Herr Goebel, McDonald’s hat offensichtlich in den vergangen Jahren einen Strategiewechsel vollzogen – weg vom Billigimage hin zu mehr Komfort und vielseitigeren Produkten. Inwiefern hat sich das auf die Weiterbildung der Mitarbeiter ausgewirkt?

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Foto von John Schnobrich

Wir haben eine Drei-Säulen-Strategie: Eine Säule besteht darin, das Design der Restaurants weiter zu entwickeln. Die zweite ist die Produktstrategie, die darauf abzielt, uns bei den Produkten insgesamt breiter aufzustellen und das Thema ausgewogene Ernährung entsprechend mit aufzunehmen. Und die dritte Säule ist die Mitarbeiterstrategie. Als unser CEO sich 2007 entschlossen hat, den Personalbereich auf Vorstandslevel zu bringen, war das der Startschuss, dieses Thema weiter voranzutreiben. In der Folge haben wir unser Ausbildungskonzept ausgeweitet und unsere Weiterbildungsprogramme entsprechend entwickelt.

Was machen Sie bei McDonald’s im Talent-Management anders als andere Unternehmen?

Ob wir unbedingt etwas anders machen als andere Unternehmen, weiß ich nicht, aber wir haben einen riesigen Vorteil: Das gesamte Talent-Management hat die Unterstützung des Vorstands. Es existiert nicht unabhängig von unseren Businessanforderungen, sondern als integrierter Prozess. Alle Development-Programme, die wir haben, sind zum einen auf das Individuum abgestimmt, aber eben auch darauf, was das Unternehmen braucht und weiterbringt.

Was bedeutet Talent-Management genau für Sie?

Ich sehe da zwei Aspekte: Einmal bezieht sich das Themenfeld für mich auf die Breitenförderung. Wir haben Förderprogramme, die alle Hierarchieebenen mit einschließen, vom gewerblichen Bereich angefangen bis hin zum Top-Level-Management auf globaler Ebene. Zum zweiten bieten wir auch Talent-Management im Sinne von High-Potential-Förderung für die Top 20 Prozent aller Mitarbeiter an. Beides gehört zusammen und ist wichtig, weil das unser Unternehmen ausmacht: das individuelle Restauranterlebnis und das Top-Management, das die Strategie entwickelt und umsetzt. Insofern ist das Talent-Management ein Spiegel unseres Restaurant-Systems insgesamt.

Wen sehen Sie als „Talente“ – Mitarbeiter die eine hohe Leistung bringen, ein großes Potenzial haben oder solche, die sehr ambitioniert sind?

Für uns sind Talente diejenigen, die aus heutiger Sicht in der Lage sind, zumindest zwei weitere Stufen zu erklimmen. Das fängt beim Restaurantleiter an und geht hoch bis zum globalen Top-Management. Das Raster dafür ist jedoch immer das Potenzial, die nächsten beiden Schritte in der Karriereleiter nehmen zu können.

Mit welchen Instrumenten unterstützen Sie beispielsweise die gewerblichen Mitarbeiter?

Der gewerbliche Mitarbeiter, vielleicht auch mit Migrationshintergrund, hat die Möglichkeit am „Crew College“ teilzunehmen. Das ist eine Weiterbildung in Zusammenarbeit mit den Volkshochschulen, bei der McDonald’s 50 Prozent der Seminargebühren übernimmt und der Mitarbeiter die Möglichkeit hat, an einer Auswahl von Kursen teilzunehmen, um etwa seine Deutsch- oder Computerkenntnisse zu verbessern.

Gehört für Sie auch das Thema Ausbildungsberufe zum Talent-Management?

Das spielt eine ganz zentrale Rolle, weil wir wissen, dass die Zahl der Ausbildungsfähigen immer mehr abnehmen wird – vor allem in den neuen Bundesländern. Deshalb möchten wir unseren Auszubildenden auch die Möglichkeit eröffnen, zukünftig in Management-Teams einzusteigen. Aktuell haben wir fast 2400 Auszubildende in unseren Restaurants. Wir bieten für jedes Level eine qualifizierte Ausbildung an – für Realschüler und Abiturienten den Fachmann/Fachfrau für Systemgastronomie und jetzt als Pilotprojekt die Fachkraft im Gastgewerbe mit dem ganz neuen Schwerpunkt Systemgastronomie für junge Menschen mit Hauptschulabschluss. Dafür arbeiten wir eng mit der Gewerkschaft und der DIHK zusammen, um dieses Berufsbild so zu spezifizieren, dass es auch auf dem Gebiet der Systemgastronomie umgesetzt werden kann.

Was ist mit den Mitarbeitern, die schon eine Ausbildung haben oder ein Studium machen möchten?

