1 Anzeigepflicht

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Foto von Georgie Cobbs

Nebentätigkeit ist jede Tätigkeit außerhalb des Hauptarbeitsverhältnisses, bei der der Betreffende seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Dies kann im Rahmen eines Dienst-, Werk- oder Arbeitsvertrags geschehen, entgeltlich oder unentgeltlich. Eine Nebentätigkeit bedarf zunächst keiner besonderen „Erlaubnis“ und/oder Genehmigung seitens des Arbeitgebers. Durch den Arbeitsvertrag verpflichtet sich derArbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber gemäß § 611 Abs. 1 BGB (nur), die versprochenen Dienste zu leisten, und nicht etwa, ihm seine gesamte Arbeitskraft exklusiv zur Verfügung zu stellen (wie im Beamtenverhältnis).

Wichtig

Eine Vertragsklausel, die dem Arbeitnehmer jegliche Nebentätigkeit verbietet, ist daher unwirksam. Der Mitarbeiter ist verpflichtet dem Arbeitgeber eine geplante Nebentätigkeit anzuzeigen, soweit sie dessen Interessen tangiert. Dies ist der Fall, wenn sie mit der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht vereinbar ist und ihre Ausübung die Arbeitspflicht verletzt.

Beispiele

Der Beschäftigte wird als Wettbewerber tätig. Ein pauschal versicherter geringfügig beschäftigter Arbeitnehmer nimmt eine weitere geringfügige Beschäftigung auf und überschreitet damit die Grenzen der Geringfügigkeit gemäß § 8 SGB IV.

Die Parteien können eine Anzeigepflicht außerdem gesondert vereinbaren. Sie gilt dann als arbeitsvertragliche Nebenpflicht selbst wenn dies nicht ausdrücklich geregelt ist. Möglich ist aber natürlich auch, sich gleich im Arbeitsvertrag darauf zu einigen. Der Arbeitnehmer muss dann eine beabsichtigte berufliche Nebentätigeit dem Arbeitgeber in jedem Fall anzeigen. Das gibt dem Unternehmen die Möglichkeit, zu prüfen, ob die Tätigkeit seine betrieblichen Interessen beeinträchtigt. Eine solche Klausel beschränkt den Mitarbeiter nicht unangemessen in seiner Berufsfreiheit und ist wirksam.

Darüber hinaus besteht eine Anzeigepflicht für den Arbeitnehmer, der bei einem Arbeitgeber eine geringfügige Beschäftigung ausübt und ein weiteres Beschäftigungsverhältnis aufnimmt. Er hat dies dem „ersten“ Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen, da seine Beschäftigung damit möglicherweise sozialversicherungspflichtig wird.

2 Genehmigung von Nebentätigkeiten

Die Parteien können im Arbeitsvertrag auch eine Genehmigungspflicht für Nebentätigkeiten vereinbaren, ein sog. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.Der Arbeitgeber hat diese Genehmigung zu erteilen, soweit keine berechtigten Interessen seinerseits entgegenstehen. Die Darlegungs und Beweislast für entgegenstehende „berechtigte Interessen“ trägt der Arbeitgeber. Nur wenn er ein berechtigtes Interesse darlegen kann, weshalb der Mitarbeiter die Nebentätigkeit unterlassen soll, kann er die Genehmigung verweigern.

Hat das Unternehmen für eine bestimmte Nebentätigkeit ausdrücklich eine Genehmigung erteilt, stellt sich die Frage, ob es diese „zurücknehmen“ kann, etwa wenn sich ein nicht vorhersehbarer Konflikt mit der Haupttätigkeit einstellt:

– Unproblematisch besteht diese Möglichkeit nur, wenn sich der Arbeitgeber ausdrücklich den Widerruf vorbehalten hat.

– Fehlt es daran, bleibt nur die Änderungskündigung. Diese dürfte allerdings sozial gerechtfertigt sein, wenn und soweit die weitere Nebentätigkeit berechtigte Interessen des Unternehmens beeinträchtigen würde.

3 Grenzen der Nebentätigkeit

Der Arbeitgeber kann die Nebentätigkeit untersagen oder mit Auflage versehen, wenn und soweit sie geeignet ist,

– die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers und/oder

– die berechtigen Interessen des Arbeitgebers

zu beeinträchtigen. Dies gilt auch, wenn die Nebentätigkeit nicht vertraglich verboten ist. Ihre Schranken ergeben sich aus den allgemeinen Treue-und Rücksichtnahmepflichten im Hauptarbeitsvertag. Der Mitarbeiter hat insbesondere jede Nebentätigkeit zu unterlassen, die dazu führen kann, dass er seine Arbeitspflicht im Hauptarbeitsverhältnis vernachlässigt In Betracht kommen z. B. folgende Fälle:

– Ein Beschäftigter übt während der Arbeitszeit im Hauptarbeitsverhältnis Nebentätigkeiten aus. Womöglich verwendet er dabei sogar (Schreib-)Material und technisches Equipment des Arbeitgebers, z. B.Kopierer, Fax etc.

– Ein Mitarbeiter ist während einer krankheitsbedingten Abwesenheit anderweitig tätig und verzögert dadurch die Genesung.

– Ein kaufmännischer Angestellter übt ohne Einwilligung des Arbeitgebers im Rahmen einer Nebenbeschäftigung eine Konkurrenztätigkeit aus, obwohl § 60 HGB ihm dies untersagt. Für sonstige Arbeitnehmer ergibt sich ein vergleichbares Wettbewerbsverbot aus der allgemeinen Treuepflicht

– Ein Beschäftigter geht entgegen § 8 BUrlG während seines gesetzlichen Mindesturlaubs einer Erwerbstätigkeit nach, die dem Urlaubszweck widerspricht. (Achtung: Damit entfällt weder der Urlaubs- noch der Entgeltanspruch!)

