Wenn ein HR-Manager das Thema „E-Learning Trends“ betrachtet, dann vor dem Hintergrund der HR-eigenen Trends. Aus seiner Sicht ist das Erfolgskriterium von E-Learning, inwieweit es ihm hilft, seine Ziele und Aufgaben umzusetzen. HR-Trends der letzten Jahre sind beispielsweise die Neupositionierung des HR als Businesspartner im Unternehmen und gegenüber der Geschäftsleitung. HR-Strategiebildung, Kostendruck, Performance-Management und Forderung nach Effizienzsteigerung sind weitere.

Dort, wo E-Learning zunächst direkt zum Einsatz kommt, nämlich im Aus- und Weiterbildungsbereich, schliesst es an Themen an wie strategisches Kompetenzenmanagement, konzernweites Skillsmanagement, strategieorientiertes und kosteneffizientes „deployment“ von Bildungsmassnahmen. Neue Lernmedien und Lernformen einführen oder nutzen bedeutet dann vor allem eines: mehr erreichen mit immer weniger Mitteln, höchstmögliche Effizienz und schnelle Implementierung. IT-Systeme sollen die zeitliche und räumliche Vollverfügbarkeit sicherstellen.

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Foto von Ant Rozetsky

Technik ist auch ein Motor

Andererseits wird der Bereich Corporate Learning von Technologietrends zumindest mit angestossen. Intern bestimmen noch weitgehend „klassische“ E-Learning-Mittel wie WBTs (Web Based Training), Blended Learning (Mischung von Virtual und Classroom-Training) und (zunehmend) virtuelle Klassenräume die Bildungsszene, stets kombiniert mit Assessment- und Profiling-Tools. Aussen klopfen Technologietrends vom Typ Web 2.0 an die Tore, die als Social, Gamebased, Workplace, Informal / Embedded und Mobile Learning daherkommen.

Zwischen Kostendruck, technischer Machbarkeit und Unternehmenskultur

Die Einführung und Nutzung dieser neuen, medienbasierten Lernformen stellt sich als heikel heraus. Einerseits muss sie dem Kostendruck und der Effizienzsteigerung gehorchen, also zutiefst ökonomischen Kriterien. Gerade im Corporate Learning zeigt sich jedoch schnell, wie die Performance-Wünsche der Strategen mit den Möglichkeiten und der Machbarkeit neuer Lernformen kontrastieren: Informelles und Workplace Learning haben durchaus das Potential, schlanker zu sein als aufwändige traditionelle Bildungssysteme. Andererseits stossen sie schnell an Unternehmensgrenzen an, seien sie informationstechnischer, kultureller oder führungsmässiger Art.

Grenzen zur Privatsphäre für alle Beteiligten fliessend – Selbstmanagement ist da stark gefordert

Denken wir als Beispiel nur an die Nutzung mobiler Endgeräte wie Smartphones. Nehmen wir an, dass die Bereitstellung geeigneter Lerninhalte und die Konzeption sinnvoller Lernszenarien schon nicht mehr das Problem ist. Dann muss im Alltag das Unternehmen immer noch damit leben, dass die Entgrenzung der privaten Mitnutzung Tür und Tor öffnet und dass Lernprozesse (und oft auch Lerninhalte) unkontrollierbar werden. (Von der Frage des Lerncontrollings in diesen Szenarien gar nicht zu reden.) Die Mitarbeiter müssen umgekehrt damit leben, dass die Abgrenzung von Beruf und Privatsphäre zunehmend schwierig wird, die Leistungs- und Verfügbarkeitsansprüche bis tief in das Privatleben hinein reichen und viel grössere Fähigkeiten im Selbstmanagement verlangen.

Veränderungen in Lern- und Kommunikationsformen sind – gesehen auf das Ganze der Organisation - scheinbar recht harmlose Phänomene. Spätestens aber wenn diese zunehmend kollektiv verlaufen und in Web 2.0-Manier das Potential haben, überraschend grosse soziale Netze zu bilden und zu bewegen, werden sie zu einem relevanten Faktor auch der Organisationsstruktur.

Neuen Lernmedien und Lernformen ist inhärent eine Macht zur Entgrenzung und eine Hoffnung auf Dialog. Für jüngere Mitarbeitergenerationen ist diese Entgrenzung weniger problematisch als für ältere. Sie formulieren in Jugendstudien, aber auch in Rekrutierungsgesprächen offensiv die Erwartung an flexible Formen des Arbeits- und Zeitmanagements, an einen offenen Umgang mit persönlichen Aktivitäten und Netzwerken in der Arbeitswelt. Lernen wird zunehmend kollaborativ, synchron, kommunikativ.

Neues Lernen braucht Offenheit – Unternehmen müssen dies aushalten

Unternehmen können sich den sozialen Wirkungen der neuen Technologien nicht auf Dauer verschliessen. Die Offenheit, die das neue Lernen als Bedingung braucht, muss eine Organisation aushalten können. Es ist ein Trugschluss, neue Lernformen nur als Technologiefrage oder Prozessoptimierung zur Kostensenkung anzuschauen.

Aus der Erfahrung mit Konzeption und Implementierung der klassischen Web Based Trainings und Lernmanagementsysteme haben wir längst gelernt, dass diese Projekte nur erfolgreich sind, wenn sie von allen beteiligten Stakeholdern getragen und angenommen werden. Mit der Einführung der Social Media müssen wir da anknüpfen und beginnen, Verhaltensregeln und Lern- wie Organisationskultur zum notwendigen Thema bei der Einführung und Nutzung zu machen.

Zeitliche Verfügbarkeit klären

So werden, zurückkehrend zum Beispiel, die „smart and mobile devices“ aller Wahrscheinlichkeit nach wohl in der Welt von morgen noch häufiger auftreten als heute schon. Ihr Erfolg als Lerntechnologie im Corporate Learning hängt davon ab, inwieweit wir in der Lage sind, die (nicht mehr streng hierarchischen) Aushandlungsprozesse um ihre Nutzung zu führen und mit den Folgen der Entgrenzung umzugehen. Reglemente der zeitlichen Verfügbarkeit, Klärung der Erwartungen an Mitarbeiter und Vorgesetzte können dabei erste Schritte sein.

Die Social Media, die neuen Lerntechnologien als vierte Kulturtechnik lassen sich nicht mehr allein technologisch und ökonomisch denken und zum Erfolg führen. Es wird uns nur gelingen, das Corporate Learning damit erfolgreich zu gestalten, wenn wir die soziale und kulturelle Fähigkeit zum Umgang mit den Nutzungsformen und ihren Folgen lernen.

Tipps:

Ein Aufsatz Königs über Neue Medien und ihre unvorhergesehenen Wirkungen steht hier auf HRM.ch bereit.

Das Center for Education and New Learning der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften untersucht seit Jahren Trends in neuen Lehrmedien. Vorangegangene Studien können kostenfrei und cc-lizensiert bestellt werden auf www.cenl.zhaw.ch