pink dining table with four chairs inside room
Foto von Nastuh Abootalebi

Konflikte im Team, persönliche Animositäten und Fehlverhalten von Kollegen

Der Kunde hat nach dem Pitch einen anderen Anbieter gewählt. Eigentlich war schon alles in trockenen Tüchern. Bis zuletzt hatten alle aus der Abteilung und dem damals in Eile zusammengestellten Projektteam unter Hochspannung an dem Projekt gearbeitet. In der stressigen Endphase häuften sich die Missverständnisse, der Ton wurde rauer. Jetzt diese Enttäuschung. Jeder arbeitet danach nur noch so vor sich hin. Im Team kriselt es. Offene, wie auch hinter dem Rücken ausgesprochene, Schuldzuweisungen häufen sich. Auseinandersetzungen sind mittlerweile an der Tagesordnung. Langsam greift die Stimmung auch auf andere Abteilungen über. Als endlich ein Coach hinzugezogen wird, ist die Stimmung auf dem Nullpunkt. Man hält die Situation für absolut verfahren. Der Coach wendet sich zur Problemlösung zuerst allen Teambeteiligten einzeln zu:

 

Den Standort klären und Beteiligten kennenlernen, wahr- und annehmen

 

Mit Verhaltens- und Situationsfragen lässt er sich zuerst von jedem und jeder einzelnen die Situation schildern, um das Problem einzugrenzen und abzuschätzen und jeden/jede einzelne/n kennenzulernen:

„Beschreiben Sie bitte die Situation aus Ihrer Sicht? Was passiert Ihrer Meinung in dieser Situation konkret? Läuft das immer nach dem gleichen Muster ab? Wie entwickeln sich diese Situationen, bitte schildern Sie das, wenn möglich ausführlich Schritt für Schritt? Wo standen Sie, als das passierte? Welche Personen waren / sind dabei konkret im Raum? Waren Sie selber dabei oder wurde ihnen das geschildert? Was taten die beteiligten Personen? Wie wurde das Projektteam gebildet? Welche Funktion hatten Sie? Wurden Sie vorher gefragt? Welche Position hatten Sie sonst immer inne? Wie funktionierte die Zusammenarbeit zu Beginn des Projekts, wie hat sie sich bis zum Ende des Projekts verändert?”

 

Aus der Überflutung und Überforderung führen

 

Eine Mitarbeiterin antwortet dabei vollkommen diffus, ist von der Komplexität der Situation vollkommen überfordert. Ein anderer Mitarbeiter ist emotional aufgeheizt und kaum in der Lage, klar die Kollegen oder die Situation einzuschätzen:

Mit fokussierenden „Skalierungsfragen“ versucht der Coach daher, emotional aufgeheizte Gemüter auf eine sachlichere Ebene zu helfen und sie darin zu unterstützen, eine eigene Position zu finden, Orientierung zu erlangen, komplexe Situationen auf einzelne Fragen und Problemfelder „hinunterzubrechen“ und erste Ansätze für eine Lösung und die nächsten Handlungsschritte zu erkennen:

“Wenn Sie die Stärke des Konflikts beurteilen müssten, wo würden Sie ihn auf einer Skala von 0-10 einordnen? Was müsste passieren, dass sich der Zeiger der ‘Konfliktuhr’ ‘gegen Null bewegt’? Wenn Sie wüssten, dass sich die Lösung am Ende eines Wanderwegs befindet, welche Stationen müsste man ablaufen, um dorthin zu kommen? Wo stehen Ihrer Ansicht nach Sie selber, wo stehen die anderen?”

 

Die Wand aufbrechen

 

Ein Mitarbeiter antwortet hingegen vollkommen „unbeteiligt“. Man muss ihm die Worte aus der Nase ziehen und kommt kaum an ihn heran, um eine klare Beschreibung der Situation und seiner eigenen Position darin zu erhalten:

Mit Metaphern und bildhaften Fragen versucht der Coach hier, dem Klienten eine Brücke zu bauen, um Zugang zu seinen Emotionen zu finden – und ein aktives Verständnis dafür zu bekommen, wie diese zu seinem Verständnis der Situation beitragen:

“Stellen Sie sich vor, ein riesiges Unwetter bricht über die Firma herein, Ihre Abteilung wird überschwemmt. Blitze zucken. Die Elektrizität fällt aus. Was müsste passieren, dass sich die Mitarbeiter gegenseitig helfen? Wie würden sie das jeweils tun?”

“Stellen Sie sich vor, Sie alle wären Teil eines Zirkusensembles? Welcher Kollege wäre welcher Artist / würde wie auftreten? Als was würden Sie auftreten? Wie wäre die Farbe Ihres Kostüms? Was würden Sie wagen?”

