereiche zu identifizieren. Dabei achten sie vor allem darauf, was die eigentlichen Herausforderungen aus Sicht der neuen Mitarbeiter sind und inwiefern sich diese Erkenntnisse mit denen aus der eigenen Forschung widerspiegeln. Welche Bereiche müssen neu definiert oder gestaltet werden, damit die neuen Mitarbeiter sich schneller und leichter einleben können? Was sind typische Hindernisse?

4. Beim Prototyping setzt das Team schließlich erste Ideen um. Es setzt beispielsweise neue Programme auf und testet sie in kleinen Gruppen. Durch das Verständnis dessen, was die Gruppe mag und was nicht, lassen sich die Prozesse verbessern, bis auch wirklich alles zur Zufriedenheit aller Beteiligten passt. Dabei sind „schnelle Fehler“ ausdrücklich erlaubt, um die Integration von „lessons learned“ zu ermöglichen. Schon in dieser Phase steigt häufig das Engagement der Mitarbeiter. Denn wer sich verstanden und respektiert fühlt, setzt sich meist gerne für seinen Betrieb ein.

Ein Unternehmen der Baubranche wollte beispielsweise eine App entwickeln, um ihren Mitarbeitern die Arbeit zu erleichtern. Bei genauerem Hinsehen und der sorgfältigen Definition der Zielgruppe kam heraus, dass diese gar keine App braucht, sondern einen Katalog, den sie in die Hand nehmen und auch mit Arbeitshandschuhen anfassen kann. In diesem Fall wurden also die Anforderungen komplett neu definiert, Ideen gesammelt und die am besten passende Lösung umgesetzt.

Die Phase der Informationssammlung findet in einem mehrphasigen und nicht linearen Verfahren statt, das stetige Interaktionen und Lernprozesse ermöglicht. Dieses Vorgehen zwingt die Design Thinker dazu, neue Wege zu beschreiten und alternative Richtungen zu bedenken. Aus all diesen Informationen erarbeiten sie dann Profile, sogenannte Personas, die als Persönlichkeitsmodell der Mitarbeiter dienen.

Durch diese intensive Auseinandersetzung und das daraus gewonnene Verständnis können Design Thinker die Bedürfnisse der Mitarbeiter identifizieren und passende Lösungen umsetzen. Dazu verwenden sie Prototyping-Techniken, mit denen sie neue Ideen ausprobieren, überprüfen und gegebenenfalls anpassen sowie als Lösung weiterentwickeln. So hat das Design-Thinking-Team im beschriebenen Beispiel einen Katalog entworfen, der durch seine Optik und Haptik den Bedürfnissen der Bauarbeiter gerecht wurde. Anstatt diesen gleich fertig zu stellen, entwickelte das Team aber zunächst einen Prototyp, den die Nutzer testen und beurteilen konnten. So konnte sich das Team Feedback einholen, um den Katalog noch genauer auf den Bedarf der Mitarbeiter abzustimmen.

HR selbst ist in diesem Prozess gefordert, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Denn Design Thinking trägt oft entscheidend zur Entwicklung und Einführung neuer digitaler Werkzeuge im Unternehmen bei, die Arbeit, Kommunikation und Interaktion vereinfachen sowie verbessern. Personaler sollten sich daher um ein gutes Verständnis von digitalem Design, mobilen Applikationen, Verhaltenspsychologie und User Experience bemühen.

Neue Technologien, unterschiedlichste Anwendungen und eine konstante Flut an Informationen: Viele Mitarbeiter sind heute an ihrem Arbeitsplatz überfordert. Kein Wunder, wenn der Aktenstapel unaufhaltsam wächst, der Kunde bereits zum wiederholten Mal nach dem Angebot fragt und die eigene To-do-Liste nicht kürzer wird. Dieser Zustand ist leider kein Einzelschicksal: Laut einer Studie der Arbeiterkammer Steiermark aus dem Jahr 2014 fürchten sich mehr als 39 Prozent der Arbeitnehmer vor einem Burnout. Weitere 20 Prozent geben zu, von Dauerbelastung und Stress am Arbeitsplatz betroffen zu sein.

Schuld an der Überforderung sind häufig komplexe Strukturen in Unternehmen, die den Bedürfnissen ihrer Anwender nicht Rechnung tragen. HR-Lösungen zielen in der Regel auf Programme oder Prozesse ab, die Menschen trainieren, deren Leistung bewerten, die Einhaltung von Regeln gewährleisten oder die Praxis der Arbeit dokumentieren. Formulare, Prozessschritte oder klassische Aus- und Fortbildungen sind die Tools dieser HR-Strategien. Zwar funktioniert dies bis zu einem gewissen Grad. Doch führen diese Strukturen auch dazu, dass die Mitarbeiter einer Flut von E-Mails, Besprechungen oder bürokratischen Prozessen ausgesetzt sind. Viele Unternehmen sind sich dessen bewusst und halten die momentane Komplexität der unternehmensinternen Abläufe sogar für ein Hindernis für den wirtschaftlichen Erfolg und für das Wachstum im Geschäft.

