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In den Personalabteilungen mittelständischer und großer Unternehmen wird nicht jeden Tag das Rad neu erfunden. Man verwendet für die Masse der Fälle Standardformulare. Dies betrifft nicht nur Arbeitsverträge, sondern zahllose andere Dokumente des Personalwesens. Auch und gerade für Zeugnistexte werden standardisierte Texte und Textbausteine verwendet. Dies ist nicht nur jedem Arbeitsgericht bekannt, sondern lässt sich auch wundervoll an den entsprechenden Kochbüchern für die Zeugniserstellung und der hohen Kunst der Dechiffrierung von geheimen Zeugnismerkmalen ableiten.

Soweit ein Arbeitgeber aber standardmäßig ohne individuelle Komponente eine bestimmte Formulierung verwendet, kann sich daraus rasch ein kollektiver Bezug für die gesamte Belegschaft oder jedenfalls die betroffene Vergleichsgruppe ergeben. Das kann der Fall sein, wenn eine spezielle Funktion oder Position beschrieben, ein bestimmtes Ausmaß an Fortbildungsbereitschaft dokumentiert oder bestimmte Leistungsstufen umschrieben werden. Hier lauert die Gefahr, den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu verletzen. Danach darf ein Arbeitgeber keinen einzelnen Arbeitnehmer aus willkürlichen Gründen schlechter als andere, mit ihm vergleichbare Arbeitnehmer behandeln. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist allseits anerkannt, jedoch nicht speziell geregelt. Einige Normen zitieren ihn als bestehenden Rechtssatz, so zum Beispiel § 75 Betriebsverfassungsgesetz, BetrVG. Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet ihn sogar als Element des vorstaatlichen überpositiven Rechts.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass es keinen Anspruch auf eine Schlussfloskel gibt. Ob sich daraus generell der Ausschluss bestimmter Formulierungen ergibt, ist angesichts der bislang fehlenden Auseinandersetzung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz durch die Arbeitsgerichte und die Literatur aber noch nicht abschließend geklärt.

Ein anerkannter Rechtsgrundsatz dahingehend, dass der Gleichbehandlungsgrundsatzes für Arbeitszeugnisse nicht gilt, existiert nicht und lässt sich aufgrund des generellen Charakters auch nicht schlüssig herleiten. Allerdings hat sich die arbeitsrechtliche Praxis hinsichtlich der Zeugnisformulierung bislang kein großes Kopfzerbrechen gemacht. Mit oberflächlichen Phrasen wie „Zeugnisse werden immer individuell erstellt“ widerspricht sich jedoch jeder selbst, der Standardformulierungen in Zeugnissen als selbstverständlich anerkennt. Es geht von der Logik der Sache her also kein Weg am Gleichbehandlungsgrundsatz vorbei; die Frage ist beim Zeugnis vielmehr diejenige, auf welche Elemente er Anwendung findet.

Einigkeit besteht zwar darin, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte Formulierung hat. Sobald allerdings der Arbeitgeber Leistungen im weiteren Sinne an Arbeitnehmer nach einer abstrakt generalisierenden Methode vergibt, bindet er sich damit selbst und darf ohne sachlichen Grund Mitglieder der Vergleichsgruppe nicht unterschiedlich behandeln.

Korrektes Zeugnis

Um den Gleichbehandlungsgrundsatz auf die Zeugnisformulierung korrekt anzuwenden, müssen folgende Punkte eingehalten werden:

1. Persönliche Angaben zum Arbeitnehmer Die persönlichen Angaben zum Arbeitnehmer sind zwingend individuell zu gestalten. Sie müssen die Person des Arbeitnehmers mit Namen, Vornamen und ihrem akademischen Grad wiedergeben.

2. Tätigkeitsbeschreibung Das Zeugnis muss die Tätigkeiten, die der Arbeitnehmer im Laufe des Arbeitsverhältnisses ausgeübt hat, so vollständig und genau bezeichnen, dass sich künftige Arbeitgeber ein klares Bild machen können. Zu den notwendigen Grundelementen eines qualifizierten Endzeugnisses zählt demnach als Oberpunkt die Aufgabenbeschreibung, die als Unterpunkte unter anderem Darstellungen über Unternehmen/Branche, hierarchische Position, Berufsbild/Berufsbezeichnung, Aufgabengebiet und Art der Tätigkeit enthalten kann.

Die Beschreibung dieser Elemente muss nicht notwendigerweise individuell ausgestaltet werden. So wäre es kaum praktikabel und sinnvoll, in die Zeugnisse der Arbeitnehmer, die beispielsweise als Briefträger, Reinigungskräfte aber auch als Schalterangestellte einer Bank angestellt sind, jeweils ausschließlich individuelle Tätigkeitsbeschreibung aufzunehmen. Bei diesen Tätigkeiten ist vielmehr davon auszugehen, dass es eine große Vergleichsgruppe gibt. Das ermöglicht es, vorformulierte allgemeine Tätigkeitsbeschreibungen zu verwenden, ohne dabei den individuellen Aspekt zu vernachlässigen.

3. Leistungsbewertung Rein inhaltlich muss das qualifizierte Endzeugnis eine wahrheitsgemäße, nach sachlichen Maßstäben ausgerichtete und nachprüfbare Gesamtbewertung der Leistung des Arbeitnehmers enthalten. Unter Leistung ist die berufliche Verwendbarkeit des Arbeitnehmers zu verstehen. Sie umfasst sechs Hauptmerkmale: Arbeitsbefähigung (Können), Arbeitsbereitschaft (Wollen), Arbeitsvermögen (Ausdauer), Arbeitsweise (Einsatz), Arbeitsergebnis (Erfolg) und Arbeitserwartung (Potenzial).

