pink dining table with four chairs inside room
Foto von Nastuh Abootalebi

1) Fragen Sie hartnäckig nach dem Warum“ einer Sache. Bleiben Sie dran. Lenken Sie damit immer wieder den Blick gezielt auf das Problem. Erlauben Sie keine kreativen Denkansätze. Überprüfen Sie nicht zuerst alle Fakten. Verkünden Sie schnell Ihr felsenfestes Urteil. Schließlich haben Sie den Durchblick. Und Ihre Erfahrung gibt Ihnen meistens Recht. Es kommt doch eh immer so, wie Sie es erwarten. Geben Sie sich nicht mit lascher „Lösungsorientierung“ ab. Alleine Sie packen es an. Gehen an die Wurzel des Problems, bis der Nerv bloß liegt und pfeift. Bohren Sie nach. Stellen Sie die Schuldigen an die Wand. Strafe muss sein. Sonst tut es ja doch keiner.

 

2.) Unterbrechen Sie grundsätzlich jeden Satz Ihres Gegenüber. Oder beenden Sie den Satz selber. Sie wissen eh genau, was er sagen will oder wird. Und Sie haben zu dem Thema schon Ihren Entschluss gefasst. Ihnen macht man nichts mehr vor. Außerdem kosten seine langatmigen Argumente nur Ihre kostbare Zeit. Auf diese Weise bringen Sie Ihren Gesprächspartner zuverlässig zur Weißglut und erfahren nun endlich, was er wirklich über Sie denkt. Sie haben es ja eh schon die ganze Zeit gewusst.

 

3) Reagieren Sie möglichst nicht direkt und situationsgerecht auf kommunikative Signale (Mimik / Gestik) und Gesprächsthemen. Was kümmert es sie, wo sich die Ablage für das Projekt befindet? Oder warum der Kollege nach den Quartalszahlen fragt? Wer hier direkt antwortet, macht sich zum Sklaven des Alltags und reagiert zu simpel. Stellen Sie Ihre Kollegen stattdessen vor kreative Aufgaben: Von „wer suchet, der findet, schau doch mal im Flur nach, dort stehen viele Schränke“ bis hin zu einer langen Litanei, dass für Sie heute Morgen mal wieder kein Kaffee übrig war, gibt es viele Möglichkeiten, Kommunikation abzublocken, wenn man sie Ihnen aufdrängen möchte.

 

4) Halten Sie sich alle Wege offen, bleiben Sie ein Rätsel. Bleiben Sie so ungenau und damit so un(an)greifbar wie möglich. Politiker können das auch. Lassen Sie sich nicht auf feste Termine ein. Antworten Sie nie mit einem klaren „Ja“ oder „Nein“ oder festen Zahlen. Streiten Sie alle Verantwortung ab. Dann kann zwar niemand auf Sie zählen. Aber Sie sind grundsätzlich nicht schuld. Schuld, sind immer die anderen. Oder nicht?

 

5.) Bleiben Sie immer bei sich, bei Ihrer eigenen Wahrheit und in Ihrer eigenen Welt. Die Außenwelt ist schlecht – und man spielt Ihnen übel mit, das wissen Sie schon lange. Wer schon von den „vier Kommunikationsebenen“ gehört hat, ist gut dran. Der weiß, wie er nun zu reagieren hat. Interpretieren Sie jede Frage oder jede Aussage als stillen Vorwurf. Und reagieren Sie entsprechend abweisend, verteidigend – oder Beschuldigungen „zurückgebend“. Oder hören Sie aus jeder Bemerkung einen „Apell“ und eine „Handlungsanweisung“ heraus – und genießen Sie die Verwirrung Ihrer Mitmenschen, wenn Sie nach der neutralen Bemerkung eines Mitarbeiters, dass „das Wetter draußen schon wieder schlechter geworden sei“ – aufspringen und demonstrativ das Fenster zuknallen.

Oder haben Sie in anderen Arbeitssituationen schon schlechte Erfahrungen gemacht? Wahlweise Ihre Mutter oder Vater – oder Ihr Chef haben Sie schlecht behandelt– dann erleichtern Sie Ihre Seele – und tun das bei anderen auch. Oder erwarten Sie es – in klassischer „Übertragung“ von Ihren neuen Vorgesetzten. Sie werden sehen, Ihre Erwartungen könnten ganz schnell wieder erfüllt werden. Und wenn nicht, dann können Sie es ihnen immer noch stillschweigend unterstellen – und den Ausbruch weiterhin befürchten. Merke: Ein Überprüfen Ihrer Wahrheit an der Realität mithilfe eines Coaches wäre nur zeitraubend und anstrengend.