Sie haben die Möglichkeit bei uns den Bachelor of Arts, ein BA-Studium, das wir mit der Internationalen Berufsakademie zusammen entwickelt haben, zu absolvieren. Und wir bieten gemeinsam mit der AKAD den berufsbegleitenden Fachwirt im Gastgewerbe an. Auf der Ebene Management und Top-Management setzt sich das mit entsprechenden Weiterbildungsprogrammen fort – auch hier mit kompetenten Partnern. Wir kooperieren mit der European School of Management and Technologie und HR-Horizonte, um bestimmte Programme zu designen, die unsere Unternehmensanforderungen erfüllen. Dabei geht es um Leadership, Negociation Skills und Strategieentwicklung.

Welche Bewerbungsverfahren haben Sie für diese Trainings?

Eine Herangehensweise ist über Potenzialanalyse und Assessment. Eine andere läuft über die Vorschläge des Vorgesetzten und für wiederum andere muss man sich selbst bewerben. Da gab es intern unterschiedliche Meinungen dazu, aber wir wollten eben vermeiden, dass hier das reine „Nasenprinzip“ zur Geltung kommt und das Fortkommen bei McDonald’s nur vom Vorgesetzten abhängt. Eine große Herausforderung besteht darin, alle Mitarbeiter, auch die unserer Franchise-Unternehmen, über die Weiterbildungsmöglichkeiten zu informieren. 80 Prozent unserer Restaurants werden durch Franchise-Nehmer geführt.

Wie werden Sie bei Ihrem Talent-Management der Generation Y gerecht, die sich Studien zufolge flexiblere und mobilere Arbeitgeber wünscht?

Wir kommen dem Wunsch junger Menschen nach mehr Mobilität mit dem Crew-Passport für Europa entgegen. Im Intranet haben Mitarbeiter die Möglichkeit sich in anderen Ländern zu bewerben. Studenten können zum Beispiel die Semesterferien über in London und Madrid arbeiten. Die jeweiligen Personalabteilungen der Länder organisieren und unterstützen das, so dass dann auch für eine Unterkunft gesorgt ist. Was bei uns auch eine große Rolle spielt ist der Aufbau des Themas E-Learning. Was früher im Frontalunterricht gelehrt wurde, wird heute größtenteils online gemacht. Für unsere Auszubildenden bauen wir gerade eine eigene Community, ähnlich wie es sie beim Bundesverband für Systemgastronomie schon gibt.

Sie haben sich bei McDonald’s vom Trainee zum Personalvorstand hochgearbeitet – ohne fundierte HR-Ausbildung. Welche Rolle hat für Sie da die Weiterbildung gespielt?

Nachdem ich Mitte 2007 die Verantwortung für das Personal übernahm, habe ich aufgrund meiner Erfahrungen im operativen Geschäft gedacht, dass ich den Job ähnlich machen kann: Vieles schnell umsetzen, ohne zu stark in die Strategie reinzugehen. Damit habe ich mir eine blutige Nase geholt, weil das der Komplexität des Personalbereichs überhaupt nicht gerecht wurde. Nach ein paar Monaten musste ich zurückrudern und das Ganze systematisch angehen. Ich habe mich dann selbst ausgebildet – etwa indem ich bei der DGFP eine einjährige Ausbildung, „HR für Executives“, absolviert und mir Rat bei anderen Unternehmen geholt habe.

Hatten Sie einen Mentor?

Ich habe sehr eng mit Lothar Harings zusammengearbeitet als er Personalchef von T-Mobile war. Mittlerweile unterstützt mich auch Dr. Jochmann von Kienbaum bei der HR-Strategie. Doch die Einsicht, dass man sich die Expertise auch mal von außen holen muss, das hat bei mir etwas gedauert.

Haben Sie sich immer auf diese Weise weitergebildet?

Ich habe über meine Karriere hinweg immer Mentoren gehabt. Das macht 50 Prozent des Erfolges aus und die anderen 50 Prozent sind eigener Antrieb. Sie müssen wissen, wo die Reise hingeht, Ihre Stärken und Schwächen kennen und damit abwägen, was das Unternehmen braucht. Man sollte beides haben und bereit sein, die Komfortzone zu verlassen – und das habe ich definitiv mit dem Einstieg in den Personalbereich getan.

Sind Ihre Talent-Strategien bisher aufgegangen – im Bezug auf Ihre Karriere und Ihr Unternehmen?

Für mich persönlich ist der HR-Bereich ein sehr lohnenswertes Arbeitsfeld. Es macht einen Riesenspaß, wenn man sieht, wie sich das Talent-Management bei uns weiterentwickelt. Aktuell ist es so, dass wir als Unternehmen immer noch wachsen und dass Personalabbau oder Gesundschrumpfen kein Thema ist. Jetzt können wir sagen, wir haben durch Zufall das Richtige gemacht oder die Drei-Säulen-Strategie ist aufgegangen – das mag jeder für sich selbst beurteilen.

Interview: Stefanie Hornung

Vortrag von Wolfgang Goebel auf der Messe Zukunft Personal:
“Nachhaltiges Talent Management als Garant für wirtschaftlichen Erfolg”
24. September 2009 | 10:15 – 11:00 Uhr
Forum 4, Halle 5.1 | Expert Series