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Foto von AllGo – An App For Plus Size People

Dr. Susanne Dietz,

Trainerin, Coach und Inhaberin der Dietz Trainings- & Prozessbegleitung, Köln,

www.dietz-trainings.de

„Jeder von uns kann in einen Burnout geraten.“

Burnout im Ansatz erkennen

Burnout lässt sich nicht auf ein eindeutig definiertes Symptom zurückführen, sondern umfasst vielerlei hinreichende oder notwendige Merkmale. Um eine Burnout-Gefährdung oder bereits vorliegenden Burnout zu erkennen, müssen sich Führungskräfte oder Personalverantwortliche intensiv mit den Mitarbeitern beschäftigen.

Wer einem Mitarbeiter begegnet, der nicht mehr abschalten kann und sich innerlich um negative, dysfunktionale Themen und Gefühle dreht, so dass er morgens müde und genervt an den Arbeitsplatz kommt, sollte hellhörig werden.

Fragen zu folgenden Themenschwerpunkten können dabei helfen, Burnout zu identifizieren:

  • Überhöhter Energieeinsatz bis hin zur Erschöpfung
  • Reduziertes Engagement
  • Emotionale Reaktionen und Schuldzuweisungen (inklusive Grübelei und Stimmungsschwankungen)
  • Aggressionen
  • Abbau der kognitiven Leistungsfähigkeit, der Motivation, der Kreativität und Entdifferenzierung (globalisierendes Schwarz-Weiß-Denken)
  • Verflachung des emotionalen, des sozialen und des geistigen Lebens
  • Psychosomatische Reaktionen
  • Verzweiflung

Außerdem kann die Arbeitsumgebung des Mitarbeiters wichtige Anhaltspunkte liefern. Situationen, in denen Burnout eher entstehen KANN, sind beispielsweise:

  • Einarbeitung Marke „ab ins kalte Wasser“
  • Quantitative und/oder qualitativ überhöhte Arbeitsbelastung
  • Unterforderung
  • Wenig Kontakte/Kontaktmöglichkeiten
  • Mangelnde professionelle Autonomie
  • Uneindeutige, unangemessene (zum Beispiel überhöhte) und unverbindliche Ziele
  • Wenig bis keine Unterstützung und Anerkennung durch Vorgesetzte • wenig stützendes Klima auf Kollegenebene

Personalverantwortliche sollten also immer im Hinterkopf behalten: Jeder von uns kann in einen Burnout geraten, wenn die Umwelt lange oder intensiv genug negativ einwirkt. Einen prototypischen, burnoutgefährdeten Persönlichkeitstypus gibt es jedenfalls nicht.

Dr. Sabine Dembkowski,

Gründerin und Direktorin von The Coaching Center in London und Köln,

www.thecoachingcentre.com

„Personalverantwortliche müssen den Mut aufbringen, dem Management Grenzen aufzuzeigen.“

Wie Personalverantwortliche Burnout bei Mitarbeitern bekämpfen können

1. Vorsicht mit dem Label

Anders als gemeinhin angenommen ist Burnout keine medizinische Diagnose, sondern eine Art populäre Umschreibung für Zustände, in denen sich Menschen hochgradig überlastet, niedergeschlagen oder am Ende ihrer Kräfte fühlen. Nicht selten stecken dahinter handfeste seelische Erkrankungen, meist Depressionen. Die Diagnose solcher Zustände ist komplex und bedarf unter Umständen umfangreicher Untersuchungen. Wenn der „Verdacht“ besteht, sollten Personalverantwortliche die Führungskraft ermutigen, qualifiziertes medizinisches Fachpersonal einzuschalten.

2. Vertraulichkeit zusichern

In der Praxis haben Betroffene oft Angst, ihre Karriere mit der Diagnose Burnout zu gefährden. Deshalb ist es besonders wichtig, dass Personaler Vertraulichkeit zusichern und auch einhalten.