 

6.) Beharren Sie auf Ihrem Platz und lassen Sie sich nicht ausgrenzen. Andere nehmen sich immer so wichtig und wollen im Mittelpunkt stehen. Egal, was jemand erzählt, lassen Sie ihn nicht zu ausführlich werden. Leute sind immer so ausschweifend. Nehmen Sie den Ball auf und damit ihr Erlebnis als Stichwort für Ihre eigenen Erzählungen. Beglücken Sie Ihre Umgebung zu jeder Zeit – auf allen Kanälen - ungefragt mit Ratschlägen, eigenen Erlebnissen und Urteilen. Es gibt so viel Dummheit auf der Welt. Da kann Ihre Erfahrung und Weisheit nur bereichern. Auch, wenn Sie beispielsweise nur eine Stunde am Pariser Flughafen waren. Sie wissen alles über Paris und Frankreich – so erfahren alle immer, was Sie erlebt haben, können und kennen – und können froh sein, von Ihnen dazuzulernen – auch wenn sich der Raum inzwischen in rätselhafter Weise geleert haben sollte.

 

7.) Meetings langweilen Sie? Man zwingt Ihnen Teamsitzungen auf – mit Leuten, die eh nicht viel wissen und wenig zu sagen haben? Ergreifen Sie schnell das Ruder. Wer fragt, der führt. Wer redet, der bestimmt das Thema. Bleiben Sie stringent bei Ihrem Thema, lassen Sie sich nicht unterbrechen und vermeiden Sie zu diesem Zweck jede Form von Augenkontakt. Überhören Sie verzweifelte Zwischenrufe und das Röcheln der erschöpften Zuhörerschaft. Reden Sie ohne Punkt und Komma, entwickeln Sie Ihre Theorien in aller Ausführlichkeit – und genießen Sie die irritierten Blicke Ihrer Mitmenschen - oder ihre stille Ohnmacht – und die anschließende Ruhe im wieder einmal überraschend leeren Raum.

 

8.) Genießen Sie das gute Gefühl, ein guter Mensch zu sein und immer Recht zu haben. Sie räumen immer den Tisch ab. Sie fahren 30 km/h in der Tempo-30-Zone. Sie sind schon lange in der Firma, haben Sie aufgebaut, mitgestaltet. An Ihnen kommt keiner vorbei. Sie wissen, worauf es ankommt. Innovationen und Vorschläge? Verlassen eingefahrener Denk- und Verhaltensmuster? Das ist alles neumodischer Esoterik-Kram. Von Emporkömmlingen. Sie dagegen wissen Bescheid. Ihre Erfahrung macht Ihnen keiner streitig. Wehe, wenn man Sie nicht fragt. Dann geht es eben nicht weiter im Projekt. Und wenn man Sie fragt, dann steht Ihre Meinung. So spart man sich Diskussionen.

 

9.) Nehmen Sie sich Zeit für wichtige Dinge – und ergreifen Sie Gelegenheiten. Hat jemand eine gute Idee, nehmen Sie sie großzügig in Ihren Fundus auf – und verkaufen sie als die eigene. Der Ideengeber sollte froh sein, dass jemand sich die Mühe macht, sie zu realisieren – und die Idee zum Blühen bringt. Sie haben vergessen, den ursprünglichen Ideengeber zu erwähnen? Er ist sauer? Wie wenig generös und undankbar manche Leute doch sind. Außerdem kann man nicht immer an alles denken.

 

10.) Seien Sie hellhörig. Nehmen Sie jede Schwingung, jede Bemerkung im Raum auf – auch, wenn das Gespräch sich vordergründig überhaupt nicht um Sie dreht. Beziehen sie alles Gesagte möglichst auf sich und ihre Person. Fühlen Sie sich am besten sehr schnell verletzt und beleidigt.

Sie haben dann zwei probate Möglichkeiten:

a) Reagieren Sie prompt und mit Vehemenz. Schießen Sie mit aller Macht und redegewandt zurück. Vermeiden Sie Fakten und Argumente, sondern zielen sie unter die Gürtellinie, das hat man ja auch bei Ihnen getan. Machen Sie die anderen damit gleich mundtot. Sie haben es nicht anders verdient. Ihre Vergleiche und Metaphern, mit denen Sie andere Personen und Situationen bezeichnen sind brillant. Man wird Ihnen für ihre klare Linie und Stellungnahme dankbar sein. Schließlich muss Ihre Umgebung ja wissen, wo Sie stehen – und die anderen hingehören.

Oder b.) Reagieren Sie beleidigt. Schließen Sie andere bewusst aus und strafen Sie die Schuldigen mit Nichtachtung. Schauen Sie anklagend und leidend. Verbreiten Sie, wie persönlich und asozial Ihre Mitmenschen sind und wie schlecht man Sie behandelt. Ein bisschen Mitleid pro Tag braucht schließlich jeder Mensch.