– Ein Mitarbeiter hat mehrere Arbeitsverhältnisse, die zusammen die gesetzliche Höchstgrenze der Arbeitszeit überschreiten. In diesem Fall ist der zweite Arbeitsvertrag in vollem Umfang nichtig, es sei denn, der Parteiwille geht dahin, ihn im Umfang der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit aufrechtzuerhalten, § 139 BGB. Für die trotz Nichtigkeit geleistete Arbeit hat der Arbeitnehmer dann einen Vergütungsanspruch nach den Grundsätzen des „faktischen Arbeitsverhältnisses“.

Wichtig

Nimmt der Arbeitgeber vorsätzlich oder fahrlässig eine Überschreitung der nach dem Arbeitszeitgesetz höchstzulässigen Arbeitszeit hin, begeht er unter den Voraussetzungen des § 22 ArbZG eine Ordnungswidrigkeit, unter den Voraussetzungen des § 23 ArbZG sogar eine Straftat.

4 Nicht angezeigte oder unzulässige Nebentätigkeit

Verletzt der Mitarbeiter seine Pflicht vor Aufnahme einer Nebentätigkeit dies dem Arbeitgeber anzuzeigen bzw. dessen Genehmigung einzuholen, kann das Unternehmen ihn abmahnen. Im Wiederholungsfall dürfte eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein.

Beeinträchtigt die Nebentätigkeit die vertraglich geschuldeten Leistungendes Arbeitnehmers, ist ebenfalls – nach Abmahnung – eine verhaltensbedingte Kündigung möglich. Eine fristlose Kündigung kann im Ausnahmefall zulässig sein, z. B. wenn der Betreffende eine Konkurrenztätigkeit ausübt oder Eigentum des Arbeitgebers für die Nebentätigkeit missbraucht.

Wichtig

Hat der Arbeitgeber die Nebentätig zu Unrecht verboten, darf der Arbeitnehmer dagegen verstoßen. Das Unternehmen kann darauf keine Kündigung stützen.

Soweit der Mitarbeiter infolge der Nebentätigkeit schlechte Arbeit leistet, sollte der Arbeitgeber über Schadensersatzansprüche nachdenken. Ein Unterlassungsanspruch ist ebenfalls möglich. Dies kommt in der Praxis am ehesten bei einer Konkurrenztätigkeit vor.

Praxistipp

Übt der Beschäftigte eine Konkurrenztätigkeit aus, empfiehlt es sich den Unterlassungsanspruch im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung von Ordnungsgeld durchzusetzen, vgl. Muster. Neben dem Verfügungsanspruch auf Unterlassen der Wettbewerbstätigkeit dürfte auch die Eilbedürftigkeit gegeben sein, da sich ein Schaden aus einer Konkurrenztätigkeit sofort realisiert. Dem Unternehmen ist es nicht zuzumuten, das Urteil im Hauptsacheverfahren abzuwarten, da dies mindestens vier Monate dauert.

Muster: Einstweilige Verfügung auf Unterlassen von Konkurrenztätigkeit

(1) Dem Antragsgegner wird aufgegeben, bis zur wirksamen Beendigung desArbeitsverhältnisses am … jegliche Konkurrenztätigkeit zum Nachteil der Klägerin zu unterlassen, insbesondere…

(2) Dem Antragsgegner wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Ordnungsgelds bis zur Höhe von 250.000 Euro oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

5 Informationsanspruch des Betriebsrats?

Der Betriebsrat hat wohl keinen Anspruch darauf, dass ihn der Arbeitgeber darüber informiert, welchen Arbeitnehmern er eine Nebentätigkeitsgenehmigung erteilt hat und auf welche Art bzw. welchen Umfang der Arbeit sie sich erstreckt (LAG Köln, Urt. v. 11.1.1995 – 8 TaBV 55/94; a. A. LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 22.11.1991 – 12 TaBV 8/91).

Es besteht auch kein Anlass, der Arbeitnehmervertretung ein Informationsrecht über erteilte Nebentätigkeitsgenehmigungen zuzugestehen, damit sie die Genehmigungspraxis überprüfen kann. Die Erteilung bzw. Versagung erfolgt typischerweise nur aufgrund von Kriterien, die sich aus dem konkreten Arbeitsverhältnis ergeben und damit keinen kollektiven Bezug aufweisen.

6 Fazit

Eine Nebentätigkeit ist vom Grundrecht der Berufsfreiheit geschützt und damit grundsätzlich erlaubt. Mehrere Beschäftigungen nebeneinander sind möglich und zulässig. Das zeigt auch die sozialrechtliche Regelung, wonach mehrere geringfügige Beschäftigungen zusammenzurechnen sind. Der Arbeitgeber darf nur verlangen, dass der Mitarbeiter eine Nebentätigkeit unterlässt, sofern er ein berechtigtes Interesse darlegen kann. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Nebentätigkeit die Arbeitsleistung bzw. -kraft des Arbeitnehmers beeinträchtigen kann oder Wettbewerbsinteressen des Unternehmens entgegenstehen. In jedem Fall muss der Beschäftigte eine bevorstehende Nebentätigkeit anzeigen, wenn sie die Interessen des Arbeitgebers bedroht.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – 12/10