3. Experten-Pools aufbauen

So wie Unternehmen einen Pool an Beratern, Trainern und Coachs haben, sollten sie auch Kontakte zu speziell geschulten Ärzten und Psychotherapeuten aufbauen, auf die sie im Bedarfsfall verweisen können. Viele Personalverantwortliche gehen zwar davon aus, dass Coaching als Burnout-Bekämpfung ausreicht. Doch die Möglichkeiten dieses Instruments sind begrenzt: In medizinischen Fragen sind Coachs nicht geschult. Deshalb kann ein Coaching für einen Mitarbeiter, der unter einer seelischen Erkrankung leidet, höchstens ein Begleitprogramm vor und nach einer von Ärzten oder Psychotherapeuten durchgeführten Therapie sein.

4. Bewusstsein für den Faktor Zeit schaffen

Wenn sich ein Mitarbeiter, der vom Burnout betroffen ist, einen zweiwöchigen Urlaub oder eine Auszeit von einem Monat nimmt, reicht das nicht aus. Neben der Behandlung von Burnout-Symptomen geht es häufig darum, die individuellen, etwa durch die Biographie geprägten Einstellungen und Muster im Umgang mit beruflichen Belastungen zu reflektieren – und diese Prozesse können mehrere Monate oder gar Jahre dauern.

Personaler sind vor diesem Hintergrund insbesondere hinsichtlich der Aufklärung gefragt. Sie können organisationsinterne Veranstaltungen anbieten, die zentrale Fragen zum Thema Burnout beantworten. Damit ein Genesungsprozess erfolgreich verläuft, müssen außerdem einige Rahmenbedingungen erfüllt sein: Während der Abwesenheit eines Beschäftigten sollten Personaler für eine Vertretung sorgen, die über ausreichende zeitliche Ressourcen verfügt. Auch nach der Rückkehr des Betroffenen erleichtert ein gradueller Einstieg – mit zum Beispiel zunächst 50, 70 oder 90 Prozent der vollen Arbeitszeit – die Heilung.

Je offener die Rückkehrer über die eigenen Belastungsgrenzen sprechen können, desto einfacher ist für sie der Wiedereinstieg. Deshalb müssen Personalverantwortliche auch den Mut mitbringen, dem Management Grenzen aufzuzeigen: Leistungssteigerung ist nicht bis ins Unendliche möglich, sondern sollte sich an den individuellen Möglichkeiten jedes Einzelnen orientieren.

Dr. Karin von Schumann,

Diplom-Psychologin, Managementberaterin und Coach, München,

www.vonschumann-consulting.de

„Burnout darf kein Tabu-Thema sein!“

Was Personalverantwortliche und Führungskräfte tun können, um Burnout vorzubeugen

Generell lassen sich drei verschiedene Präventionsansätze unterscheiden, mit deren Hilfe Personalverantwortliche Burnout der Mitarbeiter vorbeugen und/oder die Führungskräfte dabei unterstützten können: Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention.

1. Primärprävention bei Burnout bedeutet, das Erkrankungsrisiko für Mitarbeitende zu minimieren.

Was Sie tun können:

  • Für das Thema sensibilisieren: Burnout darf kein Tabuthema sein! Aufklärung, z. B. durch einen Expertenvortrag oder im Rahmen eines Gesundheitstages, den Sie organisieren.
  • Das Personalentwicklungsangebot überprüfen: Sind die Instrumente zur Belastungsreduktion ausreichend und sind Ausschreibungen so formuliert, dass Burnoutgefährdete sich angesprochen und nicht diskriminiert fühlen?
  • Partizipative Führungskultur: Alles was Sie zu einer positiven Führungskultur beitragen können, ist die beste Prävention. Eine aktuelle Langzeitstudie der Bertelsmann Stiftung konnte einen klaren Zusammenhang zwischen fehlender sozialer Unterstützung durch die Führungskraft und Burnout nachweisen.