“Stellen Sie sich vor, Ihr Projekt wäre ein Schiff, wie würde es aussehen? Eher wie ein Floß, ein altes Ruderboot oder eine Luxusyacht? Wie würde es heißen? Wie wäre die Ausstattung, die Farben. Wo sehen Sie sich in der Mannschaft? Wer ist der Kapitän am Steuerrad. Wo stünden Sie gerne?”

 

 

Selbst- und Fremdwahrnehmung fördern

 

So langsam steht die Kommunikation mit allen Beteiligten. Nun bereitet der Coach sie darauf vor, sich selber besser wahrzunehmen, die anderen wahrzunehmen – und damit eher bereit zu sein, wieder aufeinander zuzugehen, Verhaltenszuschreibungen aufzubrechen und aufzulösen und das Verhalten zu ändern:

Mit zirkulären Fragen fördert er bei allen die Selbst- und Fremdwahrnehmung:

“Wie haben Sie das erlebt? Wie fühlen Sie sich in diesen Situationen? Wie ging es Ihnen dabei? Wenn Ihre Mitarbeiter hier wären und ich sie fragen könnte, was würden sie über das Problem sagen und denken? Wie könnte es den anderen Beteiligten ergangen sein?”

“Wie könnten die Kollegen aus der anderen Abteilung den Konflikt sehen? Was für Vorschläge könnten sie aus ihrer Sicht Ihnen allen machen, um das Problem zu lösen? Was würden sie sagen, was sie dazu noch benötigen?”

“Wie denken stellt sich für Sie das Verhältnis zwischen Frau K. und Herrn P. dar? Wie könnte es ihnen damit gehen? Was könnten sich beide wünschen wollen, damit es ihnen besser geht? Welche Vorschläge fallen Ihnen dazu ein? Wie würde sich das anfühlen, zu sehen, wie es allen wieder besser geht? Was müssten die anderen Ihnen sagen, damit es Ihnen wieder besser geht?”

 

Lösungs-, ressourcen und zielorientiert nach vorne schauen

 

So langsam klärt sich für den Coach – und seine Coachees die Situation, die jetzt in ihren Einzelheiten und möglichen Lösungsansätzen klar überschaubar ist. Jetzt ist die Zeit gekommen, möglichst ressourcenorientiert und lösungsorientiert fortzufahren.

Mit konkreten, lösungs- und zielorientierten Fragen geht es jetzt zur Sache:

“Was läuft gut? Was gefällt Ihnen? Was können Sie selber gut tun – und mit was, meinen Sie könnten Sie zur Lösung des Problems beitragen? Wann läuft es gut? Was muss passieren, dass Dinge funktionieren und gut laufen? Selbst, wenn die Zusammenarbeit in der letzten Zeit nicht mehr so gut funktionierte – wie war es, als es in der Abteilung noch gut lief? Was wurde da konkret anders gemacht? Was muss geschehen, dass dies wieder so wird? Was passiert konkret, wenn es “schief läuft”? Welche konkreten Schritte führen dahin? Was muss passieren, damit das nicht wieder geschieht?”

“Was hätten Sie gerne anders? Wie würde es sich anfühlen, wenn es diese Konflikte nicht mehr gäbe? Was können und wollen Sie dazu selber beitragen? Welche Fähigkeiten schätzen Sie an den anderen? Mit welchen Fähigkeiten könnten Sie selber dazu beitragen?”

 

Mit Fantasie aus dem Tief herausgehen

 

Während einige Mitarbeiter, zumindest die, die nicht schon innerlich längst gekündigt haben, froh sind, dass es endlich „in medias res“ geht und sie konkret an der Lösung arbeiten können, haben einige sehr enttäuschte und demotivierte Mitarbeiter große Schwierigkeiten, sich überhaupt noch auf eine neue, potenziell bessere Situation einzustellen und daran zu glauben.

Mit hypothetischen Fragen und „Gedankenexperimenten, mit „Wunsch- und Wunderfragen“ versucht hier der Coach das Eis zu brechen, die Leute aus ihrer inneren Lähmung zu führen und Hoffnung zu säen:

“Angenommen eine gute Fee käme zu Ihnen und könnte „Plopp“ mit einem Mal alles so herbeizaubern, wie Sie es sich in der Firma wünschten, wie sähe das Leben und Arbeiten in der Firma dann konkret aus? Was würde passieren, wenn alle die genannten Schwierigkeiten sich über Nacht buchstäblich in Luft auflösen würden? Was wäre dann konkret anders? Wie würde sich das anfühlen? Was würden Sie dann anders machen, was die anderen? Wer würde das sofort merken, wer gar nicht oder zuletzt? Wer wäre überrascht? Wer erleichtert? Wer vielleicht sogar enttäuscht? (Hierbei sammelt der Coach Hinweise, mit welchen Verhaltensweisen und Faktoren Personen unbewusst zur Aufrechterhaltung des Problems beitragen -Stichwort; „sekundärer Problem-/Krankheitsgewinn”).”

