Das Problem

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Foto von Christian Mackie

Der demographische Wandel ist vielschichtig. Schätzungen besagen, dass sich der Anteil der Zuwanderer und ihrer Nachkommen im Zeitraum von 1998 bis 2030 nahezu verdoppeln wird. Dennoch vermuten Experten, dass schon im Jahr 2015 in etwa 7 Millionen Erwerbspersonen in Deutschland fehlen werden. Außerdem wird der Anteil der über 55-Jährigen an der Erwerbsbevölkerung rapide steigen. Unternehmen kennen diese Trends schon lange, doch die wenigsten haben umfassende Strategien entwickelt, um diese Herausforderung anzupacken.

Nicht so die Metro Group. Während andere erst mit dem Fachkräftemangel den demographischen Wandel als Thema wahrnehmen, entwickelt der Handelskonzern schon seit einigen Jahren neue Strategien für den Umgang damit. Der Grund: Nicht nur die Arbeitnehmerstruktur des Unternehmens, sondern auch dessen Kundschaft wandelt sich unter demographischen Aspekten. Zum einen ändert sich das Kaufverhalten, wenn die Haushaltsgröße abnimmt. Zum anderen muss der Handel immer den Servicegedanken im Auge haben: Ein Unternehmen mit vielen älteren Kunden ist auch auf ältere Mitarbeiter angewiesen, da sie die Kunden besser verstehen und „von gleich zu gleich“ beraten können. Für Kunden mit einem Migrationshintergrund gilt das in gleicher Weise. „Als Handelskonzern müssen wir uns auf die demografischen Veränderungen in unseren Kunden- und Mitarbeiterstrukturen einstellen und gestaltend auf diese Veränderungen Einfluss nehmen. Das geht selbstverständlich nur, wenn wir unsere eigenen Mitarbeiter in diesem Gestaltungsprozess auch mitnehmen“, erklärt Dr. Jürgen Pfister, Bereichsleiter Personal und Soziales der Metro AG.

Vielfalt fördern und nutzen

Die Metro Group verfügt bereits heute über eine „altersausgewogene“ Mitarbeiterstruktur. 25 Prozent ihrer 130.000 Mitarbeiter in Deutschland sind älter als 50 Jahre, was in etwa dem Anteil dieser Altersgruppe an der Erwerbsbevölkerung insgesamt entspricht. Es kommt hinzu, dass „Alter“ in der Metro Group kein Einstellungshindernis ist. So hat die Metro Group in den Jahren 2005 und 2006 konzernweit jeweils rund 1.700 Mitarbeiter über 50 Jahre neu eingestellt, davon rund 520 allein in Deutschland. „Das ist ein Zeichen dafür, dass es keine Alterdiskriminierung bei der Metro Group gibt“, kommentiert Dr. Pfister diese Zahlen.

Für die Metro Group hat der demographische Wandel jedoch nicht nur etwas mit Alter, sondern ganz grundsätzlich etwas mit Vielfalt – mit „Diversity” – zu tun. Aktuell haben sieben Prozent der Mitarbeiter in Deutschland und neun Prozent der Auszubildenden eine ausländische Staatsangehörigkeit. Die Mitarbeiter der Metro Group gehören insgesamt 130 verschiedenen Nationen an. „Deshalb ist eine konsequente soziale Integration die Schlüsselstrategie, um die damit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen“, erklärt Dr. Pfister. „Als erfolgreiches Handelsunternehmen benötigen wir eine vielfältige Mitarbeiterschaft sowie eine weltoffene, tolerante und internationale Kultur der Zusammenarbeit in unseren Märkten und Betrieben.“ Auf dem Arbeitsmarkt positioniert sich die Metro Group seit Jahren als „Equal Opportunities Employer“, der für alle Bewerber und Mitarbeiter gleiche berufliche Zugangs- und Entwicklungschancen gewährleistet und systematisch ein partnerschaftliches Verhalten der Mitarbeiter am Arbeitsplatz fördert.

Motivation und lebenslanges Lernen

Eine weltoffene, tolerante und internationale Kultur trägt zur Motivation der Mitarbeiter bei. Ob dies auch tatsächlich so ist, überprüfen einige der großen Vertriebslinien der Metro Group wie Media Markt, Saturn oder Kaufhof mit Hilfe des „Q12“-Befragungsansatzes des Gallup Instituts. Die Befragung besteht aus 12 Fragen, die auf wertschätzende Führung, Mitarbeiterbindung und Leistungsbereitschaft abzielt. In einzelnen Arbeitsteams erhalten die befragten Mitarbeiter ein Feedback, das ihre eigenen Befragungsergebnisse im Vergleich zu den Gesamtergebnissen berücksichtigt. Gemeinsam mit den Führungskräften können sie auf dieser Grundlage ihre konkrete Arbeitssituation verbessern.