Im Fokus:
Erfahrungen und Bedürfnisse der Mitarbeiter
Um die überforderten Mitarbeiter zu entlasten und Anwendungen zu entwickeln, die komplexe Strukturen erleichtern, ist das Personalmanagement gefordert. Und genau dabei hilft Design Thinking. Als Methode und Mindset lenkt es den Fokus weg von Ausbildungsprogrammen und Prozessen. Stattdessen stellt es gezielt die Arbeitnehmer mit ihren persönlichen Erfahrungen und Bedürfnissen in den Mittelpunkt. Der Begriff „Design“ hat in diesem Kontext nichts mit der Ästhetik von Produkten zu tun, sondern spiegelt das Ziel von Designern wider, Produkte zu entwickeln, die sich an den Bedürfnissen ihrer Benutzer orientieren. Dieser Ansatz ist von den Methoden des digitalen Designs, der User Experience oder der Verhaltensökonomie bereits bekannt. Nimmt man im Unternehmen einen solchen Blickwinkel ein, eröffnet sich eine andere Perspektive auf Innovation – weg von der technischen Seite und hin zum menschlichen Erleben. Diese Perspektive ist für jede Abteilung in jedem Unternehmen, unabhängig von der Branche, essenziell wichtig. Gerade bei der Entwicklung zukunftsfähiger Arbeitsplätze kann Design Thinking Wertvolles beitragen.

Die HR-Abteilung als interner
Servicebereich
Erfolgreiche Unternehmen fragen sich selbst immer wieder, wie sie ihren Kunden noch bessere Produkte und Dienstleistungen bieten können, die sich von denen ihrer Wettbewerber positiv abheben. Ebenso kann HR die Produkte und Dienstleistungen für die Mitarbeiter optimieren. Denn es ist letztlich der Mitarbeiter, der die Interaktion mit Technologien und anderen komplexen Systemen als einfach, intuitiv und angenehm erleben soll. 

Design Thinking hilft dabei, sensibler zu erspüren, wo die Probleme und Herausforderungen liegen und was das Unternehmen dazu beitragen kann, dass sich der einzelne Mitarbeiter wohlfühlt. Dies führt letztendlich dazu, dass Betriebe in Zukunft auch attraktiver für neue Talente werden.

Wie Design Thinking
in HR funktioniert
Im Design Thinking übernehmen HR-Verantwortliche neue Rollen. Sie werden von „Prozess-Entwicklern“ zu „Designern der Erfahrungen“. Die Voraussetzung dafür ist ein völlig neues Denken. HR-Manager, die Design Thinking anwenden, fragen beispielsweise: Was motiviert den Menschen? Wie sieht er sich selbst? Was schätzt er? Wie drücken sich seine Werte im typischen Büroverhalten aus? Wie sieht eine positive und erfolgreiche Erfahrung unserer Mitarbeiter aus? Wie können wir die Zusammenarbeit und das Lernen erleichtern? Wie können wir die Vorteile des digitalen Zeitalters nutzen, damit unsere Mitarbeiter produktiver werden? Wie können wir den Mitarbeitern helfen, Dinge schneller zu verstehen, damit sie schneller Entscheidungen treffen können? Wie kann HR dabei helfen, dass die Mitarbeitererfahrungen sich ins Positive wenden? Wie kann HR helfen, diese neuen Erfahrungen im gesamten Unternehmen zu teilen und zu fördern?

Design Thinker wissen, dass es notwendig ist, Probleme von verschiedenen Seiten zu betrachten. Zunächst müssen sie die Herausforderung identifizieren, um dann im Anschluss eine effiziente Lösung zu finden. Damit dies gelingt, ist es wichtig, Teams interdisziplinär zusammenstellen. Denn so lassen sich Fragestellung aus verschiedenen Perspektiven betrachten und innovative Lösungen finden. Design Thinker studieren dazu zunächst die Mitarbeiter in ihrem Umfeld. Sie beobachten und befragen sie zu ihrem Alltag, um den Arbeitsalltag und die verschiedenen Herausforderungen der einzelnen Personen genau zu verstehen.

Erfolgreiches Design Thinking –
ein Beispiel
Erfolgreiches Design Thinking beschäftigt sich mit menschlichem Verhalten. Was motiviert Menschen? Wie sehen sie sich selbst? Was schätzen und mögen sie? Wie drücken sie diese Werte im typischen Arbeitsverhalten aus? Bei der Suche nach Antworten auf diese Frage muss das HR-Team nicht von Anfang an beginnen – es finden sich meistens Ideen und Inspiration innerhalb der Organisation.

Nehmen wir das Beispiel eines führenden Telekommunikations- und Informationsdienstleisters, der eine vollständige Palette von Kommunikationsdiensten anbietet und weltweit aktiv ist. Dazu stellt er laufend Mitarbeiter ein, die sich in rasanter Geschwindigkeit mit einer schwindelerregenden Anzahl von Produkten, Preisplänen, Systemen und Wegen auseinandersetzen müssen. Ein nach dem Prinzip des Design Thinking durchgeführtes Onboarding-Verfahren soll ihnen bei der Einarbeitung in neue Wissensgebiete helfen.

Der Prozess sieht wie folgt aus:

1. In einem ersten Schritt führt das Design-Thinking-Team individuelle „Entdeckungs-Interviews“ mit den Managern, um die eigenen Herausforderungen und gesetzten Ziele für das Programm zu gestalten: Was ist den Führungskräften bei der Einarbeitung wichtig? Was klappt momentan und wo gibt es Verbesserungsbedarf?

2. In weiteren Interviews und Fokusgruppensitzungen mit Managern, anderen Mitarbeitern sowie HR erkundet das Team in den ersten Tagen die unterschiedlichen Herausforderungen und Bedürfnisse. Dabei stellt es Fragen wie: Wie fühlt sich ein neuer Mitarbeiter bei der Einarbeitung mit den vorhandenen Prozessen? Was ist hilfreich, was hat die eigenen Mitarbeiter bei deren Einarbeitung gestört? Wo sehen sie Verbesserungsbedarf?