Nicht jede Arbeitgebermarke ist wie Harley Davidson. Die lassen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Kultmarke auch schonmal auf die eigene Haut tätowieren. Eine echte Love Brand eben. Aber auch ohne große Liebe: Die Arbeitgebermarke ist ein wichtiges Statement. Sie liefert die Antwort auf die Frage, warum sich Jobsuchende bei einem Unternehmen bewerben sollen – oder vielleicht auch nicht. Ist die Employer Brand stark, erzeugt sie zudem Aufmerksamkeit und fordert heraus. Das ist wie bei einer Tätowierung. Auch im Employer Branding gilt: Bilder, Geschichten, Aktionen müssen authentisch sein, zur Kultur und den Arbeitsbedingungen passen. Dabei müssen Arbeitgeber auch ihre Zielgruppe im Blick behalten: Handwerker haben andere Erwartungen als IT-Spezialisten. Was IT’lern einen wichtigen Anreiz bietet, kann Mechatroniker abschrecken. Und damit Unternehmen dafür die richtige Strategie finden, ist es wichtig interdisziplinär zusammenzuarbeiten – nicht nur mit dem Marketing, auch mit der Unternehmenskommunikation. So überzeugen Arbeitgeber mit Employer Branding die passenden Bewerber.

So geht Employer Branding
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Jedes Tattoo ist ein Statement

Tätowierungen sind angesagt. Ob klein und versteckt oder großflächig und gut sichtbar – viele Menschen haben Tattoos, manchmal würde man es gar nicht vermuten. Was steckt dahinter? Was treibt sie dazu an, wie finden sie das richtige Motiv? Und was hat das Ganze mit Employer Branding zu tun? Wir haben das Studio The Inmost Light in Wiesbaden besucht und mit Boris und Birgit gesprochen.

„Der Anfang war etwas gruselig“, erzählt Birgit. Damals gab es noch nicht viele Tattoo-Studios in Wiesbaden. Und Birgits erstes Tattoo – ein Tribal mit einfachen geschwungene Linien in Schwarz – wurde nicht so, wie sie sich das vorgestellt hatte. Damals half ihr Boris. Er rettete die verunglückte Tätowierung und blieb danach der Tätowierer ihrer Wahl. Heute, 20 Jahre und viele Tattoos später, kann Birgit beim Erzählen der Geschichte lachen. Damals tat es weh und sie war gar nicht glücklich mit dem ersten Versuch.

Wir sitzen in einer schönen Altbauwohnung direkt am Kaiser-Friedrich-Ring in Wiesbaden. Boris ist einer von vier Tätowierern im Tattoo-Studio The Inmost Light, das sich das Büro mit anderen kreativen Werken teilt. Im Hintergrund läuft Musik, die an schottischen Folk erinnert, an verschiedenen Plätzen surren die elektrischen Nadeln. Boris sticht Birgit gerade eine große Fledermaus. Währenddessen reden wir darüber, was Menschen dazu bringt, sich ein Tattoo stechen zu lassen, welche Verantwortung ein guter Tätowierer hat – und was das ganze mit Employer Branding zu tun haben könnte.

„Klar kann man mit einem Tattoo so etwas wie eine eigene Marke aufbauen“, sagt Boris. Es gebe sicher Leute, die das machten. „Auf Instagram geht es vielen nur um Fotos von sich selbst“, sagt er. Wenn jemand stark tätowiert sei, spiele das auch dafür eine große Rolle. Und Boris erzählt von einer jungen Kundin, die 70.000 Follower in dem Social Network habe. „Die benutzt ihre Tattoos wie eine Brand, setzt sie auf Instagram in Szene“, erzählt er. Sie sei kein Profi, poste aber dafür sehr authentisch. Das bedeutet: Ihre Follower nehmen ihr ihre Instagram-Posts ab. Genau darauf kommt es auch im Employer Branding an.

