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Verantwortung übernehmen - Teil des Betriebes sein

Aus professioneller Sicht fordert die Betriebspraxis verantwortungsvollen Pragmatismus vom Interim Manager. Er steht dem Betrieb nicht als Betrachtender gegenüber, sondern muss wortwörtlich ins Getriebe eines Betriebes fassen, indem er den Job ausfallender Personen im Betrieb übernimmt oder bei Vakanzen einspringt. Da ersetzt zum Beispiel ein Interim einen Personalchef und muss eine schon längst eingeleitete Mitarbeiterumfrage zu Ende bringen. Ein Konzern beauftragt einen Interim Manager nach der Akquisition mehrerer europäischer Unternehmen zu erheben, welche Pensionsansprüche ihm durch die bestehenden Betriebsrentenversicherungen der Mitarbeiter entstehen. Es sollen außerdem Optimierungspotentiale erschlossen werden. Der Interim Manager muss also Kontakt zu Mitarbeitern, Personalern, Betriebsräten und Versicherungen aufnehmen.

Die Anforderungen an die Persönlichkeit, Integrität und Profession eines Interim Managers, die sich mit solchen Interim-Aufträgen verbinden, sind multipel. Daher sollte der Kandidat vorher in ähnlichen Positionen gearbeitet haben und funktionale Erfahrung mitbringen. Das eine ist nämlich, Strategien aufzusetzen – das andere, diese auch leben zu müssen. Viele Interim Manager, die sich dieser  Realität in ihrer Arbeit stellen, entwickeln mit der Zeit eine Patina. Sie bilden wie zum Beispiel auch Journalisten oder Ärzte einen eigenen Menschenschlag: Sie öffnen sich rasch neuen Erfahrungen, Weltbildern und neue Menschen. Sie bringen ein Gespür für soziale Dynamiken mit, sprechen Dinge direkt an, können ihre Gedanken und Meinungen aber auch im gegebenen Moment bedeckt halten. Sie müssen Verständnis dort üben, wo andere Menschen schon mal locker und zunächst folgenlos bei ihrer Meinung bleiben können.

Manager auf Zeit sind Reisende auf Raten, weil sie kommen, um – verkürzt gedacht - zu gehen. Ihr Job ist es, zwischen den Gegensätzen zu agieren. Sie können sich nicht komplett aus den politischen Gepflogenheiten eines Kunden heraushalten, dürfen sich aber auch nicht vom Politbetrieb aufreiben lassen. Jeder gute Manager hat gelernt, Nähe und Distanz zu Aufgaben, Problemen, Mitarbeitern und Auftraggebern für sich ausbalancieren. Er weiß in ganz verschiedenen Settings zu improvisieren und situativ zu agieren.

Interim Manager sind mit all diesen beschriebenen Eigenschaften Kümmerer und Kaufleute zugleich. Als Ein-Mann- oder Eine-Frau-Show gehen sie ins unternehmerische Risiko und
wären ohne Methodik, Zahlenverständnis und kaufmännische Denke aufgeworfen. Das gilt übrigens auch für den modernen Interim HR Manager, der als HR Business Partner auf Augenhöhe mit dem Management stehen sollte.

Der Schritt ins Interim Management - warum gehen ihn viele Manager?

Es gibt Manager, die aus für sie schwerwiegender Arbeitslosigkeit heraus ins Interim-Geschäft steuern oder hohe Tagessätze im Business kassieren wollen. Und wenn sie noch dazu wenig an den Gewinn und das Fortkommen ihrer Kunden denken, sind sie es, die ihre Branchenkollegen unter Imagedruck setzen.

Was aber zieht denn den verantwortungsbewussten Manager ins Interim-Geschäft? Die Praxis zeigt, dass es vor allem der Wunsch nach Eigenständigkeit im Denken und Handeln ist. Solche Leute wollen sich vom globalen Unternehmenskontext entbinden und auf Augenhöhe mit dem Management etwas bewegen. Angesichts dieser Tatsache ist nicht verwunderlich, dass in der Praxis viele versierte Manager auf Zeit die Lebensmitte weit überschritten haben und sich in einer Phase der persönlichen Umorientierung im Leben für die Selbständigkeit entscheiden. Man hat viel gesehen, viel durchgemacht und weiß nun, was soziale Spiele im Innersten bestimmt. In der Regel war der Interim Manager lange Jahre Beschäftigter und kennt den Unternehmensalltag wie seine Westentasche. Und er hat vielleicht keinen voll bestückten Methodenkoffer wie manch Berater im Gepäck, dafür aber die Expertise. Der Kandidat will anwenden, was er kann und weiß – ohne politisches Ränkespiel im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses.