 

11.) Seien Sie hilfsbereit. Wenn Sie Gerüchte hören, hören Sie genau hin. Haken Sie nach, lassen Sie sich alle Geschichten brühwarm und von allen Seiten erzählen. Wissen ist Macht. Es lenkt zwar vom Kerngeschäft ab, aber hey, Sie haben ja schließlich auch eine Verantwortung Ihren Mitmenschen gegenüber. Erzählen Sie den Betroffenen und Beteiligten diese Geschichten weiter. Sie müssen ja wissen, was da abgeht – und vorbereitet sein. Dass Sie u.U. auch nicht alles gehört haben sollten, nicht alles verstanden haben sollten – oder Sie die Sache nie etwas angegangen hätte – ist egal. Jemand musste es doch der armen Person mal sagen. Dafür sorgen Sie. Schließlich wissen Sie was sich gehört.

 

12.) Seien Sie nicht zu offenherzig und freigiebig. Wer sich an gemeinschaftlichen Unternehmungen beteiligt, muss ja ganz schön einsam sein. Wozu Bürogepflogenheiten respektieren? Ruhezeiten? Kuchen? Lieblingsteller? Wird Zeit, dass mal jemand ein bisschen frische Luft in die Sache bringt. Ach ja, und Informationen müssen nicht immer weitergeleitet werden. Ob nach einem Anruf oder einem Meeting, wer nicht kommt zur rechten Zeit…ein bisschen Erziehung muss sein. Ihnen hilft seltsamerweise ja auch keiner (mehr).

 

13.) Zeigen Sie Einsatz-, Opferbereitschaft und Fleiß: Versprechen Sie viel –  lassen Sie sich dann aber nicht in Terminzwänge pressen. Reißen Sie alle Aufgaben an sich, die es gibt – und geben Sie dann den Dingen Zeit, sich zu entwickeln. Der Weg ist das Ziel. Daran sollten andere sich ein Beispiel nehmen. Und Sie können das alles ja unmöglich alleine schaffen. Aber irgendjemand muss es ja tun. Und wer um Hilfe bittet, ist ein Schwächling und könnte ja offenbaren, dass man nicht alles können oder wissen muss und kann. Aber Ihre Kollegen, die zum Weiterarbeiten auf Ihre Ergebnisse angewiesen sind, werden dann auch endlich merken, wieviel Sie zu tun haben – und wieviel Zeit das Sie immer kostet.

 

14.) Machen Sie Ihren Gefühlen Luft. Bevor Sie vor lauter heruntergeschluckten Emotionen noch krank werden. Teilen können ist eine wichtige Eigenschaft. Sie wurden heute Morgen im Berufsverkehr ausgebremst? Der Kunde hat immer noch nicht geantwortet? Der Kugelschreiber funktioniert nicht? So geht das nicht weiter. Brüllen Sie Ihren Ärger heraus in die ganze Welt. Auch die Buchhaltung im obersten Stockwerk soll es noch hören: Ihren ganzen Schmerz. Wenn Sie zuverlässig Ihre Umwelt an allen Ihren Gefühlsschwankungen beteiligen, wissen die anderen, woran Sie sind – und Ihnen geht es bald besser. Sie könnten dabei zwar Ihr „Unmutsgehirn“ trainieren oder negatives Denken einüben – und so nebenbei negative Stimmung verbreiten und Ihren Mitmenschen den Tag versauern. Aber hey. Das sind nur Kollateralschäden und liegt nur an der „Trägheit der Masse“. Das hier ist Ihre! Urschreitherapie. So, und jetzt Ruhe, Sie wollen ja schließlich auch mal arbeiten…

15. Pflegen Sie Generalisierungen und Verallgemeinerungen und Vorurteile. Sie machen das Leben so schön einfach. Man braucht damit keine Situation, keinen Menschen wirklich wahrzunehmen und differenziert zu betrachten. Spart auch ungeheuer viel Zeit. Außerdem ist ihr Gebrauch einer der sichersten Wege herauszufinden, wie schnell Ihr Gegenüber die Geduld verliert, absolut "zu" macht oder durch Ihr Pauschalurteil in die Defensive gerät. Funktioniert fast immer. Flechten Sie in Ihre Behauptungen immer schön das Wörtchen "nie" ein - "nie macht Frau XY das" oder "immer kommen Sie zu spät" - damit kann man jede Beziehung zuverlässig zum Kippen bringen, auch privat.

16) Last but not least und um Schluss das Wichtigste: Sie! Bringen Sie zuverlässig komplizierte Themen am Ende eines Meetings oder kurz vor Feierabend zur Sprache. Denn dann sind alle unwichtigen Themen endlich abgearbeitet worden, und die Kollegen und Vorgesetzten sollten offen sein für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens. Seien Sie verschnupft, wenn man ihre Themen dann vertagt und alle zum Bus rennen. Sie wussten es eben schon immer: Man lässt Sie einfach nicht zum Zug kommen. Das Leben ist ungerecht.