Damit sich zur Leistungsbereitschaft auch die Leistungsfähigkeit gesellt, legt der Konzern gleichzeitig großen Wert auf die Qualifizierung der Mitarbeiter. Dass ältere Mitarbeiter nicht mehr so leistungs- und lernbereit seien, kann Personalchef Pfister nicht bestätigen. Vielmehr funktionierten die Annahmen, die ein Unternehmen über die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter voraussetzt, wie „self-fullfilling Prophecies“. „Wenn ein Unternehmen Alter als leistungsminderndes Kriterium betrachtet, wird die Mehrheit der Mitarbeiter den Älteren mit einer geringeren Erwartungshaltung gegenübertreten, bis sich das Altersbild bewahrheitet“, ist er überzeugt.

Die Metro Group bietet dementsprechend ihr Weiterbildungsangebot auch Mitarbeitern über 50 Jahren an. Trotzdem nimmt auch in dem Handelskonzern die Teilnahmequote von Führungskräften an Personalentwicklungsmaßnahmen mit zunehmendem Alter ab. Damit die Dringlichkeit von lebenslangem Lernen bei den Menschen ankommt, müssen die Unternehmen laut Dr. Pfister bei der Berufsausbildung ansetzen. Deshalb hat die Metro Group die Zahl ihrer Ausbildungsplätze in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesteigert. Aktuell beschäftigt der Handelsriese rund 8500 Auszubildende in seinen Märkten und Betrieben – das sind 8,5 Prozent aller Beschäftigten. Mehr als 3000 Auszubildende und Studenten an Fachhochschulen und Berufsakademien beginnen pro Jahr eine Ausbildung in der Metro Group.

Um Fach- und Führungspositionen aus den eigenen Reihen zu besetzen, werden die Absolventen nicht nur zu einem großen Teil übernommen, sondern direkt weiter gefördert. Die Nachwuchsförderung und Qualifizierung der Mitarbeiter ist hauptsächlich die Aufgabe der Metro-eigenen Fortbildungseinrichtungen wie beispielsweise das „House of Training“ oder die „Metro-Academy“. Ziel ist es, dass sich sowohl jüngere als auch ältere Mitarbeitern weiterbilden.

Gesundheit und Work Life Balance

Wie bei der Personalentwicklung kann auch die Vorsorge für die Gesundheit der Mitarbeiter nicht erst im Alter einsetzen. Weil die Metro Group von Anfang an ein gesundes Altern unterstützen möchte, hat sie vor drei Jahren ein betriebliches Gesundheitsmanagement eingeführt. Um ihre Gesundheit zu bewahren, können Mitarbeiter auf Angebote zur Erhaltung ihrer Leistungsfähigkeit zurückgreifen, die von Bewegungstrainings und Ernährungsseminaren über die ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen bis hin zu Gesundheitszirkeln reichen, die das Handelsunternehmen in seinen Märkten und Betrieben sukzessive aufbaut. „Dennoch sind wir erst am Anfang eines Umdenkungsprozesses“, schränkt Dr. Pfister ein und fügt hinzu: „Wir müssen unsere Führungskräfte befähigen, aktiv die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu fördern. Das betriebliche Gesundheitsmanagement muss in erster Linie als Führungsaufgabe verstanden und wahrgenommen werden“.

Das Personalmanagement steht vor allem im Zuge des Fachkräftemangels vor neuen Aufgaben, die eng mit dem demographischen Wandel zusammenhängen: Angesichts einer schrumpfenden und alternden Erwerbsbevölkerung werden Unternehmen ihre Fach- und Führungspositionen in Zukunft verstärkt mit Menschen besetzen müssen, die heute noch teilweise am Rande des Arbeitsmarkts stehen – mit Frauen und Menschen, die familiär gebunden sind, sowie mit Migranten und eben auch mit älteren Menschen jenseits des fünfzigsten Lebensjahrs. Das funktioniert nur, wenn Unternehmen ihre Attraktivität als Arbeitgeber auch für diese Personengruppen steigern. Dazu gehört es unter anderem, dass sie Lösungsansätze bereitstellen, mit deren Hilfe ihre Mitarbeiter „Arbeit“ und „Familienleben“ besser vereinbaren können.

