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Foto von Sigmund
Herr Horx, wie wird sich unsere Gesellschaft in Zukunft verändern?
Wir befinden uns heute im epochalen Übergang von der Industrie- in die Wissensökonomie. Deshalb werden alle gesellschaftlichen Kontrakte hinterfragt und revidiert. Das Verhältnis von Arbeit und Kapital. Zwischen Männern und Frauen. Von Staat, Gesellschaft und dem Einzelnen. In all diesen Verhältnissen müssen wir „New Deals“ finden, neue Regelwerke und Übereinkünfte.

Sie haben in der Vergangenheit einen „Megatrend Frauen“ ausgemacht. Worin zeigt sich dieser Trend?
Der Einfluss der Frauen in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft, aber auch in den Beziehungen, nimmt zu. Frauen werden „empowert“, weil sie inzwischen mehr als die Hälfte des Bildungspotenzials besitzen. Bildung begründet immer eine Berufsbiografie. Dadurch wird einerseits das Geschlechterverhältnis schwieriger. Andererseits entsteht in der Arbeitswelt eine „Work-Life-Balance“-Dramatik. Männer UND Frauen suchen nach Wegen der Erwerbsarbeit, in denen die Familie zu ihrem Recht kommen kann.

Wie könnten „New Deals“ in der Erwerbsarbeit aussehen, bei denen auch die Familien zu ihrem Recht kommen?
Sie können wie bei VW Arbeitszeitkonten vorsehen, die beliebig handel- und einlösbar sind, unter Umständen auch über Firmengrenzen hinweg. Sie können auch in „Working-Couple“-Verträgen bestehen, bei denen sich Ehepartner, die bei einer Firma arbeiten, gegenseitig „ergänzen“. Denkbar sind darüber hinaus Millionen anderen individuellen Verträge, die Unternehmen mit ihren „High Potentials“ eingehen können, und die BEIDEN Seiten Flexibilität bei der Lebensarbeitszeit- Gestaltung geben.

Wie wirkt sich der von Ihnen prognostizierte Einfluss der Frauen konkret auf die Arbeitswelt aus?
Sie wird die Kultur in den Unternehmen umkrempeln. Wenn es gut geht, wird sie sie menschlicher und transparenter machen. Vor allem macht sie sie reichhaltiger: Wenn www.personal-expo.de – Die Online-Messe für Personalmanagement und eLearning Seite 2 von 3 Frauen und Männer, Jüngere und Ältere im Team arbeiten, kommt meist mehr Kreativität dabei heraus. Und das brauchen Unternehmen in der globalen Wissenwelt DRINGEND.

Wie verändert sich die Rolle der Männer im Zuge dieses Trends?
Männer werden sich nicht mehr nur auf ihre Berufsidentität verlassen können. Sie haben meist einen konservativen Zugang zur Erwerbswelt und sind oft sehr POSTENORIENTIERT. Das werden sie aufgeben müssen. Die Arbeitswelt der Zukunft kennt sehr viel mehr Quereinsteiger, Aussteiger, sehr viel mehr „prekäre“ Berufslagen und Arbeitskontrakte. Man kann leicht hinausfallen, aber vielleicht auch mehr bewirken.

Sind Frauen auf die von Ihnen beschriebenen Arbeitsbedingungen denn besser vorbereitet?
Auf eine manchmal schwer erklärbare Weise sind Frauen offenbar „wacher“ im Beruf. Das bestätigen mir viele Personalchefs. Das liegt unter anderem an den Berufsvorstellungen der Männer, die die Karriere oft gemächlich angehen und erst „Gas geben“, wenn sie verheiratet sind. Frauen hingegen sind Frühstarterinnen; vielleicht auch, weil sie wissen, dass sie bis 35 Karriere gemacht haben müssen. Und weil sie nicht so sehr in den alten Kategorien wie Posten, Hierarchien, Gehaltsklassen denken. Sondern einfach anpacken.

Werden Frauen künftig häufiger Führungsverantwortung übernehmen als bisher?
Der Anteil der Frauen in Führungspositionen wird kontinuierlich ansteigen. Zumindest auf das skandinavische oder amerikanische Maß: 10 Prozent. Dann, wenn unsere Arbeitslandschaft auch andere Karriereentwürfe zulässt, bei denen man auch in Top- Positionen Kinder haben kann, wird der Durchbruch zur Parität folgen. Spätestens Mitte des Jahrhunderts sehe ich in vielen Branchen Parität.

Wenig Hoffnung auf einen „Megatrend Frauen“ machen die Absolventinnen- Zahlen. Frauen sind in karriereorientierten Studiengängen wie Wirtschaftsoder Ingenieurswissenschaften stark unterrepräsentiert …

Dafür sind sie in anderen Schlüsselbereichen - zum Beispiel Medizin, Marketing oder Touristik - umso besser vertreten. Die Frage ist, ob die Karrierewege des Industriezeitalters noch so schlüssig und zwangsläufig sind wie früher. Es könnte in Zukunft eine Menge arbeitsloser Wirtschafts-Absolventen geben. In den Naturwissenschaften werden die Frauen noch aufholen. Es ist aber natürlich die Frage, ob alle Stellen „paritätisch“ besetzt sein müssen. Ziel der Emanzipation ist ja nicht Ergebnis-Gleichheit, sondern die prinzipiell Chancengleichheit. Und die Chancen der Frauen werden immer besser. Allerdings nutzen sie sie manchmal noch zu wenig.


Interview: Bettina Geuenich, Chefredaktion personalmanager

Matthias Horx - Trend- und Zukunftsforscher, ist Inhaber eines Think-Tanks für strategische Zukunftsberatung mit Sitz im Taunus bei Frankfurt und in Wien. Er gibt einen monatlichen „Zukunftsletter“ heraus und hat gemeinsam mit Dr. Eike Wenzel den „Trend-Report 2004 - Die 11 wichtigsten Driving Forces des kommenden Wandels“ veröffentlicht. Im e-Mail-Interview diagnostiziert er einen wachsenden Einfluss von Frauen auf Gesellschaft und Arbeitswelt.

Quelle: personal-expo