Die Lebens- und Berufserfahrung bewegt den gereiften Menschen also dazu, selbst loszugehen und etwas Sinnvolles zu tun; und zwar mit dem pragmatischen Blick dafür, wo es in Projekten brennt und welche Fragen zunächst zu stellen sind. Pessimisten meinen, dass in einer Welt, die dauernd neue Strategien und Ideen zum täglichen Überleben fordert, diese Seniorität keinen nennenswerten Stellenwert mehr hat. Das stimmt nur bedingt. Menschen sind Menschen, und zwar zu allen Zeiten. Was Schiller, Mutter Theresa, Peter Drucker oder Reinhardt Sprenger vor vielen Jahren über den Menschen sagten, ist uns heute nicht fremd. Um Macht wird immer noch in derselben Weise wie zu Zeiten von Shakespeare gekämpft, um nur ein Beispiel zu nennen. Und nachdem dies so ist und Menschen Business machen und durch die Art, wie sie sind, auch prägen, hat ein gereifter Mensch viele typische Situationen durchlebt, die gestern und heute gleichermaßen funktionieren. Der Lebenserfahrene erkennt alten Wein in neuen Schläuchen und weiß, dass vieles nicht so heiß gegessen wird wie serviert wurde. Sein Idealismus, etwas zu bewegen, hat eine pragmatische Note. Er verbindet theoretischen Anspruch mit Lebenserfahrung und dem Blick für das Hier und Jetzt.

Managern und Personalern kann ein Interim Manager ein guter Weggefährte sein. Natürlich wird ein Manager auf Zeit oft für eine konkrete Aufgabe geholt. Doch es kommt nicht selten vor, dass dieser nach seiner Meinung und weiteren Ideen zu einem Sachverhalt gefragt wird. Dabei kann und wird er durch sein Verhalten zeigen, wie gesunder Pragmatismus aussieht: Weniger Prozesshörigkeit und mehr Respekt vor Erfahrung, Intuition und Empathie. Vielleicht ermutigt der aktuelle Ruf nach Wandel in der Gesellschaft Unternehmen dazu, Interim Manager als Role-Models anzufragen. Zeit für eine neue Form eines gesellschaftsfähigen und für alle tragbaren Pragmatismus wird es allemal. 

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Fotocredit: © Bernd Kasper | www.pixelio.de

Pragmatisch – was bedeutet das?

Für Interim Manager ist der Ruf nach der Umsetzung von Geplantem keine neue Vokabel. Im Gegenteil, denn die meisten von ihnen sehen sich als Pragmatiker. Pragmatisch zu sein, ist ihre zweite Natur. Es ist ihre Markeneigenschaft. Darauf sind viele Manager auf Zeit stolz.

Doch der Begriff des Pragmatischen ist nicht unproblematisch. Das liegt daran, dass der Pragmatismus in der Praxis zum Emblem unkorrekten und teilweise kopflosen Verhaltens geworden ist. Umgangssprachlich gesehen meint „pragmatisch“, dass jemand oder eine Handlung an dem ausgerichtet sind, was die Mehrheit der Menschen bevorzugt oder was als unveränderlich in einer Gesellschaft gilt. Mitläufer gelten oft als pragmatisch. Leute, welche Abkürzungen im Leben und Wirtschaften nehmen, sind pragmatisch. Auch Fundamentalisten neigen zu dieser Sorte Pragmatismus.

Aus wissenschaftlicher Sicht sollte der Pragmatismus etwas anderes bedeuten. Er ist ein eigenständiges Thema in der  Philosophie und wird von verschiedenen Denkern freilich verschieden definiert. Der US-amerikanische Mathematiker und Philosoph Charles S. Pierce beispielweise betonte, dass Pragmatiker das, was geplant und gedacht werde mit dem zu verknüpfen sei, was getan und gelebt wird. Pragmatisch zu sein, bedeutete für Pierce also nicht, blindlings und aus Bequemlichkeit eingetrampelten Pfaden zu folgen.


Pragmatismus: Dieser Begriff leitet sich
vom griechischen Wort „pragma“ ab,
zu Deutsch: „Handlung“.

Für das Interim Management sind diese Überlegungen wegweisend. Ihr Pragmatismus könnte die Antwort auf den Ruf nach nötigem Wandel sein. Unter der absoluten Bedingung, dass der jeweilige Manager verantwortungsvoll arbeitet. Auf den Business-Stil schwarzer Schafe allerdings trifft wohl eher die umgangssprachliche Bedeutung zu. Ihr Pragmatismus hinterlässt verbrannte Erde.

Leonardo Da Vinci sagte: „Wissen ist das Kind der Erfahrung." Diese Einsicht ließe sich auch im Umkehrschluss formulieren: Aus Konzepten allein entsteht kein Wissen. In turbulenten Zeiten wie diesen – verursacht durch rasante soziale und wirtschaftliche Umwälzungen – wiegen diese Sätze doppelt schwer, denn der Zeitgeist fordert, sie bewusst umzusetzen; insbesondere in der Wirtschaft und namentlich in der Beratung und im Management. Das zeigt ein bloßer Blick in die Medien- und Branchendiskussion. Mit dem Buch „Die kaputte Elite“ des Business School-Absolventen und Ex-Beraters Benedikt Herles sowie jüngsten Negativschlagzeilen rund um Business Schools sind die Geschäftsgepflogenheiten vieler Unternehmensberatungen, die auf reines Konzeptbusiness abstellen,  wieder zur öffentlichen Zielschreibe geworden. Der Ruf nach Wandel wurde laut. Das Wirtschaftsmagazin „brand eins“ beispielsweise titelte in einer seiner letzten Ausgaben: „Unternehmensberater: Vom Besserwisser zum Bessermacher“. Die Stoßrichtung der Berichterstattung: Statt  Konzepte lediglich abzuliefern, sollten Berater auch deren Umsetzung begleiten, beziehungsweise selbst handeln; darum die vom Magazin gewählte Bezeichnung „Bessermacher“. Im Klartext: Taten statt Power-Point-Präsentationen.