Ein konkreter Ansatz sind beispielsweise Kinderbetreuungsangebote. So hat die Metro Group an ihrem Standort in Düsseldorf, an dem inzwischen mehr als 4000 Mitarbeiter beschäftigt sind, im Jahr 2005 einen Betriebskindergarten eröffnet. Derzeit finden dort 65 Kindern Platz. Doch er ist so stark nachgefragt, dass er bereits heute schon wieder zu klein ist. „Die Planungen für eine erforderliche Erweiterung sind bereits angelaufen, so dass wir das Platzangebot noch in diesem Jahr verdoppeln werden“, sagt der Bereichsleiter Dr. Pfister. Um Familienleben und Arbeit besser verbinden zu können, haben die Metro-Mitarbeiter außerdem die Möglichkeit, ihre Arbeitszeiten flexibel zu gestalten. Die Arbeitszeitmodelle sehen auch vor, die Zeiten zwischen Arbeit und arbeitsfreier Zeit zu variieren. „Wir müssen darauf hinwirken, die Zeitsouveränität unserer Mitarbeiter lebensphasengerecht zu optimieren“, fordert Pfister.

Konstruktive und produktive Altersbilder entwickeln

Bereits heute sehen Führungskräfte einem neuen Altersbild positiv entgegen. Laut einer Umfrage, die das manager magazin gemeinsam mit der Personalberatung Rundstedt & Partner, der Potsdamer University of Management and Communication und dem Verband „Die Führungskräfte“ durchführte, glauben mehr als zwei Drittel der Manager in Deutschland, dass der demographische Wandel sich positiv auf ihre Karriere auswirken wird. Mit zunehmendem Alter steigt der Studie zufolge die Bereitschaft länger zu arbeiten.

Die Metro AG, die die strategische Ausrichtung des Konzerns – und damit auch des Personalmanagements – vorgibt, ist im Jahr 2004 aus allen Block-, Altersteilzeit- und Frühverrentungsregelungen ausgestiegen. Während vor drei Jahren noch rund 1200 Mitarbeiter pro Jahr in die „Block-Altersteilzeit“ gingen, waren es in den Jahren 2005 und 2006 weniger als 300. „Unsere Vorstellungen vom Alter entwickeln sich auf der Basis des erlebten Umgangs mit den älteren Mitarbeitern von heute“, so Dr. Pfister. „Wenn wir diejenigen, die das 55. Lebensjahr überschritten haben, reflexhaft in den Vorruhestand schicken, dann signalisieren wir den jüngeren Mitarbeitern von heute, dass auch sie mit dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters nichts mehr wert sind.“ Deshalb müsse die Metro Group sich im Regelfall von der Frühverrentung verabschieden. Der Abschied von der Frühverrentung sei sicherlich für manchen älteren Mitarbeiter ein schmerzlicher Einschnitt in die persönliche Lebensplanung gewesen. „Er war und ist jedoch auch ein deutliches Signal an all die Mitarbeiter, die ihre Lebensplanung noch nicht abgeschlossen haben“, klärt HR-Manager Pfister. Die Mitarbeiter der Metro Group müssen und dürfen sich heute in ihrer Lebensplanung jedenfalls darauf einstellen, dass es für sie in der Regel keinen vorzeitigen Ausstieg aus dem Erwerbsleben geben wird.

Das Handelsunternehmen versteht das als Aufruf zu einem neuen Altersbild, das sich von der defizitären Sichtweise des Alters abwendet. Denn genau dieses Defizitmodel des „ageism“ führt häufig zur Diskriminierung von älteren Mitarbeitern. Wenn sie nicht die Chancen haben, ihr Leistungspotenzial zu entfalten, gefährdet das die Zusammenarbeit in altersgemischten Teams und damit den Unternehmenserfolg insgesamt. Die Metro Group versucht, diese Altersvorurteile abzubauen und damit die Gesamtleistung des Unternehmens voranzubringen. Auf diesem langwierigen Weg zu konstruktiven und produktiven Altersbildern ohne Vorurteile ist die Handelsgruppe schon einen großen Schritt vorangegangen.

Dr. Jürgen Pfister wird am 11. September 2007 um 10.15 Uhr an der Eröffnungsdiskussion der Fachmesse Zukunft Personal teilnehmen. Gemeinsam mit vier weiteren HR-Experten beleuchtet er, welche Rolle das Personalmanagement derzeit spielt. Die Diskussionsrunde moderiert die Journalistin Christine Demmer. Weitere Informationen zu der Fachmesse sind unter www.zukunft-personal.de erhältlich.