Ein weiterer Punkt: Tattoos fordern andere Personen heraus. Das hat Birgit schon einige Male erlebt. „Man begegnet Menschen ganz anders, vor allem im Sommer. Dann hat man weniger Klamotten an und wird angestarrt – und unfassbar viel angequatscht“, erzählt sie. „Das ist krass. Ich bin scheinbar kein normaler Mensch mehr. Auf meiner Stirn steht: Sag‘ mir alles. Erzähl mir Deine Lebensgeschichte, schwall mich zu. Das passiert doch anderen Leuten auch nicht.“ Es gipfelte darin, dass ein fremder Mann ihr im Vorbeilaufen sagte, dass sie richtig scheiße aussehe. Das trifft natürlich. Aber: „Das musst du erst einmal schaffen, jemanden so herauszufordern“, sagt Boris. Das ist bemerkenswert. Und auch hier tut sich eine Parallele zur Marke auf. Andererseits gibt es auch schöne Erlebnisse. Wie in einem Supermarkt, wo Birgit von ein paar älteren Damen angesprochen wurde. Die haben wie Schulmädchen gekichert. Und dabei waren sie gar nicht ablehnend, sondern positiv. Auch das gehört dazu. Ein Tattoo – oder wie in Birgits Fall viele Tattoos – ist ein Statement, das Menschen im besten Fall miteinander ins Gespräch bringt.

Doch wie findet man das richtige Motiv? Gar nicht so einfach. Birgit vertraut da Boris. „Wir reden miteinander und dabei kommt immer etwas Passendes raus“, erklärt sie. „Wir erarbeiten das zusammen“, bestätigt Boris. „Sie formt einen Grundgedanken und daraus entwickeln wir etwas.“ Die Gründe für ein bestimmtes Motiv sind dabei so vielfältig wie die Motivation, sich überhaupt ein Tattoo stechen zu lassen. Manche machen sich tiefgehende Gedanken, andere nehmen einfach ein Motiv, weil es ihnen gefällt, wieder andere finden es wichtig, dass sich etwas auf sie selber und ihre Persönlichkeit bezieht.

Denn jedes Tattoo erzählt auch eine Geschichte über den Tätowierten – ob ihm das bewusst ist oder nicht. Auch da gibt es eine Parallele zum Employer Branding. Darum muss ein Tattoo zur Person passen – und da hat auch der Tätowierer eine große Verantwortung. Boris schickt hin und wieder Kunden nach Hause, empfiehlt ihnen, noch einmal über ein Motiv nachzudenken. Etwa wenn der Name eines Partners oder einer Partnerin gestochen werden soll. Oder wenn eine 16-Jährige sich einen großen Sensenmann stechen lassen möchte. „Den meisten Tätowierern ist nicht bewusst, welche Verantwortung sie haben“, erklärt er. In einer Stadt wie Wiesbaden gebe es heute 54 Tätowierer – da macht sich nicht jeder große Gedanken. Sondern er fange einfach an. „Dabei ist es doch wichtig, dass ich ordentlich berate, den Kunden lieber noch einmal Zeit zum Nachdenken gebe – und helfe, das richtige zu finden“, sagt er.

Birgit fühlt sich offensichtlich gut aufgehoben. Was mit einem Tribal begann, geht inzwischen seit 20 Jahren weiter – ein Ende ist noch nicht in Sicht. „Am Anfang fand ich es einfach cool“, erklärt sie, „ich wollte einen Hingucker haben.“ Wenn ihr eine Stelle kahl vorkommt, will sie etwas Neues. Immer von der Neugierde getrieben, was dabei herauskommt. Enttäuscht war sie noch nie.

Eine Frage war noch offen: Was hat Tätowieren mit Employer Branding zu tun? Am Ende mehr, als man denkt. Natürlich lässt sich nicht jeder Arbeitnehmer das Logo seines Arbeitgebers stechen. Aber andersherum verändert Employer Branding die Marke. Und wie bei Tattoos müssen die Verantwortlichen sehr gut darüber nachdenken, ob die Geschichte, das Bild, der Eindruck auch zum Unternehmen passt. Im besten Falle kommen sie dann ins Gespräch.

Autor: Raoul Fischer