Die von ihm bis heute geleiteten Dialektikseminare – wegen der extremen Herausforderung der Führungskräfte gleichermaßen geschätzt wie auch gefürchtet – haben das Ziel, die soziale Performance von Führungskräften in Wirtschaft und Politik in den Bereichen Kommunikationsfähigkeit und Konfliktfähigkeit zu verbessern. Faire Dialektik ist für Lay der Schlüssel zur erfolgreichen Führung, sie ist die Kunst, Menschen zu überzeugen. “Wer dialektisch geschult ist, hat eine natürliche Autorität, so dass er seine Macht […] nicht ausspielen muss”. Die kommunikative Performance wird in praktischen Übungen mit Videounterstützung getestet. Die Konfliktfähigkeit wird durch Spiegelungen, die im Zusammenhang von „Vorträgen“ des Seminarleiters stattfinden, objektiviert. Die Veranstaltungen sollen den Teilnehmern helfen, ihre eigene soziale Orientierung festzustellen und gegebenenfalls zu korrigieren. Dieses ist, so Lay,  Voraussetzung zur Verbesserung der sozialen Performance.

black floor lamp on living room sofa
Foto von Toa Heftiba

Rupert Lay ist nicht zimperlich, nicht betulich, ja sogar liebevoll grob, was ihn wohltuend von anderen Coaches christlicher Prägung unterscheidet. In einem Interview mit der Management School St. Gallen sagte er 2012: “[…] nicht wenige Manager seien arme, kleine Würstchen und es gebe nichts Lächerlicheres als arme, kleine Würstchen im Zustand der Dauererektion. Aber deshalb verachte ich sie nicht. Es ist eher ein Bedauern, das Menschen gilt, die vieles besitzen, aber sich selbst verloren haben.” Für viele sind die Lay-Seminare ein Kulturschock. Privilegierte Macher mit kofferweise Selbstgefälligkeit ausstaffiert, reisen mit leichterem Gepäck und etwas kleiner wieder ab. Manche erleuchtet, manche verstört.


Privilegierte Macher mit kofferweise Selbstgefälligkeit ausstaffiert,
reisen mit leichterem Gepäck und etwas kleiner wieder ab.
Manche erleuchtet, manche verstört.


Norbert Copray beschreibt Rupert Lay in seiner Biografie als einen christlichen Sokrates, weil er Aspekte der sokratischen Haltung und Dialogweise in einem tiefen, persönlichen Glauben an den von Jesus verkündeten Gott begründet. Für Rupert Lay ist es nicht entscheidend, dass ihm Menschen folgen. Entscheidend für ihn ist, dass die Menschen begreifen, dass die Einheit von Rationalität, Emotionalität und Sozialität nötig ist, denn nur in ihrem Verständnis liegt die Weisheit, die davor schützt nicht besessen zu werden, frei zu werden für das Geschenk des Lebens. Das ist ein langer harter Weg, der nach Gesprächen, Übung und Selbststeuerung verlangt. Doch führt dieser Weg dorthin, wo persönliches Glück und Gutsein eins sind und zum Glück für andere wird. 

Dass dieser Weg auch zum Jobverlust führen kann, berichtet Rupert Lay im bereits zu Anfang zitierten Interview mit der Management School St. Gallen: “Eine Führungskraft ist ein reiner Systemagent voller Zwänge. Eine Führungspersönlichkeit jedoch ist innerlich frei. Ich kenne manche, die sich zu Führungspersönlichkeiten entwickelten, dann aber von Verwaltungsräten entlassen wurden, weil sie nicht zu Systemagenten taugten.”

 

Der 1929 geborene Lay tritt schon früh (1952) in den Jesuitenorden ein, studiert Philosophie, Theologie, theoretische Physik und Psychologie sowie Betriebswirtschaftslehre und veröffentlicht 1959 sein erstes Buch „Unsere Welt“. Mittlerweile sind über 40 Werke erschienen, mit teils überragendem Erfolg, die ihm persönlich aber auch erhebliche Probleme mit seinem Orden und der Kirche beschert haben. 1996 wird er emeritiert. Für die Verdienste um ethisches Management und Unternehmensethik sowie für sein Lebenswerk erhält er 2004 den Fairness-Ehrenpreis der Fairness-Stiftung, deren Ehrenvorsitzender er seitdem ist.