Diese Punkte werden üblicherweise durch formelmäßige Wendungen in Zeugnissen umschrieben. Es sind im Laufe der Jahre Standardformulierungen für eine zusammenfassende Leistungsbeurteilung entstanden, die weitgehend bekannt sind und daher vom Arbeitnehmer hingenommen werden müssen. Die Notenskalen sind dabei im Wesentlichen abgeschlossen. Je nach Autor eines Zeugnisanleitungsbuches sind leichte Abweichungen in der Auswertung dieser Standardformulierungen festzustellen, ihre Richtigkeit ist letztlich mehr Geschmackssache als Rechtsfrage.

4. Führungsbewertung Mit „Führung“ ist im Zeugnisrecht nicht etwa die sozialethische Führung des Arbeitnehmers zu verstehen, sondern dessen Sozialverhalten, seine Kooperations- und Kompromissbereitschaft, gegebenenfalls sein Führungsverhalten und -stil. Gemeint ist hier ein zusammenfassendes Urteil über die Eigenschaften und das gesamte dienstliche Verhalten des Arbeitnehmers. Es geht also um das betriebliche Zusammenwirken, nämlich sein Verhalten zu Vorgesetzten, gleichgeordneten Arbeitskollegen, nachgeordneten Mitarbeitern, aber auch gegenüber Kunden.

Auch in diesem Bereich haben sich Standardformulierungen herausgebildet. So werden zur Charakterisierung des Verhaltens bei mittlerer Bewertung gern die Begriffe „höflich“, „korrekt“ oder „in Ordnung“ verwendet. Zur Hervorhebung werden wie bei der Bewertung der Leistung Zusätze wie „immer“, „stets“ oder „durchweg“ und das Wort „lobenswert“ verwendet.

Hinsichtlich der Herabsetzung einer Note findet dasselbe Prinzip Anwendung. Dabei werden ebenfalls Zusätze wie „in der Regel“, „durchaus“, „im Allgemeinen“, „im Großen und Ganzen“ oder „zumeist“ gebraucht. Selbstverständlich steht es dem Arbeitgeber auch in diesem Bereich frei, von den Standardformulierungen abzuweichen, um ein besonderes Verhalten des Arbeitnehmers individuell bewertet in den Zeugnistext mit einfließen zu lassen.

5. Sonstige übliche Floskeln, insbesondere Schlussformel Es ist vielfach üblich, als Abschluss eines Zeugnisses eine Dankes-Bedauerns- Formel mit Zukunftswünschen anzubringen. Der Dank für geleistete Arbeit und/oder Bedauern über das Ausscheiden des Mitarbeiters, wird vereinzelt noch durch eine Würdigung bleibender Verdienste, eine ausdrückliche Einstellungsempfehlung, ein Wiedereinstellungsversprechen oder die Bitte um erneute Bewerbung nach Abschluss der Weiterbildung ergänzt.

Gutes Ende

Zwar ist der Arbeitgeber nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Februar 2001 nicht gesetzlich dazu verpflichtet, das Arbeitszeugnis mit Formulierungen abzuschließen, in denen er dem Arbeitnehmer für die gute Zusammenarbeit dankt und ihm für die Zukunft alles Gute wünscht. Wird jedoch ungeachtet dessen eine Schlussformel im Zeugnis verwendet, muss sie mit der Leistungs- und Führungsbewertung des Arbeitnehmers übereinstimmen. Grund: Zuvor unterlassene negative Werturteile dürfen nicht mit einer knappen, lieblosen Schlussformel versteckt nachgeholt werden.

Bei der Formulierung von solchen Schlussformeln werden die in der Praxis üblichen Textbausteine benutzt. So wird in einem Zeugnis, welches als durchschnittlich bewertet wurde, folgender Passus verwendet: „Wir bedauern ihr/sein Ausscheiden und danken ihr/ihm für die gute Zusammenarbeit. Für die Zukunft wünschen wir Frau/Herrn alles Gute und weiterhin viel Erfolg.“

Dass sich der Arbeitgeber individuell formulierte Schlussformeln überlegt und diese dann jeweils für die einzelnen Arbeitnehmer in deren Zeugnisse aufnehmen lässt, dürfte in der Praxis nicht nur unüblich, sondern auch wenig praktikabel sein. Dennoch ist es dem Arbeitgeber nicht verwehrt, Individuelles am Ende eines Zeugnisses einzubringen. Weicht er dabei jedoch von einer Standardkonfiguration ab, beispielsweise grundsätzlich Aufnahme einer Wunschfloskel, außer bei fristlos gekündigten Mitarbeitern, so bedarf eine Abweichung von dieser Regel der sachlichen Begründung. Analysiert man also das Arbeitszeugnis als eine Komposition aus individuellen und nicht-individuellen Bestandteilen, lässt sich ein Ausschluss des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht rechtfertigen. In der Praxis werden für bestimmte Falltypen im Regelfall identische Formulierungen gewählt, einschließlich des Zeugnis-Codes. Weicht der Arbeitgeber qualitativ von einer Standardformulierung ab, indem er diese negativ anders formuliert oder eine positive Formulierung weglässt, etwa die Dankes- und Bedauernsformel, so kann dies sehr wohl gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Die Folge ist, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine entsprechende Zeugnisänderung hat, soweit nicht der Arbeitgeber darlegen und beweisen kann, dass ein sachlicher Grund für eine abweichende Behandlung vorliegt.

Quelle: PERSONAL - Heft 10/2009