 

Dem Wahnsinn eine Chance – Das Team findet wieder zusammen

 

Endlich führt der Coach alle wieder an einen Tisch – hier tatsächlich nur bildlich gesprochen, denn er hat den Sitzungsraum verändert und darin locker Sitzkissen und Hocker angeordnet: Niemand kann sich hinter einem Tisch oder einer festen Position „verstecken“. Dank der Einzelsitzungen sind die meisten Teilnehmer jedoch schon so entspannt, dass sie in der Lage sind, sich auf die neue Situation zumindest einigermaßen einzulassen. Der Coach möchte, dass alle sich unter seiner Moderation emotional wieder neu aufeinander einstellen. Nachdem jeder/jede für sich Lösungsansätze erarbeitet hat, sich selber wieder besser oder zumindest in einem anderen Licht kennengelernt hat und wieder den Blick auf die Zukunft gerichtet hat, sollen jetzt alle gemeinsam Lösungen erarbeiten.

Bevor es dazu kommt, stellt der Coach einige Regeln für das nun nachfolgende „Spiel“ auf: “Jeder darf etwas sagen, keiner muss. Jeder darf ausreden. Bunte Karten legen die Höchstredezeit fest. Keiner wertet oder kommentiert den Vorredner oder bezieht sich konkret auf den Vorredner, alle reden nur in der ich-Form,” etc.

Der Coach erklärt: “Entspannt Euch, ich pass auf, dass alles gut läuft, ich stelle Fragen in den Raum, und dann können alle loslassen und loslegen. Wir versuchen ‘Brainstorming pur’ – und Bitteschön ab jetzt: “Jede Menge Panik auf der Titanic“ (Manche grinsen, andere verdrehen die Augen).

 

Mit paradoxen Fragen bricht der Coach mit Erwartungen und lässt Raum für Ironie, Späße, absurde Gedanken und Kreativität:

“Wie bringt man ein Projekt am besten gleich gezielt zu Fall? Was sind die Top-Five der beliebtesten Kundenausreden für ein Platzenlassen eines Vertrags? Wie muss man es angehen, dass ein Projekt beim nächsten Mal beim Vorstand gar nicht erst durchgeht  – und man endlich in Ruhe seine Arbeit abarbeiten kann – oder in den verdienten Vorruhestand gehen darf?

Erarbeiten Sie Anleitungen, wie man die vielen Kilos ausgedruckten Projektmaterials am besten sinnbringend verwerten könnte…

Wenn man könnte wie man wollte, welche Routine- Projektaufgaben würde man am allerliebsten in Zukunft an die Chefetage delegieren, wenn wieder so wunderbar kurzfristig ein Projekt aus dem Boden gestampft wird? Entwerft einen 10-Punkte-Plan, wie ein Streit möglichst zuverlässig eskaliert – und danach mindestens ein aus dem Fenster geworfener Bildschirm, eine zerrüttete Ehe, ein gekündigter Vorstand, zwei bis aufs Messer verfeindete Abteilungen herauskommen…

 

Mit Musterfragen setzt der Coach noch eines drauf:

“Welche Schritte müssten alle strengstens befolgen, dass dabei das gleiche Problem herauskommt und das Projekt auch das nächste Mal zuverlässig scheitert? Wie muss man sich verhalten, dass man seine Kollegen zuverlässig zur Weißglut treibt? Welche Worte, Handlungen, Unterstellungen und Voreingenommenheiten gehören einfach dazu?”

 

Transfer in die Wirklichkeit und Abschluss

Natürlich erkennen viele dabei den Ernst der Lage. Doch der Coach umschifft gekonnt aufkommende Misstöne, schuldzuweisende oder schuldbewusste Blicke. Er lobt seine Mannschaft – und lässt offen, ob die Mitarbeiter nun eine „Magna Charta der Unmöglichkeiten“ oder der „Möglichkeiten“ erarbeiten.

Beides wird, je nach Bedarf, feierlich entworfen, verbrannt, begossen oder, für alle sichtbar, als Reminder an die Wand gehängt.


Das Coaching war danach nicht abrupt beendet. Es gab Nachtreffen, Nachsorge und Supervision für einige und ein Umschulungsprogram für einen. Wichtig: Auch die Mitarbeiter der anderen Abteilungen konnten nun wieder aufatmen – und waren im Nachgang fast „neidisch“, dass sie nicht selber teilnehmen konnten.