2. Sekundärprävention bedeutet in diesem Zusammenhang, Belastungen und Burnout bei den Mitarbeitern möglichst frühzeitig zu erkennen und entgegen zu wirken, indem Sie

  • Anlaufstellen für Betroffene schaffen und diese publik machen, evtl. auch sich selbst als Gesprächspartner anbieten,
  • Führungskräfte schulen, damit sie Symptome erkennen und diese auch aktiv bei Mitarbeitern ansprechen oder
  • Führungskräfte dabei unterstützen, Belastungen bei Burnoutgefährdeten zu reduzieren (Überstunden vermeiden, Erholung fördern).

3. Bei der Tertiärprävention geht es darum, eine Behandlung einzuleiten und Rückfälle zu vermeiden:

  • In einer frühen Phase kann Coaching hilfreich und ausreichend sein. In jedem Fall ist ein versierter, auf Burnout spezialisierter Coach sinnvoll, da er weitergehende Schritte wie etwa eine Psychotherapie vermitteln kann.
  • Bei der Rückkehr nach der Genesung kommt der Wiedereingliederung eine entscheidende Rolle zu. Hier können Sie als interner Coach und Gesprächspartner Hilfe anbieten.

Dr. Beate Beermann,

Gruppenleiterin Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, , Dortmund

www.baua.de

„Personaler sollten das Thema Burnout als betriebliches Problem begreifen.“

Ursache und Wirkung verwechselt: Kardinalfehler beim Thema Burnout

Burnout wird heute vielfach als Synonym für extreme Erschöpfungszustände oder als Sammelbegriff für verschiedene negative, arbeitsbezogene Seelenzustände benutzt. Es beschreibt Personen, die in der Folge nachlassende oder fehlende Motivation in ihrem Unter-nehmen an den Tag legen.

Personalverantwortliche verwechseln dabei leicht Ursache und Wirkung. Die Ursachen für die Entstehung von Burnout liegen in der Regel nur zu einem geringen Teil bei den betroffenen Personen selbst. Der Symptomträger leidet oftmals unter strukturellen Gegebenheiten, denn Burnout hat neben den personenbezogenen Aspekten immer einen arbeitsbezogenen Kontext.

Ein häufiger Fehler von Personalern und Führungskräften besteht darin, dass sie die Betroffenen in den Mittelpunkt stellen. Doch wenn ein Mitarbeiter von Burnout betroffen ist, bedeutet das nicht automatisch, dass er unter „normalen“ Bedingungen nicht leistungsfähig oder belastbar ist. Es zeigt vielmehr, dass der arbeitsbezogenen Kontext Gefahren für die seelische Gesundheit des Mitarbeiters birgt.

Personalverantwortliche sollten sich deshalb fragen:

  • Sind die Arbeitsanforderungen angemessen?
  • Welche „Passung“ besteht zwischen den Anforderungen und dem Leistungsprofil des Beschäftigten?
  • Welche Ressourcen oder welche Form der Unterstützung stehen den Mitarbeitern zur Verfügung?
  • Welche Hilfe sowohl auf individueller Ebene (verbesserte Bewältigungsstrategien) als auch auf organisatorischer Ebene (verbesserte Arbeitsgestaltung, betriebliches Gesundheitsmanagement) kann das Unternehmen bieten?

Nur wenn Personaler das Thema Burnout als betriebliches Problem begreifen, können sie Risiken langfristig reduzieren.

Veranstaltungstipp:

Podiumsdiskussion der Zeitschrift “Wirtschaftspsychologie aktuell” auf der Messe Zukunft Personal in Köln

„Burnout – Trophäe für den modernen Helden der Arbeit?“

Moderation: Diplom-Psychologin Uschi Gersch, Wirtschaftspsychologin, Trainerin, Coach vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP)

12.10.2010, Koelnmesse, Halle 2.1, Forum 4, 12:00 – 12:45 Uhr